Die totale Mattscheibe: Britische Privatsender vor dem Aus

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itv(c) REUTERS (NIGEL RODDIS)
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Die britischen Sender ITV, Channel4 und Five kämpfen ums Überleben. Sie unterliegen öffentlichen Auflagen, sollen sich aber ausschließlich aus kommerziellen Einnahmen finanzieren.

Großbritannien feiert heuer nicht nur mit Getöse die 200.Wiederkehr des Geburtstags von Charles Darwin. Die Rezession unterwirft zugleich die Wirtschaft einem gnadenlosen Überlebenstest getreu Darwins Wort vom „survival of the fittest“. Besonders hart kämpfen müssen die Medien. Gerhard Zeiler, Ex-ORF-General und heute als RTL-Boss auch zuständig für den Sender Five: „Großbritannien ist unglaublich schwierig, momentan ist es wahrscheinlich der härteste Markt in ganz Westeuropa.“ Wer in Großbritannien sein Fernsehgerät anschließt, brav die Grundgebühr (rund 150 Euro jährlich) zahlt und auf Schnickschnack verzichtet, bekommt via Kabel fünf Kanäle ins Haus geliefert: BBC1 und 2, ITV, Channel4 und Five. Die BBC ist die Hohepriesterin des (Qualitäts-)TV mit öffentlich-rechtlichem Auftrag, zahlreichen Auflagen und ohne kommerzielle Werbung. Dafür steckt „Auntie Beeb“ auch die ganze Grundgebühr ein: Im Jahr erhält das bei Weitem größte britische Medienunternehmen 3,77Milliarden Euro vom Staat bzw. von den Gebührenzahler.

ITV-Studios in Leeds werden geschlossen

Anders die Konkurrenten ITV, Channel4 und Five: Sie unterliegen ebenfalls öffentlichen Auflagen, sollen sich aber ausschließlich aus kommerziellen Einnahmen finanzieren. Was in Zeiten der Hochkonjunktur ganz gut funktioniert, droht sie nun aber umzubringen. Werbeeinbrüche führen zu Wertberichtigungen und Stellenabbau (siehe Infokasten). Die Krise zieht mittlerweile wie ein Buschfeuer durch die Medienlandschaft. Die Folgeschäden sind beträchtlich. Ungezählte Produktionsfirmen, das Kreativpotenzial des Landes, kämpfen ebenfalls ums Überleben. Bisher konnten sie gut von den Aufträgen leben. So lässt Channel4 nur außer Haus produzieren. ITV aber kündigte nun an, die Zahl der zugekauften Produktionen um gleich 20Prozent zu kürzen. Dem Kahlschlag fallen auch Ikonen zum Opfer: Die legendären ITV-Studios in Leeds werden geschlossen, tausende Arbeitskräfte in der Krisenregion Nordengland sind in Gefahr.

Neben Sparmaßnahmen und dem rituellen Hadern über den Programmauftrag ist nun von Zusammenschlüssen die Rede. ITV-Boss Michael Grade: „Wir haben die schwierigste Situation seit 30 Jahren und müssen eine intelligente Diskussion darüber führen.“ So weit ist er freilich noch nicht, vorerst schwirren vor allem Gerüchte herum. Ausgelöst hat sie ausgerechnet die Medienbehörde Ofcom, die einen Zusammenschluss von Channel4 und Five in den Raum gestellt hat. Mittlerweile wird sogar über eine Fusion aller drei kommerziellen Sender spekuliert.

Dagegen verwehren sich – vorerst? – alle. Ohne Hilfe aber kann keiner überleben, die sucht man jetzt an ungewöhnlicher Stelle: Channel4 wird mit BBC Worldwide zusammenarbeiten. Selbige vermarktet international erfolgreiche Produktionen wie „Top Gear“ oder „Little Britain“. Der Gewinn im Vorjahr von 135Millionen Pfund entspricht ziemlich genau der Finanzlücke von Channel4. Aus gegebenem Anlass derzeit im Angebot: eine dreiteilige Doku über Charles Darwin.

TV-SENDER IN NÖTEN

Der Privatsender Five musste eine Wertberichtigung von 327Mio. Euro vornehmen, mehr als die Hälfte des bisherigen Werts.

ITV kündigte nach Einbruch der Werbeeinnahmen um 20Prozent seit Jahresbeginn den Abbau von 600 seiner 4500Mitarbeiter und Einsparungen von 70Mio. Euro an.

Channel4 hat allein 2009 eine „Finanzierungslücke“ von 162 Millionen Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2009)

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