St. Marx: Live vom Schlachthof

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Der ORF überlegt den Umzug nach St. Marx. Und er ist nicht der Einzige. Einziehen werden z. B. die Servicestelle der Stadt, die „Vienna Film Commission“ oder die Produktionsfirma von Regisseur Ulrich Seidl.

Wien. Was kommt heraus, wenn man St.Marx und Kreativität kreuzt? Auf den ersten Blick: ein Bastelgeschäft. Denn sieht man mal vom „Bunten Weberknoten“ in der Viehmarktgasse ab, verrät optisch nichts, dass hier, am ehemaligen Schlachthof, kreativ gearbeitet wird. Dass hier, hinter dem großen Tor mit dem faulen (dem österreichischen) und dem wilden (dem ungarischen) Stier ein Medienviertel wächst. Und dass hier eventuell die neue Heimat des ORF entsteht.

Die Meldung, dass ORF-Generaldirektor Wrabetz Marx als Küniglbergersatz präferiert (die Entscheidung soll im März fallen), rückte das „Media Quarter Marx“ zuletzt ins mediale Rampenlicht. Bislang besteht das MQM, das seit 2003 in Betrieb ist, nur aus einem, wenngleich übervoll mit medienaffinen Firmen besetzten Ziegelbau (Grafik, 1). Dessen Studio (eins von sieben) ist vor allem durch die Aufzeichnung einer ORF-Show bekannt: „Willkommen Österreich“ mit Stermann & Grissemann.

Ein wenig ORF gibt es also bereits am Schlachthof. Dass es mehr wird, darauf hoffen hier vom Bürgermeister abwärts alle. Sitz des Staatsfernsehens, was kann einem Stadtentwicklungsgebiet Besseres passieren? Oder einem Bezirk? „Es wäre ein toller Imagegewinn“, meint SP-Bezirksvorsteher Erich Hohenberger. Und auch die ansässigen Kreativarbeiter glauben an Synergie statt Konkurrenz: „Käme der ORF, würde das andere Betriebe wie Castingfirmen oder Bühnenbauer anziehen“, sagt Produzent Martin Kraml. Kraml ist MQM-Nutzer der ersten Stunde und auch involviert: Er ist mit dem stadtnahen ZIT (Zentrum für Technologie und Innovation GmbH) Grundeigentümer und über die Marx Media Vienna GmbH an der Vermietung des technischen Equipments beteiligt.

Tatsächlich laufen die Gespräche zwischen ZIT, das das MQM entwickelt, und ORF schon recht lange. Auch wo die Zentrale hinkäme, ist relativ klar: Das Fleischmarktareal (5), das der Wiener Stadtentwicklungs GmbH gehört, bietet 130.000 m2. Der ORF ist aber nicht der Einzige mit Marx-Ambitionen. Gerade entstehen zwei neue Gebäude: Bis Mai wird ein schmales Backsteinhaus (2) renoviert. Einziehen werden z. B. die Servicestelle der Stadt, die „Vienna Film Commission“ oder die Produktionsfirma von Regisseur Ulrich Seidl.

Noch offen ist hingegen, wer in den 34.000-m2-Neubau nebenan mit großem TV-Studio (3) übersiedelt, der 2010 fertig wird. Einem Radiosender wird Interesse nachgesagt, ebenso ATV. „Noch ist es nicht konkret genug, aber sollte ein echtes Medienzentrum entstehen, wird es interessant“, sagt ATV-Geschäftsführer Ludwig Bauer. Prinzipielles Interesse am Standort besteht auch seitens des Styria Verlages sowie der Rosenhügel-Filmstudios. Man sei „in festen Gesprächen mit der Stadt“, so Kurt Mrkwicka, Manager der Filmstadt Wien. Und: Zöge auch der ORF, immerhin Filmstadthauptkunde, her, sei das ein Vorteil. Als Studiobauplatz sind der Raiffeisen-Grund (7) sowie jener neben der Rinderhalle (6) im Gespräch.

„Kein Medienghetto“

Apropos Rinderhalle: Die Nutzung des denkmalgeschützten, frisch renovierten Baus (4) ist noch immer offen, fix ist nur, dass sie für die Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Wie das ganze Areal: „Wir wollen kein Medienghetto schaffen“, sagt ZIT-Leiter Claus Hofer. Anders als bei deutschen Film-Clustern, die traditionell außerhalb liegen, soll die relative Zentrumsnähe genutzt werden. Gibt es bislang nur ein Restaurant, soll künftig mehr Gastronomie für mehr Leben sorgen. Auch eine bessere Ausschilderung als Media Quarter ist geplant. Obwohl: Erledigt sich das nicht von selbst? Denn kommt das Staats-TV, wird dann nicht aus dem MQM „der ORF“? „Darüber“, sagt Hofer, „muss man reden.“ Später dann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2009)

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