Grenzziehung: Wenn Witz, Text und Karikatur strafbar werden

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Auch in Österreich schränken Gesetze die Meinungsfreiheit ein. Kabarettisten wurden wegen Spotts über die Religion verurteilt. Auch das Herabwürdigen von Frauen oder Senioren könnte strafbar sein.

„Frei sind wir nur, solange wir über alles lachen dürfen“, überschrieb „Die Presse“ ihren gestrigen Leitartikel. Weltweit betonten Zeitungen nach dem Attentat radikaler Islamisten auf ein Magazin wegen Mohammed-Karikaturen, wie wichtig Meinungsfreiheit ist. Doch wie weit geht diese? Auch in Österreich ist sie einigen Einschränkungen unterworfen.

„Warum gibt es in der Türkei keine Samenspender? Weil die ganzen Wichser bei uns sind“, schrieb ein 19-jähriger Tiroler (im Original mit holpriger Rechtschreibung) zu einer grob ausländerfeindlichen Diskussion auf Facebook. In erster Instanz wurde der Mann wegen Verhetzung verurteilt, in zweiter Instanz freigesprochen. Den Mann rettete, dass er einen Zwinker-Smiley gesetzt hatte und damit zum Ausdruck brachte, dass er seine Äußerungen nicht ganz ernst meinte.

Zwei Kabarettisten der Gruppe Habsburg-Recycling wurden hingegen 1998 rechtskräftig verurteilt, wegen Herabwürdigung religiöser Lehren. Sie hatten „Zwangstaufen“ mit Urin vorgenommen und Engel als homosexuelle Samenspender hingestellt. Nach ursprünglichen Freisprüchen wurden die Kabarettisten doch für schuldig befunden.

Das Hin und Her zwischen Schuld und Freispruch zeigt, dass es schwer ist, vorauszusehen, wann die Grenze von der Kunst zur Strafbarkeit überschritten wird. So ist der Tatbestand der Verhetzung nicht nur erfüllt, wenn man zur Gewalt aufruft. Es reicht, wenn man bestimmte Gruppen „in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und dadurch verächtlich zu machen sucht“. Eine Formulierung, die Kabarettisten treffen könnte, wie manche Juristen warnen.

Geschützte Gruppen erweitert

Vor einigen Jahren wurden die Gruppen, die vom Paragrafen geschützt werden, erweitert. Wegen Religion und Herkunft, aber auch wegen des Geschlechts, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung darf niemand grob verächtlich gemacht werden. Spott, der sich etwa gegen Senioren oder Frauen richtet, könnte so ein Fall fürs Gericht werden. Angeklagt wurde dafür freilich noch kein Komiker.

Karikaturisten beschäftigten die Staatsanwaltschaft aber schon. Gerhard Haderers Buch „Das Leben des Jesus“ (2002) sorgte für Anzeigen, weil darin z. B. Jesus kifft und der Heiligenschein auf eine „Überportion Weihrauch“ zurückgeführt wird. In Österreich klagte die Staatsanwaltschaft wegen des nur „milden Spotts“ nicht an. In Griechenland wurde Haderer zunächst schuldig und erst in zweiter Instanz freigesprochen.

Und auch kritische Artikel können zum rechtlichen Thema werden: Jüngster Aufreger war ein Text im „Kurier“, in dem ein islamkritischer Publizist behauptete, al-Qaida und der IS würden „nicht anders agieren als Mohammed“. Der Wiener SPÖ-Landtagsmandatar Omar Al-Rawi erklärte, der Artikel könne den Tatbestand der Herabwürdigung der Religion erfüllen. Er nahm sein diesbezügliches Posting auf Facebook aber wieder zurück. „In Anbetracht dessen, was in Paris passiert ist“, sagt Al-Rawi zur „Presse“. Er werde auch keine Anzeige wegen des Artikels erstatten. So wie man überhaupt darüber diskutieren könne, „ob dieser Paragraf geschickt ist oder nicht“. „Aber es gibt ihn“, so Al-Rawi.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2015)

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