Kaffeesud und Politikspiele

Alexander Wrabetz
Alexander Wrabetz Stanislav Jenis
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Schon fallen Namen, werden politische Kräfteverhältnisse im Stiftungsrat berechnet. Doch ein Frühstart in die ORF-Wahl schadet dem Unternehmen.

Dieser Tage hat Werner Faymann dem ORF-General etwas ausrichten lassen. Nicht direkt, natürlich. Denn zitieren durfte Innenpolitik-Chef Claus Pandi den Bundeskanzler in der „Kronen Zeitung“ nicht. Vielmehr hat man ihm hinter der Hand etwas zugeraunt, damit er es dann öffentlichkeitswirksam beim Boulevard ausstreuen kann: „In der Umgebung des Bundeskanzlers“, schrieb Pandi, werde Gerhard Zeiler als „idealer Nachfolger“ von ORF-General Alexander Wrabetz gehandelt. Der ehemalige Chef des ORF und der RTL-Group gehört zu den Topmedienmanagern weltweit und verantwortet als Präsident von Turner Broadcasting System International alle TV-Kanäle des Medienriesen außerhalb der USA, darunter CNN International. Mit einem Wort: Er kann das.

Ob Zeiler auch will, steht auf einem anderen Blatt. Im Juli wird er sechzig – gut möglich, dass es ihn zurück in die alte Heimat Wien zieht. Warum aber „nur“ als ORF-General, wenn mehr drin wäre? In einem Interview mit dem "Kurier" sagte Zeiler am Samstag: "Für den Fall, dass – was ich heute überhaupt nicht sehe – die Entscheidungsträger der SPÖ mich fragen sollten, ob ich Verantwortung übernehmen würde, dann wäre ich bereit, dann würde ich nicht Nein sagen. Aber das ist aus heutiger Sicht reine Spekulation, und das steht derzeit überhaupt nicht zur Diskussion."

Das fürchtet Faymann offenbar: Zeiler, einst Pressesprecher der SPÖ-Kanzler Fred Sinowatz und Franz Vranitzky, gilt seit Jahren als gute SPÖ-Alternative zu Faymann. 2011 bekämpfte Faymann daher eine mögliche ORF-Kandidatur Zeilers, damit dieser den Posten nicht als Sprungbrett nutzen und ihm Konkurrenz machen kann. Jetzt wünscht er sich Zeiler auf einmal in den ORF. Wieso das? Zeiler erklärte es damals: „Dächte er (Faymann, Anm.) so, müsste er ja froh sein, wenn ich im ORF festgenagelt bin."

Mit seinem Ruf nach Zeiler bläst der Bundeskanzler gleichzeitig zum Halali auf den amtierenden ORF-Chef, der – falls er sich 2016 wieder bewirbt – mit einer positiven Bilanz aufwarten kann: „Der ORF hat schon schlechtere Zeiten gesehen“, findet ein Stiftungsrat. Eine Lähmung durch einen frühzeitigen Start in den ORF-Wahlkampf schadet dem Unternehmen. Denn die ORF-Wahl wird erst in mehr als einem Jahr stattfinden, eine mögliche Personalrochade an der Spitze wäre erst mit Jahreswechsel 2016/17 wirksam.

„Wir wollen, dass der ORF in den nächsten zwölf Monaten noch etwas erledigt“, sagt ein anderer Stiftungsrat. Was noch zu tun ist? Die Strukturreform im Radio sei abzuschließen, Ö1 muss organisatorisch neu aufgestellt werden und braucht endlich einen Senderchef. Auf der Liste steht auch der Start des Frühstücksfernsehens. Finanzdirektor Richard Grasl verhandelt zudem gerade mit dem ORF-Betriebsrat, um zusätzliche Personalkosten in der kolportieren Höhe von mindestens zwölf Millionen Euro abzuwenden: Nach einem EuGH-Spruch könnten sich altgediente ORF-Mitarbeiter Vordienstzeiten auf das Gehalt anrechnen lassen.

Kommt das Patt im Stiftungsrat? Nicht nur Faymann will in Sachen ORF mitreden. Nach den jüngsten Landtagswahlen könnte auch der dem roten „Freundeskreis“ verbundene steirische Stiftungsrat durch einen bürgerlichen ersetzt werden. Das hätte in dem 35-köpfigen Gremium ein 14-zu-14-Patt zwischen SPÖ-nahen und ÖVP-nahen Räten zur Folge. Das Land muss aber nicht tauschen. In Kärnten ist seit 2013 die SPÖ an der Macht, im Stiftungsrat sitzt jedoch weiterhin der FPÖ-nahe Siggi Neuschitzer. Zwei Länderwahlen stehen vor der ORF-Wahl noch an: Wien und Oberösterreich. Wer also jetzt schon wissen will, wie die ORF-Wahl 2016 ablaufen wird, kann das bloß aus dem Kaffeesud lesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2015)

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