Hasspostings im Visier: Beiträge verschwinden

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Facebook(c) APA/dpa/Friso Gentsch (Friso Gentsch)
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Der „Bild“-Pranger setzt die Hetzer unter Druck, und die Justiz Facebook: wegen Beihilfe zur Volksverhetzung.

„Nackte Brüste sind auf Facebook unerlaubt, Hasspostings dagegen scheinen keinen Grund zur Entfernung zu liefern“, hieß es auf der österreichischen Website haters.at schon im Sommer. Sie war eine Reaktion auf das Nichtreagieren von Facebook: Haters.at veröffentlicht hetzerisch erscheinende Internet-Postings mit dem Namen des Posters, beim Auffinden lädt die Seite zur Mithilfe ein. Der „Pranger der Schande“, den die „Bild“-Zeitung am Dienstag abgedruckt hat, ist also grundsätzlich nichts Neues. Neu ist die Dimension an Öffentlichkeit, die schon zu ersten medienrechtlichen Beschwerden geführt hat, neu ist auch die Wirkung: Seitdem das Magazin fürchterliche Hasspostings samt Klarnamen und Fotos der jeweiligen Poster mit der Aufforderung „Staatsanwalt, übernehmen Sie!“ auf einer Doppelseite veröffentlicht hat, geht die Angst um. Abgebildete Beiträge wurden gelöscht, Fotos durch harmlose Bildchen ersetzt.

Was sind „Gemeinschaftsstandards“?

Offenbar von den Verfassern selbst, nicht von Facebook. Aber auch die Firma könnte ihr bisheriges Nichteingreifen bei hetzerischen Postings etwa gegen Flüchtlinge und Migranten allmählich überdenken. Auf Beschwerden reagierte Facebook bisher fast stets mit der Standardmail „Verstößt nicht gegen die Gemeinschaftsstandards“, doch diese Haltung wird öffentlich und politisch immer heftiger kritisiert. Derzeit ermittelt etwa die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen drei deutsche Facebook-Manager wegen Beihilfe zur Volksverhetzung. Ein Würzburger Anwalt hatte geklagt, weil Hassbotschaften von Facebook nicht konsequent gelöscht werden. Für diese Zensur ist eigentlich die Europa-Zentrale in Irland zuständig, Facebook verkauft in Hamburg nur Anzeigen. Der Anwalt argumentiert aber, die deutsche Facebook-Dependance fördere durch den Werbeverkauf die Verbreitung volksverhetzender, strafbarer Inhalte.

Einer, der auch durch den Beifall in sozialen Netzwerken für seine schockierenden Schimpftiraden gegen Migranten, Homosexuelle oder Frauen groß wurde, ist der deutsch-türkische Krimi-Autor Akif Pirinçci und Autor von Büchern wie „Deutschland von Sinnen“ und „Die große Verschwulung“. Seine Rede am Montag zur Ein-Jahr-Feier der Pegida in Dresden war selbst Pegida-Anhängern zu viel: Pirinçci sprach von einer „Moslemmüllhalde“ und bedauerte, dass „die KZ leider derzeit außer Betrieb“ seien. Pegida-Vorsitzender Lutz Bachmann entschuldigte sich, der Verlag Random House stoppt die Auslieferung von Pirinçcis Büchern. (sim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2015)

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