"'Game of Thrones' bevormundet die Zuseher nicht"

Actor Liam Cunningham arrives for the season premiere of HBO´s ´Game of Thrones´ in San Francisco
Actor Liam Cunningham arrives for the season premiere of HBO´s ´Game of Thrones´ in San Francisco(c) REUTERS (� Robert Galbraith / Reuters)
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Als "Onion Knight" Davos Seaworth ist Liam Cunningham eine der wenigen "guten" und aufrichtigen Figuren in "Game of Thrones". Die Serie ist beim US-Fernsehpreis Emmy am öftesten nominiert.

Mit 24 Nominierungen hat "Game of Thrones" die meisten Chancen auf einen der begehrten US-Fernsehpreise Emmy Awards, die am Sonntag in Los Angeles verliehen werden. Doch die HBO-Serie geht trotzdem nicht als eindeutiger Favorit in die Verleihung. Denn Fantasy-Serien wurden bisher beim Emmy häufig übergangen. Eine der wenigen "guten" und durchwegs aufrichtigen Figuren in "Game of Thrones" ist Davos Seaworth, auch genannt der "Onion Knight". Er ist der treueste Gefolgsmann des selbsternannten Königs Stannis Baratheon, der danach trachtete, das Königreich Westeros vom Norden her zu erobern. Dargestellt wird Davos vom Iren Liam Cunningham. "Die Presse" traf den 54-Jährigen in Berlin.

Haben Sie die Bücher gelesen?

Liam Cunningham: Nein.

Kein einziges?

Nein.

Wollen Sie nicht wissen, was mit ihrer Figur Davos Seaworth passieren wird?

Das wäre ja leicht, da muss man nur auf Wikipedia schauen. Nein, nicht wirklich. Weil wir fast chronologisch drehen, ist es interessant sich überraschen zu lassen. Aber ich will nicht zu sehr überrascht werden! Ich will nicht die nächste Folge lesen und herausfinden, dass ich tot bin. Das würde mich zu sehr aufregen.

Haben Sie beim Blättern im Drehbuch Angst davor, dass ihre Figur auf der nächsten Seite stirbt?

Ich glaube, sie (Serienmacher David Benioff und D.B. Weiss, Anm.) haben für diesen Fall eine Methode entwickelt: Bevor das Drehbuch ankommt, schicken sie eine kurze Mail. So ungefähr "Wir müssen dir was sagen, und es sind keine guten Neuigkeiten, Mann. Du bist tot." So ist das Leben. Man weiß nie, wann es einen trifft. Man kann nur den Schlägen ausweichen.

In "Game of Thrones" spielt Politik eine große Rolle. Sind Sie eine politische Person?

Das sollten wir alle sein. Zumindest politisch genug, um gegen Ungerechtigkeit aufzustehen. Wie lautet das alte Sprichwort: Das Böse triumphiert allein dadurch, dass gute Menschen nichts unternehmen. Aber ich bin kein Mitglied einer politischen Partei.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie Politiker hassen.

Die meisten sind eigennützige Bastarde. Das ist in allen Bereichen so, aber Politiker sollen einen Teil der Gesellschaft vertreten, das ist kein normaler Job. Die Aufgabe eines Politikers ist, nicht in den Krieg zu ziehen – das hat Priorität. Sobald sie das tun, sind sie gescheitert. Das Zweitwichtigste ist, die Leute zu vertreten. Ich habe großes Vertrauen in die menschliche Natur, aber nicht viel Vertrauen in Politiker.

Als Davos folgen sie einem Führer: Dem selbsternannten König Stannis. Wem würden sie persönlich folgen?

Niemandem. Wem sollte ich folgen wollen? Putin? Obama?

Und welcher Figur in "Game of Thrones"?

Wenn diese Welt ein guter Ort wäre, wäre Samwell Tarly Anführer, weil er ein anständiger Kerl ist. Aber er würde es keine fünf Minuten machen, bevor ihn jemand umbringt. Es sieht so aus, als würde Daenerys ihre Sache recht gut machen. Aber es ist zu offensichtlich, dass sie am Ende auf dem Eisernen Thron sitzen wird. Ich glaube nicht, dass sie es wird. Ihre Vermutung ist in dieser Hinsicht so gut wie meine. Um die Frage zu beantworten: Ich habe keine Ahnung. Im echten Leben wüsste ich, wem ich nicht folgen würde: ihnen allen. Ich bin der Meinung, dass jeder, der Interesse an Macht hat und Politiker werden will, automatisch davon ausgeschlossen werden sollte, je einer werden zu können.

Aber wer sollte dann Politiker werden? Menschen, die das nicht wollen?

Sie sollten auf Anstand und Ehrlichkeit getestet werden. Davos wäre ein guter Politiker, vielleicht kein guter Anführer, aber ein guter Ministerpräsident. Er würde dir keine Lügen erzählen. Abgesehen davon sollten Politiker unter genauer Beobachtung stehen. Ein Freund von mir sagt immer: Politiker sind gescheiterte Businessmen.

Was sieht Davos in Stannnis? Wieso folgt er ihm?

Stannis ist für ihn ein Mann, der Wort hält. Er glaubt, Stannis wäre ein großartige Anführer, denn er schwankt nicht. Davis denkt, er ist der richtige Mann für diesen Job (als König von Westerso, Anm.). Abgesehen davon, dass er Menschen verbrennen lässt – aber dazu hat ihn Melisandre gebracht. Als Schauspieler habe ich kein Problem damit, dass Davos Stannis auf dem Thron sehen will. Das ist sein Job, der ist sehr einfach. Er ist unfassbar loyal, anständig und ein guter Kerl.

Sie haben mal gesagt: Kunst soll der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten. Was sagt „Game of Thrones“ über unsere Gesellschaft aus? Wenn Menschen eine Mittelalter-Fantasy-Serie lieben?

Das sind zwei Fragen. Ich glaube, die Leute sehen sich das an, weil sie die Qualität des Storytelling spüren. Die Serie bevormundet ihre Zuseher nicht, sie nimmt die Leute ernst. Nicht alles ist schwarz-weiß, es gibt Grauzonen. Die Figuren sind kompliziert, und die Symphathien für sie ändern sich. Es gibt ganz großartige Frauenfiguren. Hollywood ist so von Männern und Helden bestimmt, aber die Hälfte unseres Casts sind gefährliche Frauen, doppelzüngig und richtige Charaktere. Das macht die Serie für mich anziehend. Gleichzeitig gibt es großes Drama in der politischen Dimension: Das Streben nach Macht, die Paranoia, Rache und das Erbe – all diesen Dinge sind clever. Das ist vor dem Hintergrund dieser wahnsinnige Welt mit Drachen und Schattenbabys einzigartig.

Würden Sie es sich ansehen?

Sicher. So entscheide ich auch, ob ich eine Rolle spiele oder nicht, wenn ich ein Script bekomme: Würde ich es mir ansehen?

Welche ist Ihre Lieblingsserie?

Ich mochte, was Ken Loach für die BBC gemacht hat, "Play for Today", aber da war ich jünger. Ich bin da ganz schlecht. Ich habe erst die zweite Staffel von "Breaking Bad" fertig gesehen. Ich schäme mich. Ich kippe da immer rein – und dann muss ich irgendwohin, um zu arbeiten. Ich will Zeit haben und will nicht zu sehr hineinkippen, weil es mich davon ablenkt, was ich mache. Ich bin da wie jeder: Ich habe viele Dinge gestapelt.

In "Game of Thrones" gibt es so viele Figuren. Wen würden Sie Davos gerne treffen lassen?

Tyrion. Ich hätte gerne ein paar Szenen mit ihm, weil er ein paar der besten Zeilen hat. Diese cleveren Sager. Ich finde, Lena (Headey, die Königin Cersei spielt, Anm.) ist eine fantastische Schauspielerin, mit ihr würde ich gerne spielen. Und sie ist im Moment so bitter, das finde ich sexy, muss ich zugeben. Es gibt niemanden, mit dem ich nicht gerne arbeiten würde.

Es hat Jahre gedauert, bis sie berühmt wurden. Mit „Game of Thrones“ kennt man sie nun in aller Welt.

Das ist nichts, was ich je angestrebt habe. Ich würde lieber meine Arbeit machen und dann verschwinden. Fernsehen ist da noch schlimmer als Kino, weil es viel mehr Leute sehen. Ich habe schon ein paar Sachen in England gemacht, etwa die Serie "Cracker", die haben allein in England 18 Millionen Menschen gesehen. Das war meine erste Berührung mit Ruhm. Menschen haben mich angestarrt. Aber das Gedächtnis der Leute ist erstaunlich kurz und das ist großartig! Wenn ich den Bart abrasiert habe und Brillen aufhabe, erkennt mich niemand.

Wenn Davos stirbt, stirbt ihr Ruhm also auch?

Der Bart stirbt. Es hat auch etwas Gutes, es ist eine Bestätigung dafür, wie gut die Serie ist. Die meisten Leute sind dankbar und glücklich über diese seltsame Erfahrung, die „Game of Thrones" ist, weil es keinen Star der Show gibt – die Serie ist der Star. Die Leute merken das, dass es ausgefallen ist, sexy, gewalttätig und schockierend. Man weiß nie , was passiert. Es ist eine Reise – und wir alle wollen wissen, wie sie ausgeht.

Eine Person weiß das.

Drei Leute wissen das. (neben Autor George R.R. Martin die Showrunner Benioff und Weiss, Anm.)

Haben Sie je bereut, dass Sie Schauspieler geworden und nicht Elektriker geblieben sind?

Wenn man zurückschaut, denkt man sich: Oh Mann, du warst echt naiv. Selbst wenn es gutgegangen ist. Man muss echt Glück haben. Ich wollte nicht Schauspieler werden – das will ich auch heute nicht sein – sondern ich schauspielere einfach wahnsinnig gerne. Ich will kein Filmstar sein. Das sind nicht Schauspieler, das sind Businessleute. Ich wollte nie ein Riesenbudget haben, das auf meinen Schultern lastet. Ich will ein gutes Drehbuch und mit interessanten Leuten zusammenarbeiten. Und gute Geschichten. Es gibt in "Game of Thrones" keine Filmstars, nur Schauspieler. Und die Leute mögen das. Es gibt darin Schauspieler, die ich noch nie zuvor gesehen habe.

„Game of Thrones“ hat eine starke Fanbasis. Hatten Sie schon seltsame Begegnungen mit Fans?

Die seltsamste Begegnung und auf eine Art lustig – also nicht damals in der Situation – hatte ich in Brasilien mit der „Game of Thrones“-Ausstellung. Die hatten 50 der aktivsten Fans zu einer Privatführung eingeladen. 25 davon haben sie in einen Bus gesetzt und sie zu unserem Hotel gebracht, aber ihnen nichts verraten. Alfie Allen (der Theon oder Reek spielt, Anm.) und ich warteten auf dem Dach des Hotels in einer Ecke und die hatten einen richtigen Schock, als sie Alfie und mich gesehen haben. Sie waren sprachlos. Sie waren überwältigt. Das war seltsam. Wir haben ein paar Autogramme gegeben. Ich habe mich umgesehen und zwei oder drei der Mädchen haben echt geweint. Und ein Mädchen kam zu uns, sie wollte in Foto machen und stand vor mir und ich sagte: „Wie geht’s?" Da ist sie ist ohnmächtig geworden und ich musste über den Tisch hechten, aber ein Fotograf war zum Glück zur Stelle und hat sie aufgefangen. Ich dachte mir: So muss das also sein, wenn man in einer Boyband ist.

Als Davos haben Sie ein besonderes Verhältnis zu Stannis' Tochter.

Die wunderbare Shireen!

Im echten Leben haben Sie vier Kinder. Wie würden Sie sich als Vater beschreiben?

Ich benutze den Stock nicht oft genug! Nein, ich scherze nur. Ich versuche, sie nicht zu schlagen. Ich habe ihnen viel zu viel Freiheit gegeben. Sie geben freche Antworten, sie widersprechen. Manchmal gehe ich ins Wohnzimmer und sage: "Es ist nicht genug Angst in diesem Haus!" Und sie sagen: "Halt die Klappe, wir wollen fernsehen!" Ich gehe dann einfach. Aber man kann sich nicht selbst als Vater bewerten – sie müssen die Kinder fragen. Sie sind alle glücklich und lächeln viel. Und ich bin gern in ihrer Gesellschaft.

Leben Sie immer noch alle zusammen?

Ja, wir sind sogar zu sechst. Der Freund meiner Tochter lebt praktisch bei uns.

Was ist das Geheimnis ihrer Ehe?

Den Mund zu halten.

Das gilt also für die Erziehung und für die Ehe.

Ja. Unterhalt dich bloß nicht mit irgendjemandem aus deiner Familie! Sie müssen dazuschreiben „sagte er ironisch“. Im Ernst: Werde nicht zu egoistisch. Aber ich habe keine Ahnung.

Wenn Sie in der Zeit zurückreisen könnten und eine Sache ändern könnten, was wäre das? Egal, ob in ihrem Leben oder in dem eines anderen.

Wenn man so etwas tun könnte, müsste man das zum Wohle der gesamten Menschheit machen, nicht?

Seien Sie egoistisch!

Ich würde meine entsetzliche Abneigung gegen Koriander ändern. Ich hasse Koriander! Wenn es irgendwo drin ist, ist das Essen für mich ruiniert. Ich hasse es! Ich will nicht nach Mexiko reisen, weil ich keinen Koriander mag. Oder Indien. Ich war noch nie da – so sehr hasse ich Koriander. Es blockiert meine Reisepläne. Wenn Sie gegangen sind, fällt mir sicher noch etwas total Wichtiges ein, aber wie lautet das alte Sprichwort? Man muss erkennen, welche die Dinge sind, die man ändern kann, und welche Dinge man nicht ändern kann und akzeptieren, was man nicht ändern kann. Es hat keinen Sinn, die zu bekämpfen.

Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde von Sky vermittelt.

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