Elmar Oberhauser: "Die Unabhängigkeit ist ein schwer zu verteidigendes Gut"

40 Jahre ZIB 2
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Österreichs Politiker "glauben, der ORF gehöre ihnen", kritisiert Elmar Oberhauser. Doch sie müssen auch auf der Hut sein – wer im TV nicht reüssiert, ist schnell auch seine Funktion los.

Am Dienstag feiert die „Zeit im Bild 2“ ihr 40-Jahre-Jubiläum – und was der ORF-„Flurfunk“ berichtet, das beunruhigt: „Ich weiß, dass es Leute im Haus gibt, die sagen: Man muss die ,ZiB2‘ in den Griff kriegen“, sagte Sendungsverantwortlicher Wolfgang Wagner beim Get-together im ORF-Zentrum.


Als das „Moltofon“ klingelte. Es geht das Gerücht um, in der ORF-Information könnte – auf Wunsch der SPÖ – ein zentraler Chefredakteur oder Direktor installiert werden, namentlich Salzburgs Landesdirektor Roland Brunhofer. Der habe intern ausgeplaudert, er wolle die „ZiB2“ und auf Twitter umtriebige Journalisten „in den Griff“ bekommen. Brunhofer weist das zwar als „Gräuelpropaganda“ und „Schwachsinn“ von sich, doch die Belegschaft ist alarmiert. Zu oft schon hat man politischen Einfluss zu spüren bekommen, manches in letzter Sekunde verhindert wie z. B. SPÖ-Adlatus Niko Pelinka, der dann doch nicht als ORF-Generalsekretär installiert wurde.

Im Sommer 2016 steht wieder eine ORF-Wahl ins Haus, da ist die Versuchung, sich den Wünschen der Politik zu beugen, besonders groß. Wagner erinnerte an die Lage während der rechtskonservativen Regierung 2000 bis 2006: „Für jede Entscheidung musste das Plazet geholt werden.“ 2001 waren die „ZiB“-Redakteure so genervt, dass sie ankündigten, man werde jede Intervention von FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler „sofort veröffentlichen“. Alfred Dorfer witzelte im „Donnerstalk“ über ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer – eine angeblich für politische Interventionen bereitgestellte Direktleitung ins Studio nannte er „Moltofon“.

Oberhauser und die Dittlbachers. Elmar Oberhauser kennt derlei wie kein anderer. Der ehemalige Info-Direktor musste gehen, weil er dagegen war, dass Fritz Dittlbacher – „auf Zuruf von Bundeskanzler Werner Faymann“ – zum TV-Chefredakteur ernannt wurde. „Die Unabhängigkeit des ORF ist ein schwer zu verteidigendes Gut“, sagt Oberhauser zur „Presse“, „weil die meisten Politiker in Österreich glauben, der ORF gehöre ihnen und sie könnten hier mitreden“. In der Causa Dittlbacher zeigt er sich versöhnlich: „Ich würde ihn nicht mehr verhindern“, sagt er heute, „weil er gezeigt hat, dass er das kann.“ Trotzdem hält Oberhauser die Kritik daran aufrecht, dass Dittlbachers Frau, Lou Lorenz-Dittlbacher, die „ZiB2“ moderiert. Er halte das für unvereinbar.


Politiker auf dem heißen Stuhl. Die Politik sucht Einfluss – aber sie ist auch abhängig. Der „ZiB2“ kann man sich schwer entziehen. Hat die Sendung auch Einfluss auf die Politik? „Das glaube ich schon“, sagt Anchorman Armin Wolf, der seit Sommer 2002 die Sendung moderiert: „Wenn Sie als Politiker vor 600.000 Leuten etwas erklären und länger als sechzig Sekunden sprechen wollen, dann müssen Sie in die Sendung kommen.“ Wer nicht reüssiert, kann seine Karriere meist bald an den Nagel hängen – Beispiele sind die ehemaligen Justizministerinnen Beatrix Karl und Claudia Bandion-Ortner oder die „Entzauberung“ (© Fritz Dittlbacher) von Frank Stronach, der mit seiner strikten Verweigerung, Fragen zu beantworten, keine Pluspunkte sammeln konnte.

Es geht auch anders, erinnert sich Wolf: „Wir hatten Sebastian Kurz als Staatssekretär in die Sendung eingeladen, aber er ist mehrere Wochen lang nicht gekommen.“ In der ÖVP war man sich zu dieser Zeit noch nicht einig, wie viel man einem 23-Jährigen zutrauen sollte. Als Kurz dann doch in die „ZiB2“ kam, legte er „einen erstaunlich souveränen Auftritt“ hin – und war ab diesem Tag in der Partei akzeptiert.


Reden will gelernt sein. Ein Naturtalent war Jörg Haider – mit 42 Auftritten war er der häufigste politische Gast der „ZiB2“. Auch Bruno Kreisky überzeugte im TV, doch der „Medienkanzler“ kam nie in die Sendung. „Bevor der ORF entstand, musste man Politikern die Fragen vorab schriftlich abgeben, um ein Interview zu bekommen“, erinnert sich der erste „ZiB2“-Moderator Günther Ziesel. In den „ZiB“-Sendungen waren dann Live-Interviews möglich. „Darauf waren die Politiker nicht vorbereitet.“

Seit die Spin-Doktoren agieren, wissen Politiker, „dass man nicht mit einem geblümten Sakko ins TV-Studio kommt und nicht vom Sessel fallen sollte“, sagt Politologe und ORF-Experte Peter Filzmaier. Die heutige „Überprofessionalisierung“ hält er für kontraproduktiv. Und wer seine Botschaft so eintrainiert, dass er keine Frage beantwortet, macht keine gute Figur. „Manche halten es mit Henry Kissinger: Hat jemand eine Frage zu meiner Antwort?“, witzelt Wolf. Funktionieren tut das nicht, so Filzmaier: „Die Zuschauer haben einen Instinkt dafür.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2015)

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