Als die Wochenschau in die Wohnzimmer kam

Teddy Podgorski
Teddy Podgorski(c) Michaela Seidler
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Der erste "ZiB"-Redakteur Teddy Podgorski erinnert sich an die Anfänge der Fernsehnachrichten.

Sie haben der „Zeit im Bild“ 1955 Ihren Namen gegeben – wie sind Sie denn auf diese sperrige Formulierung gekommen?

Teddy Podgorski: Ich hatte diese Wochenschau-Titel im Hinterkopf, die „Welt im Bild“ und so ähnlich hießen. Die ganze Sendung war ja einer Wochenschau nachempfunden und ist auch nicht täglich ausgestrahlt worden, sondern nur zweimal in der Woche – es gab nicht mehr Sendetage. Wir haben den Leuten die Wochenschau vom Kino ins Haus gebracht. Ich fand die Wochenschau-Titel alle schlecht – und ich finde auch „Zeit im Bild“ schlecht. Aber als Fernsehdirektor Gerhard Freund von mir einen Namen für die Sendung hören wollte, ist mir nichts Besseres eingefallen. Er hat gemeint: „Na, guat is' net, aber lass' ma's derweil.“

Derzeit hört man wieder Klagen über politischen Einfluss beim ORF – aktuell geht es um die Sorge, die SPÖ könnte einen zentralen Chefredakteur installieren. Wie war das in der Anfangszeit?

Am Anfang sind die Nachrichten bereits zensuriert aus dem Funkhaus gekommen. Dort gab es einen schwarzen Chefredakteur und einen sozialistischen Stellvertreter, die mussten das autorisieren. Dann wurden die Nachrichten – das waren so zehn Blätter – in einem VW-Bus vom Funkhaus nach Schönbrunn geführt. Der Sprecher im TV-Studio hat sie dann vorgelesen. Deshalb wollte ich nicht moderieren, weil es nicht sehr anspruchsvoll war.

Und wie war das mit Politikerinterviews?

Die hat es nicht gegeben. Zunächst haben die das Fernsehen ja nicht ernst genommen – vor allem die ÖVP-Politiker nicht, denn die haben lange geglaubt, dass dieses Medium wieder eingehen wird. Später sind die Pressechefs der Politiker mit Fragelisten und vorbereiteten Antworten gekommen. Einmal sollte ich Verteidigungsminister Karl Schleinzer interviewen. Im Schminkraum hat er mir seine fertigen Fragen und Antworten übergeben – aber ich habe mich geweigert. Daraufhin hat Chefredakteur Josef Dörflinger diese Fragen gestellt. Das war schrecklich.

1986 bis 1990 waren Sie ORF-Generalintendant. Hat es da viele Interventionsversuche gegeben?

Nicht sehr viele, ich war als halsstarrig verschrien. Ich wurde also bei solchen Aktionen umgangen, unterlaufen – es wurden die Chefredakteure belästigt. Damals moderierte Robert Hochner die „ZiB2“ – er war wunderbar. Ich war nur verärgert über ihn, weil er mich über Nacht vor vollendete Tatsachen gestellt und mitgeteilt hat, dass er Chefredakteur der „Arbeiterzeitung“ wird. Das hätte er mir früher sagen können. Ich hätte ihm geraten, es nicht zu tun, weil er dort nicht reüssieren würde. So war es.

Heute sind die „Zeit im Bild“ und die „ZiB2“ bedeutende Quotenbringer für den ORF. Das war aber nicht immer so.

Die „ZiB2“ hatte ein Problem mit zu wenigen Zuschauern. Als ich 1987 die „Seitenblicke“ erfunden habe – Gott vergibt mir hoffentlich dafür –, habe ich das in erster Linie gemacht, um sie als Lokomotive vor die „ZiB2“ zu stellen. Die Politiker waren wütend, denn sie wollten lieber sich selbst in den Nachrichten sehen als vorher den Richard Lugner. Aber die Society war wichtig, weil die Leute auf diese Sendung flogen – und dann bei der „ZiB2“ picken geblieben sind. Mittlerweile sind die „Seitenblicke“ ja unausrottbar geworden – auch wenn ich sie mir anders vorstellen würde.

Welches Format ist heute wichtiger: die „Zeit im Bild“ oder die „ZiB2“?

Ich finde die „Zeit im Bild“ zu kurz. So eingeschnürt zwischen Trailern und Werbung, in diesen fünfzehn Minuten kann man ja nicht einmal Zusammenhänge erklären. Da ist man angewiesen auf die „ZiB2“. Es war von Anfang an die Idee, mit dieser Sendung etwas anderes zu bieten als mit der Einser-„ZiB“, die wir in der Steinzeit des Fernsehens am Abend wiederholt haben.

Heute steckt die „ZiB“ in einem zeitlichen Korsett. Das muss früher ja traumhaft gewesen sein, als noch keiner auf die Uhr schaute.

Als 1959 der Schah von Persien zum Staatsbesuch in Österreich angesagt war, wurde ich nach Teheran geschickt, um einen Vorbericht zu machen. Dieser Bericht allein hat zwanzig Minuten gedauert und wurde in der „ZiB“ gesendet. Zwanzig Minuten – das war ein Traum. Aber ich habe auch einen hohen Preis dafür bezahlt, weil ich einen Skandal ausgelöst habe. Wegen des Berichts hat der Schah den Staatsbesuch abgesagt. Ein Legationsrat der iranischen Botschaft hat dann gefordert: „Podgorski muss man schlagen, schlagen, schlagen. Peitschenhiebe!“ Fernsehdirektor Freund hat mich hinauswerfen müssen – aber mit dem Hinweis: „In ein paar Wochen kommen S' bei der Hintertür wieder rein.“

Politischen Druck gibt es auch heute.

Die Regierung entscheidet über ORF-Gebühren, über die Werbezeiten, die Zukunft des Unternehmens. Nicht nur im ORF müssen Journalisten um ihre Existenz fürchten. Keiner traut sich mehr, etwas gegen den Strich zu sagen, sonst ist man seinen Job los. Das behindert die Unabhängigkeit – wie ein Angstchip, den man eingepflanzt hat.

Namensgeber

Thaddäus „Teddy“ Podgorski (*1935 in Wien) ist Schauspieler und Journalist. Er war beim Radio, erster Redakteur der „ZiB“, der er den Namen gab, Sport-Chef, TV- und ORF-Generalintendant (1986–90). Er erfand das „Sportpanorama“, „Seinerzeit“, die „Seitenblicke“ und wurde u. a. mit den Preisen Bambi und Goldene Kamera ausgezeichnet. Bruckberger

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2015)

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