Bolz: „Schwarzeneggers Initiative ist sehr intelligent“

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Deutscher Medienwissenschaftler Bolz im Gespräch mit der "Presse" über Schulbücher, File-Sharing und den „Google-Terror“.

Die Presse: Die Medienlandschaft ist – durch Digitalisierung, veränderte Mediennutzung, Wirtschaftskrise – im Umbruch. Ihr Finanzierungsmodell wankt. Wie kann Qualitätsjournalismus künftig finanziert werden?

Norbert Bolz: Ich kann mir das so vorstellen: Ein Stifter oder Medienkonzern hält sich eine traditionelle Zeitung als Trophäe, als Prestigeprojekt. Wenn sich etwa der Springer-Verlag („Bild“) in ein integrales Medienhaus verwandelt, wäre es realistisch und sinnvoll, die „Welt“ als Ausweis von Qualitätsjournalismus zu betreiben. Zeitungen öffentlich-rechtlich zu organisieren macht mir ehrlich gesagt Angst. Wenn der Staat oder eine Partei Journalismus finanziert, ist das erschreckend. Die Zeitung wird über Mischfinanzierung weiterleben. Jedenfalls geht sie nicht unter.

Welche Bedeutung hat heute das Buch?

Bolz: Ich sehe für das Buch keine Probleme – abgesehen von Lexika und Schulbüchern, die man digital effizienter, eleganter nutzen kann. Schwarzeneggers Initiative (E-Books statt Schulbüchern, Anm.) halte ich für sehr intelligent. Auf der anderen Seite ist es lächerlich, sich vorzustellen, dass Leute ihren Krimi als E-Book lesen. Oder Klassiker! Trotz Kindle (E-Book, Anm.). Viel zu unbequem!

Verlieren Schulkinder ohne Bücher nicht völlig den Zugang zu diesem Medium?

Bolz: Dass Kinder sich über die Schule an Bücher gewöhnen, ist unmöglich. Sie werden über Eltern, über die Kultur an Bücher herangeführt – ein Jammer, dass die beinahe bücherlos ist. Aber: Wenn „Faust“ gelesen wird... Nur über die Lust am Text kann man Kinder dazu verführen, mit attraktiven, lesefreundlichen Büchern. Und die Paperbacks sind unsterblich wegen ihrer Bequemlichkeit.

Zur Datenpiraterie: Soll allen gehören, was online steht? Darf File-Sharing sein?

Bolz: Wenn Laien lizenzierte Inhalte kopieren, ist das unbedenklich – solange sie sie privat nutzen. Eine Schweinerei ist, wenn Profis von Profis klauen. Der Gedanke des Copyrights ist schon richtig: Man soll nicht Geld mit Dingen machen, die andere produzieren.

Der Wirbel um den „User Generated Content“ hat sich mittlerweile gelegt. Warum?

Bolz: Ich würde von einer Normalisierung, keiner Herausforderung oder einem Infragestellen reden. In Ländern mit geringerer Medienfreiheit haben Bürgerreporter eine noch viel höhere Bedeutung als bei uns.

In einer Ankündigung für Ihren Vortrag Donnerstag Abend in Graz werden Sie zitiert mit dem Satz: „Google ist der Terror des Populären.“

Bolz: Die meisten von uns orientieren sich an Google – ich mich auch. Nur: Dort wird nach Popularität geordnet, nach einem quantitativen Algorithmus. Es bildet sich ein Ranking der Berühmtheit – das ist, was die meisten wollen. Leute interessiert, was Leute interessiert. Man möchte Mainstream sein. Nur: Fast alles andere – das, was nicht unter den ersten 20 Hits ist – geht unter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2009)

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