Big Brother hat wieder Spaß

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FILE NETHERLANDS BRITAIN TELEVISION ITV TAKES OVER TAPLAAPA/EPA/SANDER KONING
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TV-Produzent John de Mol hat sein Unternehmen verkauft, um sich dem zu widmen, was er am liebsten tut: kreativ sein und Sendungen erfinden.

Im vergangenen Jahr hat John de Mol eine der schwersten Krisen seines Lebens durchlitten. Der Fernseh-Unternehmer, dem man–je nach Vorliebe – für Erfindungen wie „Big Brother“, „Utopia“ (aus markenrechtlichen Gründen heißt die Sendung auf Sat1 „Newtopia“) oder „The Voice“ danken oder grollen kann, war derart ausgelaugt, dass er mit Erschöpfungszuständen im Krankenhaus landete. „Ich war eigentlich nur noch in Sitzungen mit grauen Männern in Anzügen und Rechenmaschinen“, sagt der Workaholic. Als Perfektionist hat er sich den Druck auch selbst auferlegt. Im Spital reifte dann der Entschluss, sein TV-Unternehmen Talpa zu verkaufen. Mit dem britischen Medienkonzern ITV wurde de Mol nun handelseins – und kassiert (wenn die Wettbewerbshüter sich nicht querlegen) 500 Millionen Euro. Samt guter Aussichten auf weitere 600 Millionen, sollte das Unternehmen prosperieren.

Bedingung der Briten: De Mol muss bleiben, seine Erfahrung und seinen kreativen Input einbringen. Genau das hat der niederländische Self-Made-Milliardär auch vor. Der 59-Jährige will sich wieder der Entwicklung neuer TV-Sendungen widmen: „In meinem Alter habe ich das Recht zu tun, was mir Spaß macht, und das ist, mit jungen Kreativen Programme entwickeln.“

Davon lebt de Mol schon seit den 1980er-Jahren. Damals kam Bewegung in das bis dato eher betuliche Medium Fernsehen, das Farbbild setzte sich als internationaler Standard für Übertragungen durch, ein Fernseher wurde für alle halbwegs erschwinglich. Die neu auf den Markt drängenden Privatsender in Europa brauchten dringend Nachschub für ihre Unterhaltungsprogramme – und de Mol lieferte eine neue Idee nach der anderen, viele ließen sich weltweit vermarkten.

1994 gründete er mit Joop van den Ende die Endemol – und produzierte für den Sender RTL plus Samstagabend-Shows (u.a. die von seiner jüngeren Schwester Linda de Mol moderierte „Traumhochzeit“) sowie TV-Filme wie „Stadtklinik“ oder „Die Wache“. 1999 wurde „Big Brother“ zum ersten Mal in den Niederlanden ausgestrahlt – es wurde ein Welterfolg und in fast siebzig Länder verkauft. Immer wieder muss de Mol dabei Kritik einstecken, Sendungen wären geschmack- oder niveaulos bzw. sogar unethisch (wie „Die große Spendershow“ um eine Organspende, die sich jedoch als werbewirksamer Fake herausstellte).


De Mol, der Maulwurf. Im Jahr 2000 verkaufte de Mol die börsenotierte Endemol mitten im Aktienhoch um 5,5 Milliarden Euro an die spanische Telefónica (2007 stieg er zum viel billigeren Tarif wieder ein). 2005 gründete er die Talpa (die u.a. „The Voice“ entwickelte, das in 180 Ländern ausgestrahlt wird) und blieb dabei nicht nur dem Medium Fernsehen treu, sondern auch seinem Namen: Talpa europaea wird eine Maulwurfsart genannt – und „Mol“ bedeutet auf Holländisch Maulwurf. Das Tier versteckt sich lieber unter der Erde. Das passt. Auch de Mol liebt die Privatsphäre. Für den Glamourfaktor ist Schwester Linda zuständig. Bruder John für die Ideen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2015)

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