"Richtig harte Arbeit": Der Mann hinter der Maus

Der Autor Regisseur und Produzent Armin Maiwald ist Erfinder der Maus zu Gast in der WDR Talkshow K
Der Autor Regisseur und Produzent Armin Maiwald ist Erfinder der Maus zu Gast in der WDR Talkshow Kimago/Horst Galuschka
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Ein Leben für die Sachgeschichten: Seit über 40 Jahren erkundet Armin Maiwald in der "Sendung mit der Maus" die Welt.

Wenn Armin Maiwald etwas nie ausgehen wird, dann sind es die Fragen. Sie trudeln jeden Tag ins Haus; während des Telefongesprächs hat er ein Blatt mit der Frage eines Kindes vor sich liegen: Warum wird mein Ladegerät warm, wenn ich mein Handy lade? „Ich habe da schon eine Antwort von einem Experten“, sagt Maiwald, „aber die ist so hoch kompliziert, dass ich ständig denke: Wie war das noch mal?“

Armin Maiwalds Beruf ist es, sämtliche Fragen des Lebens möglichst einfach zu beantworten: Der 75-Jährige ist einer der Erfinder der „Sendung mit der Maus“, und von Beginn an Produzent, Stimme und Gesicht der Sachgeschichten. Wie kommen die Löcher in den Käse? Wie funktionieren Wahlen? (In seiner Version: Die orangefarbene Maus-Partei verspricht doppeltes Taschengeld, die lila Elefanten-Partei mehr Ferien).

Manche der Beiträge sind in den 43 Jahren Maus-Geschichte 20 Mal und öfter wiederholt worden. „Warum ist der Himmel blau?“, ist eine der meistgestellten Fragen. „Für jedes Kind, das den Himmel anschaut, ist das ein neues Erlebnis. Den Film dazu kann man immer wieder zeigen.“ Beim Brotbacken ist das schon schwieriger, „da haben sich die Methoden verändert, die Leute sind anders angezogen“. Und dann gibt es natürlich ständig neue Phänomene. Wie funktioniert das Internet? Woher weiß das Handy, dass ich gerade auf dem Domplatz bin? „Das sind die Fragen, die die Kinder heute schicken“, sagt Maiwald. „Jede Woche kriegen wir stapelweise Post mit Fragen, auf die Eltern und Lehrer keine Antworten wissen. Da versuchen wir dann, Antworten zu geben. Manchmal gar nicht so einfach.“


Williamsbirne. Etwa dann, wenn es um Strom geht. „Strom kann man ja nicht sehen, nur die Auswirkungen. Noch schwieriger ist es bei der Computerelektronik. Da muss man dann eine Geschichte dazu finden. Das ist manchmal richtig harte Arbeit, das dauert Monate oder auch ein Jahr.“

In ganz Deutschland, aber auch im übrigen Europa und in Übersee ist Maiwald mit seinem Team dafür unterwegs, hat von der Schneiderei bis zum Atomkraftwerk schon alles von innen gesehen, weiß genau, wie Schrauben und Fußballschuhe gebaut werden. Trotzdem: „Ich bin ja auch kein wandelndes Lexikon, ich muss auch erst einen Experten finden.“ Längst hat er freilich „einen guten Draht“ zu allen Universitäten. Und verfolgt seine Ziele mit teils beträchtlichem Aufwand.

Auf einem französischen Bauernhof grub er etwa eine hunderte Meter lange Stromleitung in den Boden, um in der Plantage einen Fotoapparat zu versorgen, der über Monate hinweg fotografierte, wie eine Williamsbirne in die Schnapsflasche wächst. 2013 begleitete er eine ganze Schwangerschaft bis zur Geburt. Immer im gleichen Tonfall, manchmal flapsig, nie staatstragend, mit der unausgesprochenen, beruhigenden Botschaft: Alles ganz normal.


Fernsehgeschichte. Dabei war Maiwald, als er in seinen ersten Beiträgen die Herkunft von „Brötchen, Milch und Ei“ erklärte, kein wirklicher „Kinderexperte“, wie er in seiner eben erschienenen Biografie schildert. Seine eigenen Kinder waren gerade erst geboren, er arbeitete beim Fernsehspiel. Durch Zufall übernahm er irgendwann einen Auftrag in einer anderen Abteilung, „und da bin ich dann hängen geblieben“. Zumal sich hier die Gelegenheit bot, mit dem neuen Kinderformat etwas Neues zu kreieren. Wobei auch die „Sendung mit der Maus“ Zeit brauchte, um ihre Form zu finden. „In der heutigen Zeit hätten wir das erste halbe Jahr nicht überlebt.“

Überhaupt ist die Biografie weniger Maus- als deutsche Fernseh- und Nachkriegsgeschichte. Maiwald schildert seine Kindheit im Krieg, seine ersten Jobs, auf Baustellen, als Maler, Theaterstatist und Bühnentechniker. Es ist die Geschichte eines Menschen, der sich interessiert. „Ich sag immer: Man hat nie zu viel gelernt im Leben“, sagt der Kölner. „Das hat alles Spuren hinterlassen. Auch die, dass man über sogenannte einfache Leute keine Vorurteile haben soll.“

1996 feierte die Sendung mit der Maus ihren 25. Geburtstag, fuhr dafür mit einem eigenen Zug durchs Land. Bei der ersten Station in Bremen musste der Bundesgrenzschutz die Massen kanalisieren; bei der Abschlussversammlung in Köln brach der Verkehr zusammen – 500.000 Menschen waren dabei. Just an jenem Tag starb Katharina, ein behindertes Mädchen, das Fan der Sendung war. Posthum produzierte Maiwald über sie und ihr Sterben einen viel beachteten Beitrag. Bewusst fröhlich – weil sie ein fröhliches Mädchen war.


Abschied von der Hülle. Später widmete er sich noch einmal dem Tod, um zu zeigen, was passiert, wenn jemand stirbt. „Abschied von der Hülle“ hieß die Folge, „denn wenn jemand gestorben ist, beerdigt man ja nur den Körper, also die äußere Hülle. Die Person selber bleibt ja in den Erinnerungen am Leben“, sagt er darin. Um nicht einen echten Todesfall begleiten zu müssen, griff Maiwald hier zu einem Trick – und ließ seinen eigenen, fiktiven Zwillingsbruder sterben. Der wurde aufgebahrt, in einen Sarg gelegt, (konfessionslos) begraben.

Bis heute sei das gemeinsame Maus-Schauen in vielen Familien ein Ritual. „Und wenn dann neue Fragen auftauchen, die die Eltern beantworten, ist das natürlich der Idealfall.“ Aber auch Erwachsene würden durch die Kindersendung mitunter etwas lernen. Zwei Nobelpreisträger haben sich als Anhänger geoutet, das Spezial über Erdöl benutzt ein Physikprofessor für seinen Unterricht: Besser könne man Erdöl nicht erklären.

Dabei verfolgt Maiwald keine explizit didaktischen Ziele. „Wir sind nicht die Schule, wir arbeiten in einem Unterhaltungsmedium. Wir lassen uns eher von journalistischen oder dramaturgischen Punkten führen.“ Nach deutschem Beamtenrecht könnte der 75-Jährige, der die Geschichten mit seiner eigenen Filmfirma produziert, dabei längst in Pension sein. „Aber solange es Spaß macht, und die Glieder mitmachen, mach ich es.“

Wie gesagt, ihm gehen die Fragen nicht aus. Nur eine hat er noch nicht beantwortet: „Wie entsteht Krieg?“ Sieben Drehbücher hat er dazu schon geschrieben, keines erhielt das Plazet der Redaktion. „Ein Thema, das immer noch auf der Agenda steht.“

Steckbrief

Armin Maiwald
wurde 1940 in Köln geboren. Er studierte Theaterwissenschaften, Germanistik und Philosophie und begann 1963 als Regieassistent beim WDR.

1971
wurde zum ersten Mal die „Sendung mit der Maus“ ausgestrahlt, zu deren Miterfindern Maiwald zählt. Mit seiner markanten Stimme kommentiert er die „Sachgeschichten“, die er mit seiner Firma Flash-Filmproduktion produziert.

1995
wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Maiwald ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Köln.

Vor Kurzem
ist seine Biografie erschienen:

Armin Maiwald: Aufbau vor laufender Kamera.
Kiepenheuer & Witsch, 336 Seiten, 20,60 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2015)

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