Doku: „Facebook weiß mehr über dich als du selbst“

LUXEMBOURG JUSTICE MAX SCHREMS
LUXEMBOURG JUSTICE MAX SCHREMS(c) APA/EPA/JULIEN WARNAND
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„Facebookistan“ zeigt die beunruhigenden Tendenzen des Netzwerks. Eine tragende Rolle hat Jurist Max Schrems.

Man möchte aussteigen nach so einem Film wie „Facebookistan“. Die Freunde löschen, das Profil abmelden. Nicht, weil die Dokumentation des dänischen Regisseurs Jakob Gottschau, die kürzlich beim Filmfestival Cph:Dox in Kopenhagen Premiere gefeiert hat, so brilliant ist. Nein, die seltsamen Geschichten, die über die Macht des sozialen Netzwerks erzählt werden, sprechen für sich. Gottschau hat einige Facebook-Gegner aufgespürt – und auch ein Österreicher spielt eine wichtige Rolle.

In der ersten Szene sieht man eine Stadtansicht von Wien und kurz darauf den österreichischen Juristen Max Schrems. Er hat mehrere Datenschutzklagen gegen Facebook eingebracht und erst im Oktober vor dem Europäischen Gerichtshof recht bekommen. Das Gericht hat die Rechtmäßigkeit der Übermittlung von europäischen Facebook-Daten in die USA für ungültig erklärt. Der Film geht darauf nur mehr im Abspann ein, er hat Schrems die Wochen und Monate davor begleitet, lässt den redegewandten Österreicher in perfektem Englisch von seinem aufwendigen Kampf erzählen. Er warnt, wie viele Informationen das Netzwerk von uns speichert: „Facebook weiß mehr über dich als du selbst.“

Ein dänischer Autor berichtet, wie die historischen Nacktfotos aus seinem Buch über Dänemarks Hippies gesperrt wurden. Eine Gruppe von Dragqueens aus San Francisco empört sich, dass Facebook ungefragt ihre Künstlernamen in ihre bürgerlichen Namen umgewandelt hat. Doch in diesem einen Fall machte das Netzwerk nach massivem öffentlichem Protest einen Rückzieher und entschuldigte sich bei den Betroffenen. Zu den stärksten Szenen des Films zählen jene, in denen der Filmemacher versucht, einen Termin bei Facebook zu bekommen und an den Toren der Büros im Silicon Valley und in Indien scheitert. Eine Erfahrung, die auch Max Schrems gemacht hat. Er weiß, warum Facebook-Gründer Marc Zuckerberg und sein Team so öffentlichkeitsscheu sind: „Sie wissen, wie viel Macht Informationen haben. Das ist der Grund, warum sie unsere Informationen haben wollen – und alle Informationen über sich selbst zurückhalten.“ In aller Welt sitzen Facebook-Moderatoren und scannen Posts und Fotos der User. Eine ehemalige Moderatorin erzählt vom Stundenlohn von bis zu einem Dollar und 4000 Posts pro Stunde. „Das sind 0,9 Sekunden pro Bild.“

Ein kurzer, beunruhigender Film über das Netzwerk und sein System, das Internetexpertin Rebecca MacKinnon scherzhaft „Facebookistan“ nennt – und Marc Zuckerberg „den Sultan von Facebook“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2015)

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