"ZiB2" live: "Leute, was ist heute los?"

40 Jahre ZIB 2
40 Jahre ZIB 2ORF
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Der Mediator verfolgt seit 40 Jahren die "Zeit im Bild 2". Dieser Sendung blieb er selbst im Ausland treu. Die Begleitumstände des TV-Konsums haben sich inzwischen jedoch radikal verändert.

Als Alexander Wrabetz noch ein junger Generaldirektor des ORF war, bedachte er die „Zeit im Bild 2“ in einer Feierstunde mit heftigem Lob. Diese von Anfang an als Infotainment konzipierte Show ist seine Lieblingssendung: „Erstens, weil es stimmt, aber zweitens, weil man auch sehr viel darauf angesprochen wird“, sagte er zur „ZiB2“. Sie sorge täglich für Gesprächsstoff.

Dem will auch der „Mediator“ zum 40. Geburtstag der Sendung am 3.Februar gar nicht widersprechen. Im besten Fall ist die „ZiB2“ die Agora, jener öffentliche Raum, in dem das Wesentliche verhandelt wird, das diese Republik bewegt. Im schlechtesten Fall sieht man, wie Interessensgruppen versuchen, diesen Marktplatz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit diversen Mitteln der Intervention zu besetzen.

Die „ZiB1“ ist für die flüchtige Information in rascher Folge da, über die „ZiB2“ zu fortgeschrittener Stunde, quasi als Bilanz eines ganzen Tages, muss man reden. Gut zehn Minuten mehr Spielraum als in ORF einsergeben einigen Mehrwert. Die Einser, die um 19.30 Uhr beginnt, ist abzüglich der Introduktion und der Teaser gerade eine gute Viertelstunde lang. Ein rasantes Potpourri an News rauscht vorbei. Die Zweier dauert fast eine halbe Stunde. Verleger vieler Zeitungen wären glücklich, wenn die Leser ihr Blatt so lang in der Hand hielten. Für das Fernsehen sind knapp 30 Minuten eine Ewigkeit.

Dabei hat die vom einstigen Unterhaltungschef Kuno Knöbl ersonnene Sendung (er erfand den „Club2“ mit, und noch viel mehr) ihren Sehern in der Anfangsphase viel zugemutet: keine feste Beginnzeit und unterschiedliche Längen. Zwischendurch hieß die Sendung „Zehn vor zehn“, dann wurde sie 1984 auf 21.15 Uhr vorverlegt und um ein Drittel gekürzt. Das ist an sich tödlich für die Quote, doch wurde man stets durch positive Überraschungen entschädigt. Viele blieben wohl vor allem auch deshalb der „ZiB2“ treu.

Nicht Sprecher traten auf, sondern Moderatoren, die sich für alles zu interessieren schienen, die das Weltgeschehen und auch das lokale Ereignis kommentierend und manchmal sogar ironisch begleiteten. Sie kamen täglich ins Wohnzimmer und gehörten bald zur Familie: Ingrid Thurnher, Marie-Claire Zimmermann, Josef Broukal haben wahrscheinlich noch immer einen höheren Bekanntheitsgrad als Dutzende unterdurchschnittliche Minister.

Der Prototyp für diese unterhaltsame Nachrichtensendung mit viel Hintergrund und Livegesprächen war der 2001 verstorbene Journalist Robert Hochner. Ein Anchorman: Wenn er die Sendung überzog, weil er aus lauter Neugier und voller bürgerlicher Höflichkeit alles noch viel genauer wissen wollte, war man ihm dankbar.

Und oft ging eine in der „ZiB2“ angerissene Diskussion fast nahtlos weiter: Durch den „Club 2“ folgte eine weitere Entschleunigung, sogar mit open ending. Das hat in der Zeit, als kantige Persönlichkeiten wie Günther Nenning und Adolf Holl im Verbund mit Fachleuten und Laien scheinbar absichtslos ins Plaudern gekommen sind, besser funktioniert als heute, da sich häufig Experten und Parteifunktionäre Scheindebatten liefern. Das Antrainierte von Interviewpartnern macht inzwischen selbst einem Vollprofi der Gesprächsführung wie Armin Wolf zu schaffen: Die ihn fürchten, gehen der peinlichen Befragung in der „ZiB2“ aus dem Weg und kommen erst gar nicht. Die seine Sendezeit nutzen, weichen Fragen aus und setzen ihren Sermon ab. Infotainment wird so zur Belanglosen-Sendung.


Was kann der „Mediator“ an persönlichen Erfahrungen über 40 Jahre „ZiB2“-Abhängigkeit erzählen? Dass die Sendung auch auf 3sat läuft, war eine Königsidee. Im Ausland, im zehnten Bundesland, ergibt sich so für viele Österreicher der einzige fast direkte tägliche Kontakt zur alten Heimat. Die „ZiB2“ auf 3sat ist zudem noch das Schaufenster des ORF für halb Europa.

Und innerhalb des Landes, in Konkurrenz mit den Privaten? Noch immer sehen im Schnitt mehr als eine halbe Million Österreicher spätabends die Zweier-Nachrichten. Gewonnen haben die Programmmacher aber wohl erst dann, wenn die Seher nach der Verabschiedung des Moderators nicht umschalten, sondern bei ORF2 bleiben. Das war in Zeiten des „Club2“ vielleicht häufiger der Fall als heute. Die technische Entwicklung macht dies inzwischen viel weniger wahrscheinlich. Seit die ORF-TVthek Nachrichten zeitversetzt anbietet, kann man Programme wie die „ZiB“ per PC, Smartphone, Tablet selektiv wahrnehmen. Ein Wisch mit dem Finger genügt, um Sequenzen zu überspringen. So werden aus einer halben Stunde Nachrichten rasch zehn Minuten. Und dann wird gesurft.

Eine Konsequenz für den Sender: noch mehr Eigenwerbung für Exklusives, noch mehr Zuspitzung, Teaser allenthalben. Wie das funktioniert, hat Armin Wolf, der auch in sozialen Medien äußerst erfolgreich ist, letzten Montag demonstriert. Er setzte noch vor Schluss seiner Sendung, während der Wetterprognose um 22.26 Uhr, an circa 148.500Follower Folgendes ab: „Leute, was ist heute los? Kein einziges Tweet zur #ZiB2? Schwänzt ihr alle, oder was? Das gibt keine guten Mitarbeitsnoten...“ Sogar „ZiB2“-Fan Wrabetz war unentschuldigt ferngeblieben.

In Zahlen

10.400„ZiB2“-Sendungen wurden seit 1975 ausgestrahlt.

1,475Millionen Zuschauer erreichte 2000 die meistgesehene „ZiB2“ anlässlich der Bildung der schwarz-blauen Regierung.

100Mal trat der häufigste Studiogast, Politologe Peter Filzmaier, auf. Jörg Haider folgt mit 42 Auftritten. Niki Lauda und Helmut Zilk kamen je 17-mal.

0Mal war Kreisky, der „Medienkanzler“, in der „ZiB2“. Er zog die „Pressestunde“ vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2015)

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