Eine „Bastion der Menschlichkeit“

 Josef Ritter von Gadolla
Josef Ritter von Gadolla(c) Wikipedia
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Der Grazer Josef Ritter von Gadolla bewahrte 1945 eine Stadt vor der Zerstörung und bezahlte mit seinem Leben. ORF III widmet dem „Retter von Gotha“ eine Doku.

Es ist der vierte April 1945. Deutschland liegt in Trümmern, auch der Stadt Gotha in Thüringen droht dieses Schicksal. US-Panzer rücken vor, es steht zu befürchten, dass die Stadt völlig zerstört wird.

Angesichts dieser Bedrohung fällt ein furchtloser Oberstleutnant eine Entscheidung: Der aus Graz stammende Josef Ritter von Gadolla, Kampfkommandant von Gotha, entschließt sich bewusst gegen den Führerbefehl, der lautet, die Stadt bedingungslos bis zum letzten Mann zu halten. Er kapituliert kampflos und rettet somit Gotha und seine Bevölkerung – zu dem Zeitpunkt sind es etwa 60.000 Menschen, darunter Flüchtlinge, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene. Seinen Mut musste er mit dem Tod bezahlen: Am Morgen des fünften Aprils wird er von einem Exekutionskommando der Nazis erschossen.

Militärlaufbahn wider Willen

Lange blieb Josef Ritter von Gadolla, der 1897 in eine steirische Adelsfamilie geboren wurde, in Österreich weitgehend unbekannt. 2013 wurde ein Denkmal für ihn in Graz enthüllt, Anfang April zogen Kleine Zeitung und Antenne Steiermark in das neu errichtete Styria-Media-Center in Graz, der Vorplatz des Gebäudes wurde ihm zu Ehren Gadollaplatz genannt. ORF III würdigt den „Retter von Gotha“ heute Abend in einer 45-minütigen Dokumentation.

Der Film erzählt die Lebensgeschichte des Märtyrers – auch ohne ihn zu zeigen. In schnellen Schnitten reihen die Macher Karo Wolm und Wolfgang Winkler historische Szenen aneinander, zeigen Bomben, Fahnen, Menschenansammlungen aus der Hubschrauberperspektive, Massen von Soldaten, von denen Gadolla einer sein könnte. Dazu wird aus seinem Werdegang erzählt: Als Sohn eines katholischen Rittmeisters geboren, wurde er in die Kadettenschule geschickt – Offizierssöhne hatten eine militärische Laufbahn einzuschlagen, auch wenn Gadolla lieber Naturwissenschaftler geworden wäre. 1917 wurde er an die Italienfront kommandiert, wo er schwer verwundet wurde. Monatelang an das Lazarettbett gefesselt, vertiefte er sich in die Lektüre sozialdemokratischer Schriften. Dieses Gedankengut sowie die christlichen Lehren prägten ihn ein Leben lang.

1924, Gadolla war damals Hauptmann in einer Grazer Kaserne, heiratete er die Tochter des Kantinenwirts – für die anderen Offiziere und seine Familie eine höchst „unstandesgemäße“ Verbindung. Nach dem Anschluss 1938 suchte Gadolla an, pensioniert zu werden – er war zu 80 Prozent invalide –, doch ohne Erfolg, er wurde in die Deutsche Wehrmacht eingezogen und schließlich nach Gotha bestellt, wo er das Wehrmeldeamt leitete.

Neu gedrehte Szenen

Soviel zu seiner Biografie – doch was trieb diese „Bastion der Menschlichkeit“ an, was gab Gadolla den Mut, unter vollem Bewusstsein der Konsequenzen eine Stadt zu retten? Das vermag der Film nicht zu beantworten. Nüchtern werden die Fakten präsentiert, dazu Statements einiger Interviewpartner – darunter der Historiker Manfried Rauchensteiner, Knut Kreuch, Oberbürgermeister von Gotha, und Johann Trummer, der Vorsitzende der Privatstiftung Katholischer Medien Verein, die den Film mitfinanziert hat.

Mit dem vierten April 1945 ändert sich der Duktus des Films: Unter das Archivmaterial mischen sich neu gedrehte Szenen, die nicht ins Bild passen wollen: Ein humpelnder Gadolla steigt da in seinen Oldtimer, die weißen Fahnen auf dem Rücksitz, und fährt durch eine Straße, gesäumt von parkenden Autos mit EU-Kennzeichen. Diese halbgare Nachinszenierung wird der Geschichte nicht gerecht: Auf dem Weg zu den Amerikanern, denen er die Stadt kampflos übergeben wollte, wurde Gadolla von der SS gestoppt, vermutlich waren es Teenager, die ihn verhafteten und nach Weimar überstellten. Am selben Abend wurde sein Todesurteil ausgesprochen. Seine letzten überlieferten Worte: „Damit Gotha leben kann, muss ich sterben.“

Im TV: „Josef Ritter von Gadolla – Der Retter von Gotha“, 18. April, 21.55 Uhr auf ORF III.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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