Hinaus aus dem „Tal der Enttäuschungen“

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Geht es nach den derzeitigen Erlösen, müssten Verleger in Print investieren – aber die Zukunft ist digital. Bei ihrer Tagung suchen die Verleger nach Antworten – und finden gute, aber „sauteure“ Ideen.

Eine Kurve wie beim EKG: Wenn Nicolas Clasen bei seinem Vortrag die Entwicklung des Technologiehypes an die Wand projiziert, sieht das wie die Abbildung des emotionalen Zustands eines Manisch-Depressiven aus: 1994 startet die Kurve ganz unten – „Spiegel“ und „New York Times“ gingen online, die Medienbranche schwebte weitgehend im digitalen Dämmerzustand. 2000 ist der Höhepunkt der Hoffnungen erreicht: „Ab morgen alles online!“, notiert Clasens. Heute weiß man, es kam anders. Bis 2014 schlug die Stimmung um, eine Ausbuchtung nach unten zeigt, dass der Glaube an die Selbstheilung der Branche durch Onlinejournalismus einen Tiefpunkt erreicht hat. Erlösmodelle fehlen. „Wir sind jetzt im Tal der Enttäuschung“, sagte Clasen auf der Generalsversammlung des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) in Wien. Hier endet seine Kurve aber nicht – sie steigt wieder an und erreicht ein „Plateau der Produktivität“.

Das ist der Weg in die Zukunft. Und jetzt? „Wenn ich mir die Umsätze pro Nutzer und Jahr ansehe, dann führt der Bauer-Verlag („Neue Post“, „Bravo“), während die Digitalmedien zwar eine große Reichweite haben, aber kaum etwas einbringen. Nach dem müsste man sagen: ,Machen wir Print!‘“ So naiv ist der Unternehmensberater freilich nicht, der 2013 in einem Buch den „digitalen Tsunami“ beschrieb, der zuerst die Medienunternehmen treffen sollte. Er warnte davor, sich nur nach dem zu richten, was im Moment gut funktioniert. Um Erlöse zu erwirtschaften, müsse man Geld für Neues und für Qualität in die Hand nehmen: „Der Gewinn ist eine Risikoprämie.“ Statt noch eine Publikumszeitschrift auf den Markt zu werfen (was die Umsatz-pro-Nutzer-Tabelle suggeriert), sollte man in digitale Modelle einzahlen (auch wenn das „sauteuer“ ist) – und dann dafür Geld verlangen. „Die Nutzer zahlen heute für alles Mögliche: Ich zahle für Dropbox, eine Fitness-App und Netflix.“ Warum also nicht auch für die Zeitung?

Auf die Idee sind die Verleger auch gekommen – nur funktioniert das Geschäftsmodell kaum. Hermann Petz („Tiroler Tageszeitung“) klagt in seinem eben erschienenen Buch „Es lebe die Zeitung! Die Zeitung ist tot?“, dass Portale wie Buzzfeed oder Vice mit billigen Beiträgen maximale Werbewirkung erzielen: „Dann ergibt es keinen Sinn, Qualitätsjournalismus zu betreiben. Also zeige ich lieber Bilder von tollen Katzenbabys. Das mag hübsche Unterhaltung sein, hat aber mit Journalismus nichts zu tun, den diese Portale im Übrigen auch nie versprochen haben.“ Clasen widerspricht: Vice produziere teuren Inhalt, Buzzfeed mache eine „evolutionäre Entwicklung“ in Richtung Qualität durch. Verleger müssten ihre Produkte „so bauen, dass die Leute zahlen: „Der digitale Spiegel muss besser sein als Print.“ Dabei sollte man alle Möglichkeiten miteinander verstricken: das geschriebene Wort mit dem Ton, dem Bild und dem Video. „Wenn man zu einem Interview geht und man nur einen Bleistift dabeihat, verschenkt man alle seine Möglichkeiten.“

Ostermayer beruft Reformkommission

Gemeinsam wollen VÖZ, ORF und die Privatsender sich gegen die Konkurrenz von globalen Riesen wie Google und Facebook auch rechtlich rüsten. Am 1.Juli nimmt eine von Medienminister Josef Ostermayer einberufene Medienreformkommission unter Teilnahme der Medienunternehmen die Arbeit auf. Geplant sind gesetzliche Nachjustierungen bei Urheberrecht, Datenschutz und Steuerbestimmungen, um die Medien, wie VÖZ-Präsident Thomas Kralinger am Donnerstag einmal mehr forderte, vor „unfairen Geschäftspraktiken“ zu schützen. Nur mit dem „verlegerischen Mut“ allein, den Clasen fordert, geht es offenbar nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2015)

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