Barocker Prunk für einen Zweifler: Fast ein Staatsakt für Gerd Bacher

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Mit dem Requiem in St. Stephan bot die Kirche all ihre Pracht auf. Auf dem Zentralfriedhof wurde auch an den Kampf um Südtirol erinnert.

Er hätte sich gefreut. Und er hätte die barocke Pracht, die ihm die katholische Kirche zum Abschied bereitete, wohl als durchaus angemessen empfunden. Gerd Bacher war kein Kirchgänger, sondern ein Mann mit großen Zweifeln, aber ebenso großen Verdiensten. So kam das Requiem im Dom zu St. Stephan einem inoffiziellen Staatsakt gleich. Hier, wo das Herz eines ganzen Landes schlägt, verabschiedete sich Österreich von einem großen Zeitgenossen – einem der größten Beweger in diesem selbstzufriedenen Land, einem Ungeduldigen, der aus einem verpolitisierten Staatsrundfunk jene Orgel namens ORF schuf, die er – er ganz allein – souverän bediente.

Alle waren sie in den Dom gekommen, die Intendanten und Landesdirektoren, seine Nachfolger auf dem Küniglberg, die Journalistenkollegen von der schreibenden Zunft (darunter die Doyens Hugo Portisch und Thomas Chorherr), ehemalige und aktive Bundes- und Landespolitiker.

Aber warum der liturgische Prunk für den sprachgewaltigen Agnostiker Gerd Bacher? Diesen Widerspruch aufzuhellen oblag dem Salzburger Domdechant Hans Walter Vavrovsky: „Vor dem Sterben hat jeder Angst – ich nicht“, habe Bacher gesagt. Denn er sei überzeugt: „Nach dem Tode ist alles aus.“ Vavrovsky: „Ein starkes Wort, ein starker Mann, so haben wir ihn gekannt!“ In seinem Ringen um ein Gottesbild hätten stets Zweifel mitgespielt – und trotzdem hänge in seinem Haus am Nonnberg in Salzburg ein Kruzifix. „Wir sollten aus ihm keinen gläubigen Menschen machen“, sagte der Zelebrant in verblüffender Offenheit, „da waren zu viele Fragen.“ Aber er habe erkannt, „dass die Welt des Glaubens ein Land strukturiert. Hierin sah Bacher den Wert des Glaubens.“ Und sei es nicht bemerkenswert, dass dieser Mann vor seiner großen Reise ins Ungewisse die Tröstungen der Kirche angenommen habe?

Sehr viel hätten die Religionsgemeinschaften dem ehemaligen Generalintendanten zu verdanken, sagte der Priester. Und im Blick auf so viele unglückliche Mitmenschen in Not habe Bacher die ORF-Aktion „Licht ins Dunkel“ erfunden. Nur eine seiner vielen Innovationen.
„Requiem aeternam do eis, Domine: / et lux perpetua luceat eis“, sang der Wiener Domchor. „Ewige Ruhe schenke ihnen, Herr: / und andauerndes Licht leuchte ihnen!“ Der Salzburger Prediger drückte es anders, sehr schlicht aus: „Ganz sicher weiß dieser Zweifler jetzt am besten von allen aus unserer Mitte, wie es wirklich ist, dort drüben.“

Am Nachmittag dann der letzte Akt auf dem Wiener Zentralfriedhof. Die liturgische Verabschiedung nahm Dompfarrer Anton Faber vor, eine Abordnung des Südtiroler Schützenbundes hielt die Sargwache. Damit wurde jene turbulente Zeitspanne in den Sechzigerjahren wieder ins Gedächtnis gerufen, als Bacher und der „Presse“-Herausgeber Fritz Molden den Widerstand gegen die Italianisierung Südtirols befeuerten. Die beiden Journalisten standen an der Wiege des BAS, des Befreiungsausschusses für Südtirol, sie stellten die Kontakte zu den österreichischen Politikern Bruno Kreisky und Eduard Wallnöfer her. Und sie waren in der Wahl ihrer Mittel nicht gerade wählerisch. Der Lohn für Jahrzehnte hitziger Auseinandersetzungen, die von Sprengstoffanschlägen und italienischer Geheimdienstaktivität geprägt waren, samt diplomatischen Verwicklungen, ist das heutige Autonomiestatut für Südtirol.

Namens der Republik nahm der Bundespräsident Abschied von Gerd Bacher, der stets alle Orden oder ehrende Titel abgelehnt hatte, für die TV-Welt der enge Freund Jan Mojto, für das Land Salzburg der Landeshauptmann, für den ORF der amtierende Generaldirektor – und für die übergroße Schar der Bewunderer und Freunde André Heller. Das Ehrengrab mit Gerd Bachers Namen zeugt von dem Stellenwert, den dieser Mann in der Republik genossen hat. Er war ein Journalist, kurze Zeit auch Herausgeber der „Presse“. Damit ein Kollege. Ein gefürchteter, ein verehrter, ein geliebter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2015)

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