"Tatort: Blutschuld" kommt (zu) spät auf Touren, steigert sich aber zum Schluss dann doch noch zum Thriller - mit einer Mischung aus Wahnsinn und Rachegelüsten.
Unsere "Tatort"-Wertung
2 von 5 Punkten
Worum geht’s?
Ein cholerischer, brutaler Familienpatriarch liegt erschlagen in seinem Büro vor dem Safe. Nur kurz glauben die Ermittler, dass der Mord an dem Altmetallhändler etwas mit Geld zu tun hat, denn in jeder Wendung der Story treten neue Familiengeheimnisse zutage. So gut wie jeder hätte einen Grund gehabt, den Mann zu hassen, der seinen Sohn gequält, seine Tochter missbraucht und geschwängert und das Kind seines ehemaligen Kompagnons Christian Scheidt bei einem Unfall als Autoraser getötet hat. Und bei allen Verdächtigen scheint mindestens eine Sicherheit durchgebrannt zu sein: der Sohn sucht nach "Wiedergutmachung durch Sühne", die Tochter ist völlig distanzlos und Scheidt ein seelisches Wrack.
Wer ermittelt?
Simone Thomalla zeigt als Hauptkommissarin Eva Saalfeld nur selten Gefühle. Sie ist mehr der Typ fürs trockene Nicken und wortkarge Nachdenken – da wirkt die kleine Umarmung ganz am Ende der Episode schon wie ein unerwartet heftiger Gefühlsausbruch. Martin Wuttke trägt als Hauptkommissar Andreas Keppler gerne Anzug, was nicht nur etwas overdressed wirkt, sondern auch recht unpraktisch ist, wenn er sich als Fassadenkletterer beweisen oder hinter einem Tatverdächtigen her sprinten muss.
Wo hakt's?
Gleich die ersten Sekunden machen neugierig: Ein Mann mit einem Messer im Hals taumelt über die Straße nach Hause und wird dort von seiner Familie nicht etwa versorgt, sondern mit Vorwürfen malträtiert und der Polizei ausgeliefert. Gleich darauf kommt es in „Blutschuld“ zu dem brutalen Mord an seinem Vater, dem Unternehmer . . . und dann passiert fast eine Stunde lang wenig, zu wenig. Erst dann wird es wieder spannend. Schade auch, dass hier jedes Augenzwinkern fehlt: Es gibt keine spritzigen Dialoge, vieles wirkt trocken und übertrieben bedeutungsschwanger. Wenn Frau Kommissar den Kollegen neckt, dann fragt sie ihn: „Braust'e 'n Höckerchen?“, weil er versucht, in ein verschlossenes Haus hineinzuschauen. „Schön, wenn Du Spaß hast“, gibt er schnippisch zurück. Ein Spaß, der sich dem Zuschauer nicht erschließt.
Was gefällt?
Nach einer Stunde kommt „Blutschuld“ dann doch noch in Fahrt – samt mörderischen Attacken, die Saalfeld und Wuttke am Telefon mit anhören müssen. Schauspielerisch sticht Uwe Bohm in der Rolle des unglücklichen Christian Scheidt hervor: Der Mann, der nicht nur seine Tochter verlor, sondern dessen Ehe daraufhin zerbrach, fristet seither ein einsames Leben, leidet an Rheuma und trinkt zu viel – ein zwielichtiger Typ, den Bohm so undurchsichtig interpretiert, dass der Zuschauer bis zuletzt nicht weiß, was er von diesem Charakter halten soll. Damit bleibt das Ende bis zum Schluss offen – und spannend.
"Blutschuld" läuft am am Sonntag, 20.15 Uhr, ORF 2/ARD.