Nachruf Omar Sharif: Als Arabien noch märchenhaft war

File photo of Egyptian actor Omar Sharif posing for a photograph at a hotel in Aviles
File photo of Egyptian actor Omar Sharif posing for a photograph at a hotel in Aviles(c) REUTERS
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Omar Sharif ist tot. Ältere schwärmen von ihm als Scheich in „Lawrence von Arabien“ und als „Doktor Schiwago“. Jüngere begeisterte „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“.

Moses, Momo, ist ein rebellischer Teenager und Jude. In Monsieur Ibrahims Laden in Paris stiehlt er Dosen. Als sein Vater den Freitod wählt, erteilt der Sufi Ibrahim Moses eine Lektion. Bezaubernd, träumerisch, humanistisch ist das Buch von Eric-Emmanuel Schmitt, das 2003 erschienen ist und heute auf Maturanten-Leselisten steht. In François Dupeyrons Verfilmung spielte Omar Sharif den weisen, gelassenen Kolonialwarenhändler und Lehrer.

Geboren wurde Sharif 1932 in Alexandria, er stammte aus einer libanesischen Familie, der Vater war ein wohlhabender Holzhändler. Sharif studierte Mathematik und Physik in Kairo. 1953 wechselte er vom Christentum zum Islam, um eine bekannte ägyptische Schauspielerin heiraten zu können. Zunächst spielte Sharif in ägyptischen Filmen. Den schlagartigen internationalen Durchbruch bescherte ihm 1962 David Leans Monumentalfilm „Lawrence von Arabien“. Die Szene, in der er minutenlang durch die Wüste der Kamera entgegenreitet, ist unvergesslich. Dabei spielten in der Saga aus dem Ersten Weltkrieg andere Großkaliber der Schauspielerei mit – wie Peter O'Toole, Alec Guinness und Anthony Quinn.

Mit Tatsachen und Historie hat es Hollywood noch nie allzu genau genommen, Märchen, Lehrstücke, Komödien sind bis heute wichtiger, aber die sachliche Präzision ist größer geworden. Auf „Lawrence von Arabien“ folgte 1965 „Doktor Schiwago“, gleichfalls von David Lean. Dieser Film beförderte womöglich noch stärker Sharifs Ruhm, wegen der Liebesgeschichte mit Julie Christie als Lara vor dem Hintergrund der Russischen Revolution. „Doktor Schiwago“ und das viel ältere Epos „Vom Winde verweht“ (1939) mit Clark Gable und Vivien Leigh bilden bis heute die Hauptpfeiler der Begeisterung für Alt-Hollywood, als man noch bei Melodramen weinte statt bei Telenovelas seine Facebook-Nachrichten zu checken.

Bis in späte Jahre ein Frauenschwarm

Sein Nimbus als schöner Mann und Frauenschwarm blieb Sharif über Jahrzehnte erhalten, obwohl keiner seiner vielen Filme an den Knalleffekt anschließen konnte, den er mit seinen ersten beiden Rollen erzielte. Dabei arbeitete er mit bedeutenden Regisseuren wie Anthony Mann („Der Untergang des Römischen Reiches“, 1964). Sharif drehte Filme über Geschichte („Dschingis Khan“, 1965), sogar zweimal war er in Dramen über den Selbstmord des österreichischen Thronfolgers zu sehen („Mayerling“, 1968, „Kronprinz Rudolf“, 2006). Sharif spielte in Filmen über Religion („Petrus – Die wahre Geschichte“, 2005, „Die zehn Gebote“, 2006), in Komödien („Inspektor Clouseau“, „The Pink Panther Strikes Again“, 1976) und in Fantasy-Filmen wie „Scriptum – der letzte Tempelritter“, 2009). Seinen letzten Auftritt hatte Sharif 2013 in dem israelischen Film „Rock the Casbah“ über einen israelischen Soldaten, der zur Zeit der ersten Intifada 1989 zwischen die feindlichen Fronten gerät.

Leidenschaft für Bridge und Pferde

In Sharifs Lebenszeit hat sich die arabische Welt enorm verändert, noch mehr ihre Betrachtung aus westlicher Perspektive. Sharif schien zu bleiben, was er war, ein auch sehr britischer Gentleman. Er war ein beliebter Interviewpartner: „Seit 1972 habe ich nur schlechte Filme gemacht“, erklärte er 2004 dem britischen „Guardian“. Sharifs wahre Leidenschaft galt dem Bridge. Er war auf Platz 50 der Weltrangliste. Mit seinen vielen Filmen finanzierte er seine Bridge-Karriere, kostspieliger dürfte seine Leidenschaft für Pferde gewesen sein. „Ich war nie in meinem Leben unglücklich“, sagte er einmal. Und er erzählte, dass er in Hotels gelebt habe, seit er 31 war, ein früher Repräsentant des heutigen Nomadenlebens. Manche fühlen sich in Hotels wohler als irgendwo anders. Der „Guardian“ fragte auch nach Sharifs einzigem Sohn mit der bekannten ägyptischen Schauspielerin, Tarek: „Mein einziger Sohn?“, fragt Sharif ironisch zurück und sagt dann: „Klar, liebe ich Tarek, ich bin ihm sehr nahe, er ist perfekt.“ 2012 beklagte Sharif, dass Filmangebote seit Längerem auf sich warten ließen: „Ich hoffe, dass ich bald wieder arbeiten kann. Ich bin jetzt bloß noch ein alter Mann, aber ich bin okay.“ Anscheinend teilte er mit Monsieur Ibrahim eine gewisse Gelassenheit. Als Kind war Sharif dick. Seine Mutter, die nicht Englisch sprach, wählte für ihn eine englische Schule mit der Bemerkung: „Dort lernt er die Sprache, und das Essen ist so furchtbar, dass er abnehmen wird.“

„The Eternal Man“ („Der ewige Mann“) heißt Sharifs Biografie, in der er sich als lebenslustiger Male Chauvinist der 1970er-Jahre porträtiert. Bei den Dreharbeiten zu „Lawrence von Arabien“ in der jordanischen Wüste seien die meisten vom Set „48 Stunden lang betrunken gewesen“, „wir jagten Mädchen in Bars und Nachtclubs“. Später behauptete er, er hätte in seinem Leben mit weniger als zehn Frauen geschlafen. Er war wohl mehr ein Lebenskünstler als ein Lebemann. Zuletzt litt Sharif an Demenz. Nach einer Herzattacke starb er mit 83 Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2015)

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