Mit Cornflakes am Newsdesk

Der Front Desk im Washingtoner Büro von „Vox“ in der Connecticut Avenue, unweit des Dupont Circle.
Der Front Desk im Washingtoner Büro von „Vox“ in der Connecticut Avenue, unweit des Dupont Circle.Anna-Maria Wallner
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Nachrichten aus dem Newsroom - Teil 4: Die US-Onlineplattform Vox.com will den Politik-Platzhirschen in Washington Konkurrenz machen. Gründer Ezra Klein kam von der »Washington Post«.

In der großen, offenen Küche stehen sechs wuchtige Spender für Frühstückszerealien. Darüber sind deutlich erkennbar die bunten Kartonboxen von Cheerios, Raisin Bran und Frosted Flakes zu sehen. Es gibt Säfte und Bier. Das 35-köpfige Team von Vox soll sich im Büro ein bisschen wie zu Hause fühlen, die Mitarbeiter können also auch frühstücken, während sie in Sofasesseln sitzen und auf ihre Laptops starren.

Das Zerealienangebot bei Vox.com
Das Zerealienangebot bei Vox.comWallner

Schnell erkennt man, dass diese Redaktion ein wenig anders tickt als die der großen Konkurrenten. Hier schreiben und kommentieren vorwiegend junge, online-affine und gut ausgebildete Journalisten. Dass sie auch eine gewisse Überheblichkeit mitbringen, mit der sie sagen: „Wir machen es anders“, gehört da vermutlich dazu. Auch bei Außenpolitik-Schreiber Zac Beauchamp ist Selbstbewusstsein ausreichend vorhanden. Das Problem klassischer Medien sei, sagt er, dass sie die Leser häufig verloren zurücklassen würden. „Nachrichten werden immer noch für ein altes Printmodell geschrieben, das es nicht mehr gibt.“ Deswegen habe sich die 2014 gegründete Plattform Vox, die zum immer größer werdenden Unternehmen Vox Media gehört (wie die Technikseite The Verge oder die Sportseite SB Nation), auch den Beinamen „Explain the News“ gegeben. Man setze also auf Erklärjournalismus und versuche, die Nachrichten auf eine neue Art aufzubereiten. Dazu gehört eine Kurzzusammenfassung am Beginn jedes Textes, die Filetierung vieler Artikel in sogenannte Bullet Points und die Verwendung von Grafiken und grellgelben, sogenannten „Card Stacks“, auf denen zusätzliche Infos und Hintergründe zu einem Thema erläutert werden. Das alles ist natürlich längst nicht mehr komplettes Neuland. So gut wie alle klassischen Medien erzählen ihre Geschichten heute so, aber Vox heftet sich selbstbewusst auf die Fahnen, diese Entwicklung beschleunigt zu haben. Zudem will man den traditionellen Politik-Berichterstattern, allen voran der „Washington Post“ und der „New York Times“, Konkurrenz machen.


Jeff Bezos wollte nicht. Vox-Gründer Ezra Klein, bald 32, galt als einer der vielversprechendsten Nachwuchsreporter der „Washington Post“. Dort gründete und führte er das politische Weblog Wonkblog, doch als er dieses deutlich erweitern und professionalisieren wollte und beim neuen Eigentümer und Amazon-Gründer Jeff Bezos auf taube Ohren stieß, verließ er kurzerhand das Haus.

Nur drei Monate später wurde Vox geboren, das nun im April zwei Jahre alt wird. Obwohl die Online-Leserzahlen stark wachsen, sieht das Team im Jahr der US-Präsidentschaftswahl einer echten Bewährungsprobe entgegen. Bei Vox nimmt man ähnlich wie beim Konkurrenten „Vice“ die Trennung von Kommentar und Bericht nicht sehr ernst und versucht, die Leser mit eingängigen Titeln wie „The 9 biggest myths about ISIS“ zu locken. Die Texte bei Vox sind allerdings meist profund.


Kurze erste Sätze. Ihre Zielgruppe, so Zac Beauchamp, sind „Menschen, die die Nachrichten zwar verfolgen, aber nicht totale News-Junkies sind“. Die sind bei innenpolitischen Themen ohnehin besser bei „Politico“ aufgehoben. „Und ja, wir haben eine Vorliebe für kurze erste Sätze, die aufregen“, sagt Beauchamp. Vox ist klar demokratisch und sehr Obama-freundlich, bekommt daher auch immer wieder Papiere aus dem Weißen Haus zugespielt. Die Plattform bespielt alle digitalen Kanäle, der wichtigste sei Facebook. Dort hat sie mittlerweile eine halbe Million Fans, Konkurrent „Washington Post“ hat mit knapp vier Millionen allerdings immer noch acht Mal so viele.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2016)

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