Sag's mit einem GIF: Die Flut der Mini-Videos

Das tanzende Baby aus „Ally McBeal“
Das tanzende Baby aus „Ally McBeal“ (c) Internet
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Das Dateiformat GIF ist bald 30 Jahre alt und erlebt gerade (wieder) eine Renaissance als Online-Kuriosität in Schleife. Auf Facebook kann man damit kommunizieren, das GIF wird zur neuen digitalen Ausdrucksform.

Passenderweise beginnt die Evolution der kurzen Bewegtvideos mit einem Baby. Das nur mit Windel bekleidete Wesen, das sich wild tanzend zu dumpfen „Ooga chaka“-Tönen im Kreis drehte, war eines der ersten animierten Bilder im Internet und wurde durch die TV-Anwaltsserie „Ally McBeal“ sehr bekannt und beliebt. Das dafür verwendete Dateiformat GIF, also „Graphics Interchange Format“, war da schon über zehn Jahre alt. Der Programmierer Steve Wilhite hatte es 1987 entwickelt und damit das bisher gängige RLE-Format ersetzt. Mit GIFs konnte man nun auch farbige und sehr viel größere Bilder darstellen. Mit der Nutzung des Internets ab Mitte der 1990er-Jahre wurde das Format dazu verwendet, mehrere Bilder aneinanderzureihen, um Animationen in Endlosschleife zu kreieren.

Das originale Ooga-Chaka-Baby aus dem Jahr 1998.
Das originale Ooga-Chaka-Baby aus dem Jahr 1998.Imgur.com
Und das Ooga-Chaka-Baby und sein Auftritt bei
Und das Ooga-Chaka-Baby und sein Auftritt bei "Ally McBeal"Giphy.com

Das animierte GIF wurde zwar bald vom noch praktischeren Dateiformat JPEG ersetzt, verschwand aber seither nicht mehr. Im Gegenteil, es verbreitet sich seit einigen Jahren dank sozialer Netzwerke und Blogaggregatoren wie Tumblr und Reddit rasant. Seit Kurzem gelten GIFs gar als dritte digitale Sprache neben der Schriftform und den kleinen bunten Zeichen namens Emojis. Seit Facebook in diesem Frühjahr auch GIFs als Ausdrucksmittel in seinem Chatprogramm anbietet, erleben die „tiny moving messages“, wie die „New York Times“ sie nennt, eine Renaissance. Auf Tumblr werden täglich 23 Millionen GIFs geteilt, auf Facebook sind es fünf Millionen. Auf Webseiten wie Giphy.com, Imgur oder Kanvas kann man aus einem unüberschaubaren Fundus an GIFs zu bestimmten Stimmungen und Gefühlen wie „hungrig“, „gelangweilt“ oder „frustriert“ und aus Themenbereichen wie Sport, Musik, Film wählen und sie an Freunde verschicken oder in sozialen Netzwerken teilen.

Kopfschütteln und ein tanzender Putin

Der tanzende Putin ist eines der beliebtesten GIFs im Netz.
Der tanzende Putin ist eines der beliebtesten GIFs im Netz.Imgur.com

Mit GIFs drückt man in erster Linie Stimmungen aus oder stellt Erlebnisse nach. Zu den derzeit beliebtesten Mini-Videos zählt etwa ein tanzender Mann im schwarzen Anzug, dem Wladimir Putins Kopf aufgesetzt wurde (der entfernt an das Baby der Neunzigerjahre erinnert); der Komödiant Mr. Bean im offenen Cabrio, der seinem Umfeld stolz den Mittelfinger entgegenstreckt, oder ein kleines Mädchen, das in einem Supermarkt unfassbar herzig am Hula-Hoop-Reifen-Drehen scheitert.

Das Mädchen wurde als Hula Hoop Hailey auf YouTube berühmt.
Das Mädchen wurde als Hula Hoop Hailey auf YouTube berühmt. YouTube

Wer sich also völlig verwirrt und desorientiert fühlt und dies seine digitale Umwelt wissen lassen möchte, postet auf seiner Facebook-Seite das Hula-Hoop-Mädchen und schreibt dazu nur mehr: „Heute fühle ich mich eher so.“ Wer genervt ist, verschickt eine Film- oder Musikvideoszene, in der jemand spektakulär die Augen rollt; wer sich freut, postet das klatschende Schneewittchen aus dem Disney-Film oder einen Ausschnitt aus einer Serie. Für gleichermaßen Befremden wie Begeisterung sorgte im Frühjahr ein Google-Manager, als er auf die Presseanfrage eines Journalisten die Antwort in Form eines GIFs gab, das ein blondzopfiges Mädchen in rosa Weste beim Kopfschütteln zeigte.

Mit diesem GIF antwortete ein Google-Manager auf eine Presseanfrage eines Journalisten.
Mit diesem GIF antwortete ein Google-Manager auf eine Presseanfrage eines Journalisten.Giphy.com

Der Journalist dachte zuerst, es handle sich dabei um einen Scherz, doch der Google-Verantwortliche erklärte, das GIF sei „unser offizieller Kommentar“ auf die Anfrage gewesen, er könne es ruhig in seine Geschichte einbauen. Google reagierte später auch auf eine Anfrage des Technologiemagazins „Wired“ mit einem GIF. Das Bewegtbild findet zumindest beim Suchmaschinenriesen Eingang in die offizielle Geschäftssprache.

Mr. Bean zeigt, was er vom Rest der Welt hält.
Mr. Bean zeigt, was er vom Rest der Welt hält. Giphy.com

Hinter den lustigen Bildchen von Katzen, Bären, Kindern oder kurzen Filmausschnitten, die man freilich auch aus selbst gemachten Videos oder Fotos basteln kann (siehe Profil), steckt auch ein lukrativer neuer Geschäftszweig. Das Start-up Giphy.com hat mit seinem GIF-Archiv laut eigenen Angaben bereits 23 Millionen Dollar eingenommen. Der GIF-Tastaturproduzent Riffsy erklärte im Sommer, man habe bereits zehn Millionen Dollar mit dem neuen Geschäftszweig eingenommen. Mittlerweile kooperiert man mit Filmstudios wie 20th Century Fox und bekommt exklusives Videomaterial bei neuen Filmen wie „Taken 3“ mit Liam Neeson, um daraus handliche Kurzvideos zu basteln. Viele digitale Medien und vor allem Unterhaltungs- oder Spaßseiten wie Buzzfeed oder Bustle, aber auch österreichische Internetseiten von diversen Magazinen erzählen mittlerweile gern Geschichten anhand von GIFs. Die Facebook-Gruppe „GIF Porn“ hat 45.000 Fans. Und auch Unternehmen wie Disney haben die Wirkung der Bilder erkannt und nutzen sie zur Selbstvermarktung: Diese Woche geisterten ihre „Elf Disney-GIFs, die Thanksgiving zusammenfassen“ durch das Netz.

Letztlich sind die animierten GIFs das Nebenprodukt der rasant steigenden Videoflut im Web. Und sie stoßen natürlich auch auf Kritik. Manche Nutzer stöhnen, dass die Mini-Videos das Netz vergiften. Linguisten und Pädagogen warnen davor, dass sich die Jugend irgendwann gar nicht mehr mit Worten, sondern nur mehr mit vorgefertigten Bildern ausdrücken kann. Allerdings muss man zur Verteidigung der für Online-Kuriositäten empfänglichen Mediennutzer sagen, dass man mit animierten GIFs teils viel exakter und subtiler Gefühle und Stimmungen ausdrücken kann als mit bunten Smileys. Wer GIFs gut einsetzen will, braucht Gespür.

SO ERSTELLT MAN SELBST EIN ANIMIERTES GIF:

Es gibt zahlreiche Webseiten, die Anleitungen zum Erstellen von animierten GIFs liefern. Dabei gibt es zwei Methoden.

1. GIF mit einem Onlinedienst erstellen: Auf Seiten wie makeagif.com oder imgflip.com/gifgenerator kann man eigene Videos, Fotos oder YouTube-Clips hochladen, Anfangs- und Endzeit für das animierte GIF definieren und den fertigen Clip speichern und verschicken.

2. GIF selbst erstellen: Wer die Animationen anpassen und mit Effekten wie Untertiteln und Musik versehen möchte, muss das manuell mit Adobe Photoshop oder einem anderen Programm machen. Über die Importfunktion (Datei -> Importieren -> Video Frames in Ebenen) kann Photoshop aus einem Video eine GIF-Animation erstellen, die danach bearbeitet werden muss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2015)

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