Lorenz im Interview: „Der ORF ist ein empfindlicher Riese“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Programmdirektor Wolfgang Lorenz findet, man könne den Sender nicht mit der AUA vergleichen. Die Struktur des Unternehmens sei seit Bacher „zu groß“.

In „Österreich“ mahnt Bundeskanzler Werner Faymann: „Der ORF darf keine zweite AUA werden.“ Sie gehören im ORF zu den Kopiloten – befinden Sie sich auf Crashkurs?

Wolfgang Lorenz: Das kann man nicht miteinander vergleichen. Ja, wir sind in einer Krise, wie andere Medienunternehmen auch. Für die Identität eines Landes ist aber eine Luftlinie unbedeutend, der ORF hingegen für die Gesellschaft unverzichtbar.

Es gibt aus der Politik heftige Kritik an der ORF-Führung. Was wird passieren?

Lorenz:Die Politik hat sich – bis auf Zurufe von fast allen – in Richtung ORF noch nicht verbindlich aufgestellt. Das ist gut so – die Politik kann sich also noch auf eine konstruktive ORF-Linie festlegen. Das ist bis jetzt nicht passiert. Ohne politische Verantwortung und klares Bekenntnis zur Wichtigkeit der Institution ORF wird es schwer sein, das zu matchen. Die EU-Richtlinien bringen so oder so eine Gesetzesänderung – da könnte man auch den ORF insgesamt besser für die Zukunft aufstellen, inklusive geänderter Werbebestimmungen und Refundierung jener Mittel, die man uns seit Jahr und Tag einfach entzieht.

Am 2.April muss das Zukunftskonzept stehen. Faymann macht davon die Zukunft der ORF-Chefs abhängig.

Lorenz: Der 2.April wird zu einem D-Day hochstilisiert. Wichtig ist, dass die Geschäftsführung vorausschauend für fünf bis zehn Jahre sagt, wie das funktionieren kann. Wir müssen einen Zustand erreichen, dass mindestens fünfzig Prozent des Budgets in die variablen Programmkosten gehen. Der ORF wird seine Hausaufgaben machen, aber man muss erst wissen: Was ist das Ziel? Dazu braucht man die Politik: Wie stellt diese sich den ORF künftig vor? Ohne Zielvorstellung keine Wegbeschreibung. Das gilt für beide Seiten.

Immer wieder gibt es Diskussionen ums Programm.

Lorenz: Wir hatten 2008 knapp unter 40 Prozent Marktanteil. Ich hätte nicht geglaubt, dass wir mehr als 38 Prozent packen – da war Wrabetz mutiger als ich. Aber wäre der ORF wichtiger oder unwichtiger, wenn er nur 35 Prozent Marktanteil hätte? Ich glaube nicht. Vielmehr ist eine andere Diskussion zu führen: Ist es möglich, aufrechtzuerhalten, dass der ORF fast gleich belastet zweibeinig aufgestellt ist – hier Gebühren, dort Werbung? In Zeiten der Wirtschaftskrise wird der Fuß der Werbung lahmen. Es war immer schon eine Schnapsidee, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk so zu positionieren – ARD und ZDF nähren sich nur zu fünf Prozent aus Werbung. Der ORF ist ein sehr empfindlicher Riese, der rasch aus dem Gleichgewicht kommen kann.


Was halten Sie von der Idee, Programm- und Informationsdirektor durch nur einen TV-Direktor zu ersetzen?

Lorenz:Davon halte ich was. Ich glaube, dass ein TV-Direktor mit einem ihm unterstellten Chefredakteur ausreichend wäre, dass man insgesamt mit weniger Führungspersonal auskommen kann. Von uns werden gerade diesbezügliche Handlungsweisen erarbeitet. Und man muss sich auch überlegen: Stutzt man die Landesstudios auf ihre regionale Funktionalität zurück oder sollen sie dem föderalistischen Gedanken dienen und sind sie in ihrer Eigenständigkeit noch zu steigern? Was wünscht sich die Politik und wie finanziert man's – behält man weiterhin circa ein Drittel aus den Gebühren ein oder führt man das Geld zum Beispiel dem Föderalismus des ORF zu? Die vererbte ORF-Struktur ist heute eine Belastung, das ist von Gerd Bacher zu groß aufgestellt worden und in der jetzigen Form so nicht mehr zu finanzieren.

Welche Programme können Sie sich leisten?

Lorenz: Ich habe heuer zehn Prozent und in der Vorschau für nächstes Jahr 15Prozent weniger Geld. Leider haben wir immer mehr auf Lager, das wir aus finanziellen Gründen auf nächste Budgetjahre schieben müssen. Für die fertige neue Krimireihe, „Schnell ermittelt“, weiß ich nicht, ob ich das Geld habe, sie zu senden, auch nicht für „Vier Frauen und ein Todesfall“ oder „Der Täter“ mit Erwin Steinhauer sowie die nächste Staffel des Erfolgsformats „Oben ohne“. Die Reihe „Die Lottosieger“ und „Tschuschenpower“ kommen aus heutiger Sicht verlässlich, der „Kaiser“ wird 2009 durchmachen, ebenso „Willkommen Österreich“ und „Dorfers Donnerstalk“.

Wie sehen Sie Ihre Zukunft im ORF?

Lorenz: Das ist mit Sicherheit mein letzter Job im ORF. Aber noch bin ich nicht tot.

ORF IM PARLAMENT

Eine Sondersitzung des Nationalrates zu „Postenschacher und Misswirtschaft“ (nach einer Dringlichen Anfrage des BZÖ) befasst sich mit der ÖIAG und der AUA, aber auch mit dem ORF. Die Debatte wird diesen Dienstag 15–17 Uhr in ORF2 live übertragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2009)

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