Nach dem Satire-„Tatort“ mit Nora Tschirner und Christian Ulmen wird es am Sonntag in Wien wieder ernster – rund um einen Mord in diplomatischen Kreisen.
Einen erfolgreichen Jahresauftakt hat der „Tatort“ in Deutschland am Neujahrstag hingelegt. Dem zweiten Fall des Weimarer Ermittlerpärchens Nora Tschirner und Christan Ulmen folgten am 1. Jänner fast neun Millionen Menschen. Die skurrile Geschichte rund um ein Zwillingsbruderpaar, das Ehefrauen und Berufe tauscht, war weniger Kriminalfall als kurioses Kammerspiel. Bei den stimmigen Dialogen rund um keltische Sternzeichen, einen Kettensägenclown und Besuche in der Nacktsauna blieb der Mordfall Nebensache. Die grandiose Sophie Rois gab als Ehefrau des einen Zwillings eine meisterhaft fiese Geisterbahnbetreiberin, und der Auftritt der deutschen Band Element of Crime gefiel den Echtzeitkritiken auf Twitter zufolge nicht nur den treuesten Sven-Regener-Fans.
Weitaus weniger zu lachen gibt es am Sonntag beim neuen Österreich-„Tatort“. Und das obwohl sich die Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) zu Beginn des Falls rund um Geheimagenten und das iranische Atomprogramm noch scherzhaft als „Bibi und Moritz Bond“ bezeichnen. Das Lachen vergeht den beiden erst spät, als sie erkennen, dass Eisner seit geraumer Zeit auf Schritt und Tritt abgehört wird.
Ein Lobbyist wie aus dem Leben
Der Fall nimmt seinen Anfang an der Ringstraße. Aus dem obersten Stockwerk eines Nobelhotels nahe der Wiener Oper stürzt ein Gast auf das Dach eines Taxis. Der Mann ist iranischer Diplomat und Atomphysiker. Schnell haben die Ermittler Zweifel an einer Suizidtheorie, schließlich finden sie im Hotelzimmer des Verstorbenen Kopfschmerztabletten, die er noch eingenommen hatte, ein Handy, das aufgeladen wurde, und teure Opernkarten. „Sieht das aus wie ein geplanter Selbstmord?“, fragt Moritz Eisner. Längst ist Sektionschef Ernst Rauter (Hubert Kramar) von der iranischen Botschaft und dem österreichischen Außenministerium zu strengster Geheimhaltung aufgefordert. Das arme Ermittlerteam hat im Österreich-„Tatort“ noch immer dieselbe Rollenaufteilung: Eisner und Fellner ermitteln, der Chef pfeift sie, so oft es geht, zurück.
Trotzdem entdecken die beiden Verbindungen zum österreichischen Lobbyisten und Grafen Johannes Leopold Trachtenfels (routiniert gräflich gespielt von Udo Samel), der auf seinem Schloss in Niederösterreich aufwendige Kostümpartys feiert und mit dem Toten Zeit verbrachte. Ein Schelm, wer hier an reale Grafen und Lobbyisten denkt. Im Film hat der Mann natürlich auch beste Kontakte zur niederösterreichischen Landesregierung. Wie der kleine Bezirkspolizist, der Eisner beim Telefonieren im Auto und mit abgelaufener Apotheke erwischt.
Insgesamt hinterlässt dieser Österreich-„Tatort“ (Drehbuch: Max Gruber, Regie: Thomas Roth) das Gefühl, man habe diesen oder einen ähnlichen Fall auf dem Wiener Diplomaten- und UNO-Parkett schon einmal gesehen. Für ein so bekanntes Setting werden aber zu viele Klischees serviert: der Diplomat im Wiener Nobelhotel, die Opernkarten schon gekauft, dunkle Geschäfte, die bis zum israelischen Geheimdienst reichen. Mittendrin ein Graf und Lobbyist, unterlegt wird das Ganze mit einem dramatischen arabischen Klangteppich. Und die sonst recht eingespielten Dialoge zwischen Fellner und Eisner wollen diesmal nicht zünden. Vielleicht sind wir aber einfach nur vom Kommissar-Ehepaar Tschirner-Ulmen verwöhnt.
„Tatort“, Sonntag, 4.1., 20.15 Uhr, ORF2.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2015)