„Österreich“ gab ORF-Journalisten als eigenen Reporter aus

Das Boulevardblatt tat, als sei einer seiner eigenen Reporter im Flüchtlingslager Traiskirchen gewesen.

Gerade erst hat das Oberlandesgericht Wien die Klage des Gratisblattes „Österreich“ gegen den „Kurier“ abgewiesen. Ein juristischer Kleinkrieg war rund um gefälschte Interviews mit ÖFB-Spielern in „Österreich“ entstanden. „Kurier“-Herausgeber Helmut Brandstätter hatte die Sponsoren des Nationalteams in einem Kommentar aufgefordert, nicht mehr in einer Zeitung zu inserieren, die gefälschte Interviews abdruckt. „Österreich“-Gründer Wolfgang Fellner klagte daraufhin wegen „Boykott-Aufrufs“. Das Gericht wies die Klage nun ab, der Vorwurf der erfundenen Interviews sei „eine zugestandene Tatsache“.

Das Urteil ist freilich nicht rechtskräftig, doch schon passiert dem Gratisblatt der nächste Fauxpas: In der Mittwochausgabe des Blattes wurde in der Unterzeile eines Berichts über das Flüchtlingslager Traiskirchen behauptet, ein „Österreich“-Reporter sei vor Ort gewesen. Im Text ist dann gar nicht mehr die Rede von „Österreich“, sondern korrekt vom ORF-Reporter Bernt Koschuh, der am Dienstag auf Ö1 ausführlich über seine Erlebnisse in Traiskirchen berichtete. Sogar ein Bild zeigt „ORF-Reporter Bernt Koschuh“. Es sieht also so aus, als habe die Schlussproduktion die falsche Unterzeile nachträglich ergänzt. Nur zwei Medien, die ORF-Radioinformation und die APA, hatten die Genehmigung bekommen, das Flüchtlingslager zu besuchen. Koschuh betonte allerdings auf Twitter, dass der Artikel "sehr korrekt" sei, also inhaltlich richtig. Er habe außerdem das Okay gegeben, aus seinem Bericht zu zitieren. Einen falschen Eindruck erweckte eben nur die Unterzeile.

Trocken reagierte der ORF gegenüber dem „Kurier“: Man wolle nur festhalten, dass Bernt Koschuh „für den ORF arbeitet – und nur für ihn“. (awa)

Hinweis. Die Print-Version des Artikels wurde am Freitag, den 26. Juni um das Twitter-Zitat von Bernt Koschuh ergänzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2015)

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