Ehrenkodex oder Pranger

(c) Michaela Bruckberger
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Der Presserat hat mehr zu tun denn je. Geschäftsführer Alexander Warzilek hofft, bald Onlinemedien wie nzz.at zu kontrollieren.

Kurz vor dem Fünf-Jahres-Jubiläum der Neugründung sieht sich der Österreichische Presserat mit einer Beschwerdeflut konfrontiert. Sogar ein dritter Senat musste eingerichtet werden, der unter der Leitung der ehemaligen OGH-Präsidentin Irmgard Griss u.a. entscheiden wird, ob es mit dem publizistischen Ehrenkodex vereinbar war, das Foto von toten Flüchtlingen in einem Lkw zu veröffentlichen. Noch nie haben sich so viele beim Presserat beschwert wie wegen des „Krone“-Todesfotos. Ein Verfahren wurde eingeleitet, die Zeitung zur Stellungnahme aufgefordert – am 28. Oktober wird entschieden. Was droht? „Es gibt keine Geldstrafen“, sagt Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek, aber negative Öffentlichkeit: „Es schmerzt, wenn man an den Pranger gestellt wird.“


Warum nicht auch TV und Radio? Warzilek hätte die „Krone“ gern an Bord, so wie auch „Österreich“ und „Heute“, die „gute Kunden von uns“ sind. Geprüft und beurteilt werden Beschwerden gegen sie, obwohl sie nicht dem Presserat angehören – nur kann man als Nichtmitglied leichter so tun, als ginge einen das nichts an. Zuletzt wollte jedoch ein Mitglied eine Entscheidung nicht akzeptieren: Nachdem der „Kurier“ wegen mangelnder Kennzeichnung von Werbung gerügt worden war, kritisierte Geschäftsführer Thomas Kralinger den Presserat am Freitag als „wirklichkeitsfremd“. Während sich Zeitungen also manchmal ärgern müssen, entgehen reine Onlinemedien der Kontrolle: „Wir sind nur für Internetableger von Zeitungen und Zeitschriften zuständig“, sagt Warzilek. Das ganze Internet zu kontrollieren würde den Rahmen sprengen. Man überlege aber, professionelle Onlinezeitungen wie nzz.at aufzunehmen. „Langfristig kann man sich auch überlegen, ob man nicht auch Fernsehen und Radio aufnimmt“, für die es kein Selbstkontrollorgan gibt.

Warzilek mag seinen Job. „Man weiß immer, was die Menschen gerade bewegt.“ Derzeit sind es die Flüchtlinge und ihre Darstellung in den Medien. Schmunzeln kann er, wenn sich etwa ein Gourmet beschwert, weil Thunfischesser als „Verbrecher“ bezeichnet wurden. Solches ist freilich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Wie übrigens auch die Abbildung von rauchenden Menschen, die einen Nichtraucher störte. „Für ihn ist der Anruf beim Presserat eine Ersatzhandlung: Eigentlich möchte er, dass die Rauchergesetze verschärft werden. Aber da ist er bei uns an der falschen Adresse.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2015)

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