Tierfotos im Internet: So süß!

Roter Kater
Roter Kater(c) Clemens Fabry
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Wir liken sie und teilen sie. Millionenfach. Tierbilder im Internet sind nach all den Jahren immer noch ungebrochen beliebt. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Neulich kursierte eine Grafik auf Facebook, die den Verlauf eines Shitstorms zeigt: Zuerst ärgert sich ein Twitter-User über ein Ereignis, wenig später wird der Ärger auf Facebook geteilt. Schnell gibt es 500 Kommentare, der Shitstorm ist auf seinem Höhepunkt. Und bricht in dem Moment abrupt ab, in dem ein neues, süßes Faultiervideo auf Facebook auftaucht.

Diese überspitzte „Zeit“-Grafik bringt gut auf den Punkt, wie viel Aufmerksamkeit wir Videos und Fotos von Tieren im Internet schenken. Und zwar immer noch. Wir sehen ein Filmchen von einem Schaf, das auf einem Bett (ja, zugegeben, sehr süß) Trampolin springt. Wir liken und teilen es. Die anderen liken und teilen ebenso. Und schon hat hat das Lamm (oder war es eine Ziege?) zigtausend Clicks.

Angefangen hat die Tierbilderfilmeflut lang vor Facebook per E-Mail. Wie viele Power-Point-Präsentationen, in denen Menschen mit zu viel Tagesfreizeit die 60 originellsten Tierbilder mit lustigen Sprüchen versehen haben, hat man im Lauf der Jahre – gern mit dem Betreff „Ich schicke so was normalerweise ja nicht weiter, aber...“ – bekommen? Heute hat sich das Teilen von Tierbildern auf Facebook, Tumblr und Twitter verlagert, wo Pandababys 126 Millionen Clicks haben, die sich mit dem Verweis auf das Kindchenschema des Protagonisten allein längst nicht erklären lassen.

Die Dauerbrenner

Am erstaunlichsten ist vielleicht, wie ungebrochen beliebt Katzenvideos immer noch sind. Wer „funny cats“ googelt, bekommt 41.400.000 Treffer. Auf YouTube kann man sich stundenlang durch Videos klicken, in denen Katzen gegen den Föhn kämpfen, über Klaviertasten laufen oder in Kisten plumpsen. Großteils aus der Kategorie Homevideo (sprich qualitativ ausbaufähig), haben Videos, die „the funniest cat videos ever“ versprechen, schnell tausende Seher. Im schlechtesten Fall. Wahrscheinlicher ist, dass sie an der Millionengrenze kratzen. Dass mancher Filmausschnitt dabei in Richtung Tierquälerei geht, fällt immerhin einigen Usern auf, wie man an den Kommentaren sieht. Geteilt wird aber trotzdem.

Das Phänomen Katzenvideo hat es aber auch in die reale Welt geschafft. 2012 gab es in der US-Stadt Minneapolis das erste Cat-Videofilm-Festival, seit 2013 gibt es einen Wiener Ableger, der vom Kurzfilmfestival Vienna Independent Shorts organisiert wird. Im Vorjahr sorgten 1800 Freunde von Katzenkurzfilmen für eine volle Arena. Heuer im August geht man in das dritte Jahr (wo und wann ist noch unklar).

Auch Fotos von Katzen gibt es online in einer unüberschaubar großen Anzahl. Für ein paar tausend Clicks muss man als Katze gar nichts Außergewöhnliches leisten. Es reicht zum Beispiel, in einem Waschbecken zu sitzen, schon hat man seine eigene Website (catsinsinks.com). Etwas ausgefallener sind Fotos von Katzen, die aussehen wie Hitler. Oder grantig dreinschauen. Seit 2006 gibt es die „Lolcats“, eine Kombination aus Katzenbildern mit grammatikalisch inkorrekten Sprüchen („I can has cheezburger?“)

Die Kurzzeithelden

Kurzzeitkonkurrenz bekommt die Katzenmasse von Tieren, die dank außergewöhnlicher Fotos für einige Augenblicke weltberühmt werden. Fast vergessen ist heute etwa jenes Eichhörnchen, das 2009 plötzlich auf einem Selbstauslöserfoto eines Paars in Kanada auftauchte und neugierig in die Kamera starrte. Das „Crasher Squirrel“ wurde in diverse historischen Aufnahmen montiert, war bei der Mondlandung dabei, saß neben dem Papst oder Obama. So schnell, wie es da war, war es auch wieder weg. Abgelöst von einem neuen originellen Tierbild.

In dieselbe Kategorie passt auch jenes Foto, das im März die Runde machte und einen Grünspecht zeigt, der mit einem Wiesel auf dem Rücken fliegt. Dass der Vogel dabei um sein Leben kämpfte, war ein wenig beachtetes Detail. Unter dem Hashtag #WeaselPecker machte das Bild die Runde, schnell flogen auch Merkel, Putin und Co. auf dem Specht durch das Web.

Die stillen Klassiker

Neben den überpräsenten Katzen gibt es ein paar Tierarten, die ihre Fans haben, aber nie so ganz groß rausgekommen sind: Eulen etwa, von denen es großartige Aufnahmen gibt, die aber nur tausendfach geteilt werden, wenn sie ausnahmsweise schwimmen oder sich von einem Menschen genüsslich kraulen lassen. Sehr viele „Oh wie süß!“-Ausrufe verdienen sich auch Otter (als Jungtiere wie ausgewachsen), Frettchen oder Schweine.

Die aktuellen Hypes

Momentan ist die Tierfotowelt australisch angehaucht. Vor Kurzem war es Patrick, der angeblich älteste Wombat der Welt, der die Aufmerksamkeit auf sich zog. Bis er von einem anderen Beuteltier abgelöst wurde, das bis dahin niemand kannte (sage also einer, diese Tierbilder-Clickerei brächte nichts!). Ein paar hundert Selfies mit dem scheinbar stets dauerlachenden und sehr bereitwillig für Fotos posierenden Quokka später kennt man diese Känguruart auch im Rest der Welt. (Wo waren die eigentlich all die Jahre davor?) Weil man in Westeuropa quokkamäßig nicht mithalten kann, wird in unseren Breiten derzeit – der Winterschlaf ist vorbei! – mit Babyigeln und -fledermäusen gekontert.

Was kommt als Nächstes? Bestimmt gibt es noch das eine oder andere unbekannte Beuteltier. Außerdem ist Frühling, was so viel heißt wie: viele Jungtiere. Viele Fotos. More to come.

Tipps

Eine (kleine) Auswahl aus der weiten Internetwelt der Tierbilder:

catsinsinks.com Sammlung von Bildern, die Katzen in Waschbecken zeigen. Klassiker.

boredpanda.comViel Tiermaterial in großteils sehr guter Qualität, inklusive eines Rankings der besten Quokka-Selfies.

cutestpaw.com Hier gibt es alles: Katzen, Eulen, Stinktiere, Ziegen.

facebook.com/Patrickthewombat Der Facebookauftritt des angeblich ältesten Wombats der Welt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2015)

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