"Tatort" Kiel: Requiem für einen Traum

Tatort
Tatort(c) NDR/Christine Schröder
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Borowski und Brandt ermitteln in "Borowski und der Himmel über Kiel" in der norddeutschen Drogenszene – ein düsterer Fall, der nachdenklich stimmt.

Unsere "Tatort"-Wertung

5 von 5 Punkten.

Worum geht es?

Am Anfang steht der Drogenrausch - und ein abgetrennter Kopf. Was folgt, ist ein streckenweise ganz und gar nicht jugendfreier, düster-trauriger Tatort. Das Kieler Duo Klaus Borowski und Sarah Brandt ermittelt in der norddeutschen Drogenszene. Denn der abgetrennte Kopf – so viel ist bald klar – gehörte dem 20-jährigen, drogenabhängigen Mike. Vom Rest der Leiche fehlt jede Spur. Und auch bei der Frage nach Täter, Motiv und Tathergang tappen die Ermittler im Dunkeln. Mikes Freundin Rita, selbst erst seit kurzem clean, hilft den Kommissaren bei der Spurensuche in den Diskotheken und Drogenhöhlen Kiels. Und erzählt von ihrer Liebe zu Mike – einer Geschichte von der Hoffnung auf ein neues Leben, der Ekstase und dem tiefen Fall. Doch ihre Zusammenarbeit mit der Polizei bringt sie selbst in große Gefahr.

Worum geht’s noch?

Der wortkarge, mürrische Kommissar Borowski, über dessen Privatleben der Zuschauer bisher nicht allzu viel erfuhr, fühlt sich durch die Freundin des Toten an seine eigene Tochter Carla erinnert. Zu dieser hat er offenbar schon lange jeden Kontakt verloren. Im Gespräch mit Rita sagt er lakonisch: "Man kriegt nicht alles hin." Die Begegnung mit dem vater- und orientierungslosen, jungen Mädchen lässt ihn seine eigene Vaterrolle überdenken.

Worum geht's wirklich?

"Die erste Sekunde, das ist wie wenn in dir alles leuchtet", beschreibt Rita ihre Crystal Meth Trips. Nach Meinung von Regisseur Christian Schwochow ist die Auseinandersetzung mit dieser Designerdroge viel größer als der Kriminalfall selbst: "Wenn man Menschen davor bewahren will, dass sie eine so gefährliche Droge wie Crystal Meth nehmen, muss man sich mit der Faszination beschäftigen." Das schafft dieser Fall – er erzählt in nüchternen Bildern von rauschhaften Partynächten, großen Höhenflügen und dem tiefen Absturz.

Wer ermittelt?

Klaus Borowski (Axel Millberg), seit 2003 in Kiel im Einsatz, wurde mit 2011 eine neue, junge Partnerin in Form von Sarah Brandt (Sibel Kekilli) an die Seite gestellt. Wo Borowski in den Verhören diesmal seine grantige Art zurückschraubt und sein Beschützerinstinkt für Rita durchbricht, geht Brandt ganz in der Rolle des "Bad Cop" auf.

Was gefällt?

Der Kieler Tatort bleibt seinem gewohnt nordisch-unterkühlten, rauen Ton und Stoff treu. In den Hauptrollen brillieren die Jungdarsteller Elisa Schlott (Rita) und Joel Baseman (Mike), deren Liebesgeschichten in Rückblenden erzählt wird. Vom ersten Treffen bis zu Mikes Tod sieht man hier keine menschlichen Schablonen - wie sie doch öfters durch Tatort-Produktion geistern – sondern das Lieben und Leiden realer Charaktere.

Wo hakt's?

Grundsätzlich ein durch und durch gelungener, harter "Tatort". Die Figur der Sarah Brandt hätte man in dieser Folge etwas empathischer zeichnen können. Und natürlich könnte man auf rhetorische Fragen wie "Wer macht so was?" verzichten, auf die nur der ewig gleiche Standardspruch "Dieser Frage sollten wir nachgehen" folgen kann.

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