Presserat: Foto des toten Aylan "angemessen", "Krone" verurteilt

Der Leichnam des ertrunkenen syrischen Flüchtlingsbuben war am Cover des "Profil", sowie auf "kurier.at" und in "Österreich" zu sehen. Die "Krone" zeigte tote Flüchtlinge in einem Lkw.

Anfang September sorgte die Veröffentlichung der Fotos, die den Leichnam des ertrunkenen syrischen Flüchtlingsbuben Aylan zeigen, für Aufregung. Nun beurteilte der österreichische Presserat die Publikation der Bilder als "angemessen". Das Verfahren gegen "Profil", "kurier.at" und die Tageszeitung "Österreich" wurde eingestellt.

Obwohl der Persönlichkeitsschutz bei Kindern besonders weit reiche und der Moment des Todes grundsätzlich zur Privatsphäre zähle, sprechen laut Entscheidung des Presserats in diesem Fall "gewichtige Gründe für die Zulässigkeit der Veröffentlichung der Bilder", argumentiert der Presserat.

"Zeithistorische Bedeutung"

Denn nicht nur sei das Thema Flüchtlinge in den vergangenen Monaten das wichtigste in der Medienberichterstattung gewesen, die Fotos des ertrunkenen Buben brächten auch "die Dimension des Leids und die Gefahren, die die Flüchtlinge während ihrer Schiffreise im Mittelmeer erwarten, auf den Punkt", urteilte das Gremium.

Zudem "stehen die weltweit verbreiteten Bilder stellvertretend für die zahlreichen ertrunkenen Flüchtlinge und könnten zeithistorische Bedeutung erlangen", heißt es in der Entscheidung weiter. Die Veröffentlichung habe außerdem zur Sensibilisierung der Allgemeinheit beigetragen und die österreichische wie europäische Öffentlichkeit "wachgerüttelt". Der Vater von Aylan habe sich ebenfalls mehrfach für eine Verbreitung der Fotos ausgesprochen. Keines der Bilder sei "sensationell oder voyeuristisch" aufbereitet worden.

Gesicht nicht erkennbar

Sowohl "kurier.at" als auch "Österreich" veröffentlichten jenes Foto, auf dem ein türkischer Gendarm zu sehen ist, der den toten Buben davonträgt. In jenem Ausschnitt, den "kurier.at" wählte, sind nur die Beine des Flüchtlings zu erkennen, "Österreich" bildete Beine, Oberkörper und Arme des toten Kindes ab. Das Wochenmagazin "Profil" entschied hingegen, jenes Foto, das die Leiche des Buben am Strand von Bodrum zeigt, am Cover zu publizieren. Aylan ist von hinten zu sehen, das Gesicht des Kindes nicht erkennbar.

Die Darstellung des toten Kindes beurteilte der Presserat als "nicht entstellend" - vor allem jenes Foto, das "kurier.at" und "Österreich" ausgewählt hatten. Aber auch das "Profil"-Cover sei zwar bedrückend aber ebenfalls nicht entstellend. Im Fall des Magazins sei vor allem der Kontext der Veröffentlichung zu beachten, der Begleittext als auch der Artikel würden auf die Gefahren für Flüchtlinge hinweisen und Lösungsvorschläge präsentieren. "Ganz im Sinn der Hauptgeschichte soll das Bild betroffen machen, aufrütteln und Bewusstsein schaffen", so der Presserat.

Veröffentlichung der Fotos "angemessen"

Aufgrund dieser Umstände sowie der großen Aktualität des Flüchtlingsthemas sei die Veröffentlichung der Fotos "angemessen". Das öffentliche Interesse überwiege gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Buben, heißt es in der Entscheidung. Das Verfahren, das der Presserat aufgrund der Mitteilung mehrerer Leser aufgenommen hatte, wird demnach eingestellt.

"Krone" verurteilt

Der Presserat hat die Veröffentlichung eines Fotos, das mehrere tote Flüchtlinge in einem Lkw zeigt, in der "Kronen Zeitung" verurteilt. Die Darstellung der zusammengesackten und ineinander verhakten Leichen sei "entstellend" und eine "Missachtung der Menschenwürde der Verstorbenen", so der Presserat.

Dem Senat sei bewusst, dass das Foto die Betrachter aufrütteln könne und die Themen Flüchtlinge und Schlepperwesen von besonderem öffentlichem Interesse seien. "Im vorliegenden Fall rücken diese Aspekte gegenüber den postmortalen Persönlichkeitsinteressen der Abgebildeten jedoch in den Hintergrund", so die Begründung der Entscheidung. Das Foto, das Ende August in der "Kronen Zeitung" veröffentlicht wurde, verstoße demnach gegen die im Ehrenkodex der österreichischen Presse festgehaltene "Wahrung der Würde der Person und Persönlichkeitsschutz".

180 Mitteilungen an den Presserat

Der Bildtext konzentriere sich vor allem auf die Schlepperkriminalität, das Leid der Verstorbenen werde hingegen nicht thematisiert. Im Artikel selbst werde zwar von der "Dramatik des Todeskampfes", nicht jedoch von den Gefahren, denen Flüchtlinge auf ihrer Reise ausgesetzt sind, berichtet. Zudem kritisierte der Presserat, dass das Bild "offenbar von der Polizei illegal an die 'Kronen Zeitung' übermittelt wurde".

Die Veröffentlichung des Fotos brachte eine Rekordzahl an Mitteilungen von Lesern. Insgesamt 180 Menschen wiesen den Presserat auf das Bild hin, der danach ein Verfahren einleitete. Die Medieninhaberin wird aufgefordert, die Entscheidung freiwillig auf Krone.at zu veröffentlichen oder bekannt zu geben.

(APA)

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