YouTube als Fulltime-Job

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Als Kreativdirektor von Studio 71 hilft Fabian Siegismund Kreativen, sich auf YouTube zu vermarkten. Demnächst startet die Plattform auch in Wien.

Wenn am Podium auf den Medientagen von „geilem Scheiß“ die Rede ist, dann hat Fabian Siegismund das Wort. Es ist seine Umschreibung dafür, dass es cool ist, wenn man mit etwas, das einem Spaß macht, auch Geld verdienen kann. Manche YouTuber tun das – auch wenn es schwer ist, aus der Masse hervorzutreten. „400 Stunden Videomaterial werden pro Minute auf YouTube hochgeladen“, sagt Siegismund. Wie viele Menschen in Deutschland von YouTube leben, sei schwer zu sagen. Allein das von Pro 7/Sat 1 betriebene Multi-Channel-Network Studio 71 hat aber in Deutschland etwa achtzig Kreative unter Vertrag. Der als Battlefield-Spieler bekannt gewordene Siegismund ist dort Creative Director und persifliert die Branche in seinem Channel „Das Netzwerk“.

Bootcamp für den Nachwuchs. Studio 71 sucht gezielt nach Talenten, stellt YouTubern eine Plattform zur Verfügung und hilft bei der Vermarktung. Das rechnet sich für beide Seiten. Noch im Herbst eröffnet das zur Pro 7/Sat 1-Gruppe gehörende Puls 4 das Studio 71 Vienna für YouTuber aus Österreich, Zentral- und Osteuropa. Am 17. Oktober findet das erste Bootcamp in Wien statt, für das man sich bis 30. September bewerben kann (studio71.com/bootcamp). Illusionen wären aber fehl am Platz. Wer als YouTuber Erfolg haben will, muss regelmäßig publizieren. Ein Fulltime-Job, sagt etwa Le Floid in einem seiner Videos: „Man muss sieben Tage die Woche 24 Stunden am Tag YouTuber sein.“

Ist man da schnell ausgebrannt? „Nicht unbedingt. Gronkh zum Beispiel macht das seit Anbeginn der Zeit und hat noch immer Spaß“, sagt Siegismund über den Kollegen mit den über 3,8 Millionen Abonnenten. Er ist auch wirtschaftlich erfolgreich. Denn bezahlt wird von Werbekunden nach Klicks. Bei den Abonnenten beliebt sind Gaming, Beauty, Unterhaltung. Triviales. Siegismund glaubt aber nicht, dass es nur um Eskapismus geht. „Das hat Informationscharakter: Wenn ich vierzehn bin und mir nicht alle Spiele leisten kann, schaue ich mir Let's Plays an und kann auf dem Schulhof so tun, als hätte ich selbst gespielt.“ Wer daheim beim Spiel nicht weiterkommt, könne auf YouTube schauen, wie es geht. Doch da ist noch mehr. YouTuber seien für ihre Abonnenten „jemand, bei dem man zehn Minuten am Tag kurz vorbeischaut, was er macht – wie bei einem Freund“.

Zu Siegismunds Aufgaben gehört es auch, die YouTuber von Studio 71 zu vermarkten. „Ich sage den Werbern immer: Versteht euch nicht als Darreicher eines Produkts, das jemand in die Kamera hält. Man findet schwerlich einen YouTuber, der das geil findet. Sondern versteht euch als Ermöglicher von guten Videos.“ Mit finanzieller Unterstützung können YouTuber Ideen verwirklichen, für die sonst das Geld fehlt. Inhaltliche Einflussnahme ist aber verpönt. YouTuber achten auf ihren Ruf, Authentizität ist ihr größtes Kapital.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2015)

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