Mit Geld, Männern und Rock'n'Roll

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Das Serienjahr 2016 bringt noch mehr – berühmte – Männer hinter und vor die Kamera. Martin Scorsese und Mick Jagger setzen der Rock'n'Roll-Branche der 1970er in "Vinyl" ein Denkmal.

Die gute Nachricht für passionierte Serienschauer lautet: Es tut sich noch immer viel in diesem Sektor, auch im kommenden Jahr. Die schlechte: Den Überblick kann man nicht mehr behalten. So dicht gedrängt wie in diesem Winter lagen die Starttermine neuer Produktionen noch nie. Seit 5. Jänner läuft auf dem früheren Musiksender MTV die Fantasyserie „The Shannara Chronicles“, eine recht simpel gestrickte „Herr der Ringe“-Kopie, die auf der gleichnamigen Vorlage des US-Autors Terry Brooks basiert. Seit Anfang Jänner kann man Jennifer Lopez in„Shades of Blue“ als alleinerziehende Mutter durch ihren Polizistenalltag in N. Y. straucheln sehen. Vergangene Woche starteten die Frankenstein-Adaption„Second Chance“, die düstere Weltuntergangsgeschichte „Colony“ (von den „Lost“-Machern) und die Komödien„Idiotsitter“ (Comedy Central), „Angie Tribeca“ (TBS). In Letzterer spielt die großartige Rashida Jones auch eine Polizistin, nur nimmt sie sich und ihre Fälle weniger ernst als Kollegin Lopez.

Und weiter geht es: Heute, Sonntag, zeigt der Sender Showtime die erste Folge der mit Spannung erwarteten Wall-Street-Serie Billionsmit „Homeland“-Star Damian Lewis und Paul Giamatti. Am Donnerstag startet die vermutlich schrägste Serie der Saison: Die Groteske Baskets (FX) wird u. a. vom amerikanischen Komiker Louis C. K. produziert, der selbst seit Jahren zentrale Figur in der Komödie „Louie“ ist. In „Baskets“ lässt er einen anderen Schauspieler vor die Kamera, seinen Comedykollegen Zach Galifianakis („Hangover“), der Chip Basket, einen erfolglosen Künstler, spielt, der unbedingt professioneller Clown werden will. Doch die Pariser Clownakademie will ihn nicht, weshalb er den Pausenfüller bei einem Rodeo geben muss.

Im Vorjahr war erstmals von vielen Kritikern zu hören, dass die Schwemme an Serien auch viele weniger gute Produktionen hervorbringe, dass das Golden Age of Television vielleicht bald wieder vorbei sei. Ganz so pessimistisch muss man die Entwicklung freilich nicht sehen. Aber es fällt in der Masse an alten und neuen Serien immer schwerer, einen roten Faden zu erkennen. Will man das Jahr 2016 in wenigen Worten zusammenfassen, kann man sagen: Es wird ein Jahr der berühmten Männer. Schon bisher standen in vielen Serien Männer im Mittelpunkt, man denke an Klassiker wie die „Sopranos“, „The Wire“ oder „Breaking Bad“ (wobei es natürlich auch Serien mit gemischtem Ensemble gibt, wie „Homeland“, „Game of Thrones“ oder „The Walking Dead“). Heuer drängen auffallend viele Männer aus der Filmbranche und serienfremden Genres vor und hinter die TV-Kamera. So gibt etwa Schauspieler Anthony Hopkins die zentrale Figur in Westworld“: Die lose Adaption von Michael Crichtons Science-Fiction-Western-Thriller aus dem Jahr 1973 handelt von künstlicher Intelligenz und Realitätsflucht. Horrorbestsellerautor Stephen King schrieb das Drehbuch zur Serie 11.22.63.(Hulu), in der Hollywood-Star James Franco in die Sechzigerjahre reist und versucht, das Attentat auf US-Präsident John F. Kennedy zu vereiteln. Gérard Depardieu spielt in der ersten großen europäischen Netflix-Produktion Marseilleeinen machthungrigen Politiker. Und Regisseur Woody Allen bastelt an seiner ersten Serie für Amazon, zu der bisher noch kaum Details bekannt wurden – außer, dass ihm die Arbeit daran schwerfällt. „Der Fluch meines Lebens“, schimpfte er kürzlich. Ein weiterer Starregisseur produziert bereits seine zweite Serie: Martin Scorsese („Boardwalk Empire“) nimmt mithilfe von Rolling Stone Mick Jagger und gemeinsam mit Autor Terence Winter in Vinyl(ab 14. Februar in Österreich auf Sky) das New Yorker Musikbusiness der 1970er-Jahre unter die Lupe, was ein bisschen in die „Mad Men“-Tradition passt. Bobby Cannavale sucht als Chef eines strauchelnden Plattenlabels den nächsten großen musikalischen Trend, Olivia Wilde verkörpert seine Ehefrau. Der Trailer verspricht viel Sex, Drogen und Rock'n'Roll.

Um Geld und Korruption geht es in dem Zweiteiler Madoff (3. und 4. Februar, ABC). Hier spielt Richard Dreyfuss den überführten Milliardenbetrüger Bernie Madoff, Blythe Danner dessen (Ex-)Frau Ruth. Madoffs Lebensgeschichte wird übrigens noch ein zweites Mal, diesmal von HBO mit Robert De Niro und Michelle Pfeiffer verfilmt.

Neben all den Debüts kehren 2016 auch bekannte Serien für ihre zweite und dritte Staffel zurück. Darunter die zu wenig gewürdigte Comedy „Silicon Valley“, das düstere Hackerdrama „Mr. Robot“ und die Miniserie „Show Me a Hero“ mit Oscar Isaac als Provinzpolitiker in den 1980ern. Zudem baut Netflix sein Superheldenuniversum nach „Daredevil“ und „Jessica Jones“ mit „Luke Cage“ (April) und „Iron Fist“ (November) weiter aus. Schräger dürfte die Adaption des als unverfilmbar geltenden Comics „Preacher“ von Evan Goldberg und Seth Rogen ausfallen: Ein Priester (Dominic Cooper) begibt sich darin auf einen Rachefeldzug gegen Gott.

Insgesamt zeigt sich, dass zwar in allen Genres (Comedy, Drama, Mystery und Comic-Adaptionen) gleichermaßen viel Nachschub kommt. Dabei wird es immer schwieriger, den einen großen massentauglichen Hit, wie es etwa „Breaking Bad“ oder „Game of Thrones“ waren bzw. sind, zu landen. Westworldmag das Potenzial dazu haben. Zu den Beteiligten gehören „Star Wars VII“-Regisseur J. J. Abrams und Jonathan Nolan, der mit seinem Bruder, dem Starregisseur Christopher Nolan die Drehbücher zur jüngsten „Batman“-Trilogie sowie zum Blockbuster „Interstellar“ geschrieben hat. Der Starttermin für die HBO-Serie lässt allerdings noch auf sich warten.

Serien, die 2016 weitergehen:

„The Walking Dead“ (zweiter Teil der Staffel 6): 14.2. (Sky Online)

„Better Call Saul“ (2):16.2. (Netflix)

„Girls“ (5):ab 21.2. (HBO, hier etwas später via TNT Glitz und Sky)

House of Cards (4):ab 4.3. (in Österreich via Netflix nicht erhältlich, aber auf Sky, Sky Online alle Folgen zuerst im Original, später auf Deutsch)

„Bloodline“ (2):ab 20.3. (Netflix)

„Game of Thrones“ (6):24.4. (Sky)

„Unbreakable Kimmy Schmidt“ (2): Frühling 2016 (Netflix)

„Orange Is the New Black“ (4): im Sommer 2016 (Netflix)

Weitere: The Americans (4):März (Netflix), Daredevil“ (2): März, “Veep (4):24.4. (Sky), Silicon Valley (3):April (Sky), Homeland(6):Oktober(Amazon), The Affair(3):Herbst (Amazon), Transparent(3):Winter (Amazon), The Man in the High Castle (2): Winter (Amazon); Narcos (2):Winter (Netflix)

Noch nicht:Die Neuauflage des David-Lynch-Klassikers Twin Peaks“startet erst 2017. Wie übrigens auch Staffel 4 der BBC-Serie Sherlock“ mit Benedict Cumberbatch und Staffel 3 der düsteren Krimiserie Fargo“.

Zurechtfinden im Seriendickicht:

Je mehr Serien es gibt, desto schwerer wird es, den Überblick zu behalten. Wer sich einen Zugang zu Netflix, Sky Online, Maxdome oder Amazon Prime gönnt, ist meist schon gut versorgt, doch es gibt viele Serien, die in Österreich gar nicht oder viel später als in den USA oder Großbritannien zu sehen sind. Bei manchen Serien heißt es einfach: warten – oder die DVD kaufen. Arte zeigt meist ein bis zwei Jahre später französische oder dänische Serien. Einen guten Überblick über viele Serien und darüber, welche Plattform sie wie streamt, bietet die Seite werstreamt.es.

Bei Netflix hat jedes Subgenre eine eigene ID. Angeblich sind es 76.000. Die Subgenres heißen etwa „Critically-acclaimed Comedies from the 1940s“ (ID 2991), „Sports Movies for Ages 5 to 7“ (3746) oder „Inspiring Movies Based on Real Life“ (960). Um die Filme zu finden, muss man nur die jeweilige ID an die URL anhängen (funktioniert also nicht via App). Freundlicherweise hat ein Unbekannter sich die Mühe gemacht und eine Tabelle mit allen Serien-IDs erstellt, abzurufen unter http://
ogres-crypt.com/public/NetFlix-Streaming-Genres.html.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2016)

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