TV-Serie „Stadt ohne Namen“: Die Nutzlosen hinter der Mauer

(c) Arte/ Kelija/ Jean-Claude Lother
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In der düsteren französischen Serie „Stadt ohne Namen“ leben 80 Prozent Arbeitslose abgeschnitten von den aktiven Arbeitnehmern. „Hunger Games“ trifft auf „Black Mirror“.

Entmutigend muss das schon sein für die vielen neuen Produzenten von Serien. Dass sie sich stets mit alten, gar hoch gelobten Produktionen vergleichen lassen müssen. Der 1970 in Belgien geborene Vincent Lannoo macht es also vielleicht richtig, wenn er in Interviews zu seiner ersten Serie „Stadt ohne Namen“ (Original: „Trepalium“) selbst erwähnt, wo er überall Anleihen genommen hat. Es stecke ein bisschen „Hunger Games“ darin, also die Verfilmung der dystopischen Romantrilogie „Tribute von Panem“. Er habe sich aber auch von George Orwells „1984“ (wenig überraschend), dem Science-Fiction-Film „Gattaca“ und der hochgelobten britischen Miniserie „Black Mirror“ inspirieren lassen. Eine kleine Empfehlung zu Letzterer: Unbedingt die erste Folge ansehen, in der Englands Premier exzellent an der Nase herumgeführt wird!

Aber zurück zu Lannoo: Der hat sich viel vorgenommen, und der Plot der sechsteiligen Serie verursacht schon einmal Gänsehaut: In einem Land irgendwann in der Zukunft lebt – oder besser: haust – der Großteil der Bevölkerung hinter einer Mauer, die vor 30 Jahren erbaut wurde. Wer hier gelandet ist, ist arbeitslos und gilt als „Nutzloser“. Das Wasser ist so knapp wie die Elektrizität, die Häuser sind so brüchig wie die Beziehungen. Auf der anderen Seite der Mauer, in der namenlosen Stadt, leben die Beschäftigten in einer farblich eintönigen, retro-futuristischen Siedlung, die an die Baukunst von Le Corbusier und Oscar Niemeyer erinnert. Sie haben zwar eine Arbeit, verdienen Geld, essen (aus Zeitökonomie) nur mehr Pillen statt Nahrungsmittel. Ihre Leistungen werden permanent überprüft; wer zu oft verwarnt wird, verliert seinen Job und wird in die Zone abgeschoben.

Nun haben Rebellen hinter der Mauer den Arbeitsminister entführt. Der wird erst freigelassen, als seine Frau – und Premierministerin – zustimmt, 10.000 Nutzlosen eine Arbeit in der Stadt zu geben. Die müssen sich nach einer peniblen Befragung duschen und die Haare schneiden lassen und in beige, sackförmige Arbeitskleidung schlüpfen, bevor sie ihren Dienst auf der anderen Seite der Mauer versehen dürfen. Das ist so grauenvoll, wie es klingt, und löst, wohl gewollt, Assoziationen zu NS-Konzentrationslagern aus.

Wir begegnen verschiedenen Figuren auf beiden Seiten: Schon in der Zone geboren ist Izia Katell (Léonie Simaga), die sich liebevoll um ihren Sohn Noah kümmert. Als Auserwählte, die in der Stadt arbeiten darf, hofft sie, sich eine dauerhafte Existenz auf der anderen Seite aufbauen zu können. In der Stadt hingegen kämpft Ruben Garcia (Pierre Deladonchamps) darum, seinen Status als Chemie-Ingenieur in der Firma seines Vaters zu behalten. Seine eiskalte Frau (ebenfalls gespielt von Simaga) will die gemeinsame Tochter loswerden, weil deren Stummheit die gesamte Familie zu Außenseitern machen könnte.

Die Arbeiter, die herzlosen Roboter

Es fröstelt einen also da wie dort – und man erkennt bald die platten Handlungsstränge, die durchschaubaren Klischees. Die armen Seelen in der Zone sind noch halbwegs menschlich geblieben, die Aktiven in der Stadt hingegen sind herzlose Roboter.

Das Thema der Serie hätte gerade in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und anhaltender Flüchtlingsströme großes Potenzial gehabt. Doch diese Geschichte bleibt an der Oberfläche, die Figuren schablonenhaft. Vielleicht hat sich Regisseur Lannoo zu viel bei anderen abgeschaut, zu wenig auf seine eigene Geschichte vertraut.


Ab Do, 11. 2., 20.15 Uhr, drei Folgen hintereinander, Arte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2016)

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