„Meine Tochter Anne Frank“: Eine Jugend im Hinterhaus

Meine Tochter Anne Frank
Meine Tochter Anne Frank(c) HR/AVE/Janett Kartelmeyer
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70 Jahre nach dem Tod von Anne Frank im Konzentrationslager wird ihre Geschichte zum ersten Mal von einem deutschen Team verfilmt. Ein behutsamer Film eines aus Afghanistan stammenden Muslims.

Es ist bei Weitem nicht der erste Film über das Schicksal des jüdischen Mädchens Anne Frank, das sich im Zweiten Weltkrieg mit seiner Familie über zwei Jahre in einem Hinterhaus in der Amsterdamer Prinsengracht versteckt hielt. Glaubt man dem Wikipedia-Eintrag, dann wurde ihre Geschichte und das nach der Deportation gerettete Tagebuch bereits 18 Mal verfilmt. Trotzdem ist der Film, der heute, Mittwoch in der ARD (20.15 Uhr) zu sehen ist, eine Premiere. Denn es ist die erste deutsche Produktion, die nun 70 Jahre nach Anne Franks Tod im Konzentrationslager Bergen-Belsen ins Fernsehen kommt. Ursprünglich war sogar noch ein zweiter Film geplant. Das ZDF wollte eine Mini-Serie produzieren, doch das Projekt musste gestoppt werden, weil der in Basel ansässige Anne-Frank-Fonds sein Einverständnis verwehrte.

Nun also stattdessen die ARD und ein Dokudrama in Spielfilmlänge. Verantwortlich dafür ist der aus Afghanistan stammende deutsche Muslim Walid Nakschbandi, was, wie der „Spiegel“ diese Woche betonte, eine schöne Symbolik hat „in einer Zeit, die von Islamismus und neuem Antisemitismus geprägt ist“. Gemeinsam mit Regisseur Raymon Ley entschied der Produzent, Anne Franks Geschichte aus der Sicht des Vaters Otto zu erzählen, der das Konzentrationslager als Einziger seiner Familie überlebt hatte. So beginnt „Meine Tochter Anne Frank“ auch mit Ottos Rückkehr nach Amsterdam kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Dort trifft er auf Miep Gies, die treue Seele, die der Familie im Versteck geholfen hatte und die Annes Tagebuch retten konnte. Gemeinsam überlegen sie, ob das Tagebuch veröffentlicht werden soll. „Ich weiß nicht, ob das Anne recht wäre. Es ist doch ihr Tagebuch“, sagt Miep Gies. Doch Otto wendet ein: „Aber es ist auch ein Dokument.“ Er entschloss sich zur Veröffentlichung, strich aber die teils harten Passagen, in denen Anne mit ihrer Mutter haderte. Erst viel später wurden auch diese Stellen aus dem Buch publiziert, im Film werden daher auch die Spannungen zwischen Mutter und Tochter gezeigt.

Es ist ziemlich viel, was Produzent und Regisseur da in einen 90 Minuten langen Film packen wollten: Das schwierige Leben der insgesamt acht Personen im Versteck wird ebenso geschildert wie die Angst vor dem Verrat, aber der rote Faden bleibt Annes Heranwachsen, ihr Umgang mit Sexualität und ihre Schwärmerei für den ebenfalls versteckten Peter, Sohn von Auguste und Hermann Pels. Doch auch Otto Franks langsamem Zurückfinden in ein normales Leben wird Raum gegeben, parallel dazu mimt Axel Milberg einen holländischen Journalisten, der jenen uneinsichtigen Polizisten aufsucht, der Familie Frank verhaftet hat. Und dazwischen kommen Zeitzeugen zu Wort, ehemalige Schulkollegen und Freundinnen von Anne.

Ein anderer Blick auf die Geschichte

Irgendwo musste also gekürzt werden. Das Filmteam entschied sich, den genauen Hergang des Versteckfindens und -einrichtens sowie die Verhaftung und Deportation der Familie nur in wenigen Bildern anzudeuten. Hauptdarstellerin Mala Emde gibt eine aufmüpfige, aber auch nachdenkliche Anne Frank. Seltsam erscheint bisweilen, dass sie die Tagebuchauszüge vor sich hin sprechen muss, wenn sie in ihrem schmalen Zimmer, das sie mit Ansichtkarten von Stars schmückte, am Schreibtisch sitzt. Insgesamt entsteht ein dennoch anderer Blick auf Anne Franks Geschichte. Vielleicht gehört da dazu, dass der Film – anders als die geplatzte ZDF-Produktion, die sich an ein junges Publikum wenden wollte – Wissen voraussetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2015)

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