Medienausverkauf in Serbien

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Serbien verkauft staatliche Medien, darunter die Tanjug, zum Spottpreis. Die Behörden aber schikanieren private Investoren.

Lang war man bei Nachrichten aus Südost- und Osteuropa auf die Agentur Tanjug als Informationsquelle angewiesen. Die 1943 gegründete Nachrichtenagentur Neues Jugoslawien (Telegrafska agencija Nova Jugoslavija), die für sich in Anspruch nimmt, als erste über die Invasion in der Schweinebucht in Kuba (1961) oder über den Militärputsch gegen Chiles Präsidenten Salvador Allende (1973) berichtet zu haben, hatte zeitweise bis zu 48 Korrespondenten weltweit. Sie galt als mächtigstes Medium Südosteuropas und als Sprachrohr der Blockfreien Staaten. Nun soll das Medienunternehmen, dessen Archiv allein 3,5 Millionen Fotografien von teils historischen Ereignissen beherbergt, privatisiert werden und steht für den Spottpreis von nur 761.000Euro zum Verkauf. Findet sich kein Käufer, könnten sich die Mitarbeiter beteiligen – wenn auch das nicht funktioniert, soll die Tanjug geschlossen werden, berichten Belgrader Medien unter Berufung auf eine Ausschreibung des Staates.

Neben der Tanjug sind 37 weitere Medien von diesem Ausverkauf öffentlichen Vermögens betroffen. Manche kosten eine Lappalie: Der Radiosender der Stadt Medvedja etwa ist um 2800 Euro zu haben, für 3400 Euro jener der Kreisstadt Valjevo. Auch TV-Sender werden abgestoßen – z. B. jener der zweitgrößten Stadt Niš für nur 75.000 Euro. Als EU-Beitrittskandidat muss Serbien auch auf dem Medienmarkt für Konkurrenz sorgen. Doch die pompöse Privatisierung ändert nur wenig daran, dass der Staat weiter der dominante Player in der Medienszene bleibt. Die großen nationalen Medien sind weiter im Staatsbesitz: das Fernsehen RTS ebenso wie die meinungsbildende Zeitung „Politika“ und das größte Blatt „Novosti“. Einige Boulevardzeitungen wie „Informer“ erscheinen täglich als eine Art Kampfblatt für die Sache der Regierung – mit Angriffen unter der Gürtellinie auf alle ihre Kritiker.

Einfluss über öffentliche Inserate

Und selbst bei den jetzt zum Verkauf stehenden Medien ist nicht sicher, ob sie wirklich dem Staatseinfluss entzogen werden: Staat und Behörden können Einfluss nehmen, weil vor allem für Printmedien öffentliche Anzeigen überlebenswichtig sind. Die Ausschreibungsfrist läuft bis Ende Juli. Sowohl heimische als auch ausländische Investoren können sich beteiligen, heißt es. Doch öffentliche Stellen machen es ausländischen Investoren schwer: Sowohl die RTL Group als auch die Funke-Gruppe (WAZ) zogen sich nach Schikanen der Behörden aus dem serbischen Markt wieder zurück. (APA/i.w.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2015)

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