„Landkrimis“: Ein Mordfall pro Bundesland

Die Frau mit einem Schuh
Die Frau mit einem Schuh(c) ORF (Petro Domenigg)
  • Drucken

Der ORF zeigt die erste Tranche der aufwendig gestalteten „Landkrimis“. Glawogger, Murnberger und Bilgeri lassen die heimische Schauspielgarde aufmarschieren.

Vorschusslorbeeren kann jeder brauchen, auch und gerade ein Fernsehsender in der Größe des ORF. Während die deutschen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, ZDF und ARD, fast schon krampfhaft nach ihrem „Breaking Bad“ oder „Homeland“ suchen, um den Erfolg von US-Abo-Sendern wie HBO oder Netflix nachzuahmen, kann sich der ORF ein bisschen zurücklehnen. Er hat immerhin „Braunschlag“, eine typisch österreichische Satire, die in Sachen Skurrilität durchaus mit Produktionen wie „Breaking Bad“ mithalten kann. 2015 wollen die Amerikaner sogar ein Remake daraus machen, da hüpft auch das Herz des kaufmännischen Direktors am Küniglberg. Und der nächste Serienhit made in Austria folgt vermutlich im Herbst 2015, wenn die neue David-Schalko-Produktion „Altes Geld“ (mit Udo Kier statt Gert Voss in der Hauptrolle) ausgestrahlt wird.

Vielleicht hat der ORF also deshalb vorerst von TV-Experimenten genug und setzt in seiner neuen Filmreihe wieder auf klassischen Fernsehstoff: den Krimi mit Austro-Lokalkolorit. Man sollte meinen, dass es mit dem Österreich-„Tatort“, der Reihe „Spuren des Bösen“ (mit Heino Ferch in der Hauptrolle), den „Schnell ermittelt“-Filmen und Serien wie „Cop Stories“, „Soko Donau“ oder „Vier Frauen und ein Todesfall“ ausreichend Kommissare und schräge Ermittler in der heimischen TV-Landschaft gibt. Doch jetzt werden es noch mehr: Schon vor über zwei Jahren hat der ORF die sogenannten „Landkrimis“ angekündigt, Hauptabendkrimis aus den neun Bundesländern. Nun sind die ersten drei fertig und werden vor und über Weihnachten ausgestrahlt.

Michael Glawoggers letzter Film

Bei aller Skepsis gegenüber noch mehr Krimistoff im Hauptabend muss man anerkennen, dass da etwas gelungen ist. Der ORF engagierte bekannte Regisseure aus unterschiedlichsten Genres und bat alles, was derzeit im Fernseh- und Filmschauspielfach Rang und Namen hat, vor die Kamera. Den Auftakt der Reihe macht heute, Donnerstag, der Niederösterreich-Fall von dem im April verstorbenen Regisseur Michael Glawogger („Contact High“, „Das Vaterspiel“). Nina Proll und Karl Fischer sind darin ein mürrisch-zynisches Polizistenduo. In einem Schotterteich (gedreht wurde in und um Pitten, Baden und Wiener Neustadt) wird ein Skalp mit schwarzen Haaren gefunden. Die Frau, von der Franzi und Michael gerufen werden, erkennt den Ernst der Lage nicht. „Wer haut bitte seine eigenen Hoar weg. I man, gute Hoar san teier“, sagt sie. Robert Palfrader spielt den arbeitslosen und nun braven Haus- und Ehemann von Ermittlerin Franzi. Wenn sie von der Arbeit nach Hause kommt, hat er schön gedeckt und aufwendig gekocht. Sie isst aber lieber vor dem Fernseher und fragt mehr aus Routine als aus Interesse: „Und, wie war dein Tag?“. Der Brave erzählt: „Das Auto macht ein komisches Geräusch. Und ,Two and a Half Men‘ war so wie immer, also lustig.“ Der Zuseher ahnt: Diese Ehe hat keine Zukunft.

Verdächtigt werden im Lauf des Films der grantige Automechaniker Gerry (grandios: Johannes Krisch) und seine neue Frau (Edita Malovcic). Der Kriminalfall an sich ist nicht besonders durchdacht, der Film lebt aber von den trockenen Dialogen.

Weniger sarkastisch, dafür durch und durch böse ist der Vorarlberg-Krimi von Reinhold Bilgeri (27. Dezember). Tobias Moretti spielt einen eiskalten Kriminalbeamten aus Dornbirn, der nicht vor dem Töten zurückschreckt. Der Tiroler Moretti tut sich nicht schwer mit dem Vorarlbergerischen, aber Wolfgang Böck ist als Chef einer Abwasserreinigungsanlage leider fehlbesetzt – er scheitert am Dialekt. Ähnlich wie bei den Fällen aus Niederösterreich und der Steiermark (20. Dezember) gilt: Die Krimihandlung schwächelt, aber das ziemlich beeindruckende Schauspielerensemble und der gekonnte Einsatz von Musik und Schnitt machen den Film sehenswert.

DIE LANDKRIMIS

Niederösterreich. In „Die Frau mit einem Schuh“ (Regie: Michael Glawogger) ermitteln Nina Proll und Karl Fischer einen Mord. Mit dabei u.a. Johannes Krisch, Edita Malovcic, Wolf Bachofner und Robert Palfrader. Heute, Donnerstag, ORFeins, 20.15 Uhr

Steiermark. In „Steirerblut“(Regie: Wolfgang Murnberger) muss die junge Polizistin Sandra Mohr, gespielt von Miriam Stein, einen Mord in ihrer Heimatgemeinde aufklären. U.a. mit August Schmölzer und Thomas Stipsits. Sa, 20.12. ORFeins, 20.15 Uhr. Vorarlberg. In „Alles Fleisch ist Gras“ (Regie: Reinhold Bilgeri) spielt Tobias Moretti einen doppelbödigen Kriminalbeamten. An seiner Seite: Wolfgang Böck, Petra Morzé und Christoph Grissemann. Sa, 27. 12. , ORFeins, 20.15 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.