Faymann-Solo im ORF: „Redaktion hat Kanzler eingeladen“

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Pressestunde(c) ORF (MILENKO BADZIC)
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Die ORF-Redakteure wehren sich heftig gegen den Vorwurf, die Einladung von Kanzler Faymann in „Im Zentrum“ sei auf politischen Druck geschehen.

Am Sonntag wird Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in der ORF-Sendung "Im Zentrum" mit Moderatorin Ingrid Thurnher die Flüchtlingsfrage diskutieren – als alleiniger Gast, obwohl es sich um eine Diskussionssendung handelt, in der es bisher immer mindestens zwei Gäste gab. Der Solo-Auftritt sorgt schon im Vorfeld für Aufregung. Die Einladungspolitik des ORF beschäftigt auch das oberste Gremium im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Stiftungsräte aus allen Parteien – mit Ausnahme der SPÖ – haben am Freitag an ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz mehrere Anfragen gestellt. Unter Berufung auf das Aktienrecht wollen sie die Entstehungsgeschichte zum kommenden „Im Zentrum“ erfahren. Stiftungsräte von ÖVP, FPÖ, Grünen, NEOS und Team Stronach möchten unter anderem wissen, von wem die Initiative zu diesem Einzelinterview ausgegangen ist, und ob das Gespräch vor Publikum stattfindet. ÖVP, FPÖ und Grüne warfen dem ORF bereits in den vergangenen Tagen mangelnde Objektivität und Ausgewogenheit vor. Insbesondere Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und ÖVP-Klubomann Reinhold Lopatka hatten dem ORF parteipolitische Einflussnahme vorgeworfen.

Gegen diesen Vorwurf wehren sich die ORF-Redakteure. "Faymann wurde von der Redaktion eingeladen und hat sich nicht selbst eingeladen", stellte der Vorsitzende des ORF-Redakteursrats Dieter Borneman am Freitag klar. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sei alleiniger Gast in der Diskussionssendung „Anne Will“ gewesen, dies war Vorbild für „Im Zentrum“. „Wäre das Interview wirklich ein Wunsch des Bundeskanzlers oder des Generaldirektors gewesen, dann hätte es von der Redakteursvertretung einen sehr lauten Protest gegeben“, so Bornemann.

„Alle Parteien haben das Gefühl, zu kurz zu kommen“

Die Kritik der Parteien will er so nicht gelten lassen. „Es ist ein seltsames Medienverständnis der ÖVP, wenn Vizekanzler Mitterlehner als Gast in der 'ZiB2' das angebliche 'Bestellfernsehen' des ORF kritisiert und im selben Atemzug sagt: 'Ich wünsche mir das auch'“, sagte der Vorsitzende des Redakteursrats. „Die Forderung von ÖVP-Klubobmann Lopatka an den ORF-Generaldirektor, diese Einladung zurückzunehmen, ist unerhört. Denn damit verlangt er, dass der Generaldirektor in unsere redaktionelle Autonomie und die Berichterstattung eingreift“.

Es gehe den Parteien darum, möglichst viel im ORF vorzukommen, meinte Bornemann. „Alle Parteien haben das Gefühl, im ORF zu kurz zu kommen. Also machen wir etwas richtig.“

„Im Zentrum“ hat das Konzept der Diskussionssendung bereits in der Vergangenheit gebrochen, argumentieren die ORF-Redakteure. So waren im Mai des Vorjahres zum Anlass des 70-Jahr-Jubiläums der Entstehung der Zweiten Republik auch nur zwei Gäste geladen worden: Die Literatin Maja Haderlap, 2011 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet, und der Journalist und Geschichte-Erklärer Hugo Portisch. Ein einzelner Gast ist allerdings ein Novum.

Am Freitag meldete sich auch der frühere ORF-Informationsdirektor Elmar Oberhauser zu Wort: „Für mich ist das ein weiterer Beweis, dass sich Wrabetz als Handlanger von Kanzler Faymann sieht“, sagt er. Der Solo-Auftritt sei ein „Skandal und dreister Angriff auf die Unabhängigkeit des ORF“, sagte er.

„Üble Verleumdung und Retourkutsche“

„ZiB2“-Anchorman Armin Wolf nannte diese Wortwahl auf dem Kurznachrichtendienst Twitter „eine üble Verleumdung seiner Ex-KollegInnen und seine Retourkutsche an Wrabetz“. Oberhauser war 2010 auf Vorschlag des ORF-Chefs vom Stiftungsrat mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und linken unabhängigen Betriebsräten von seiner Funktion abgewählt worden.

Er führte selbst zahlreiche Diskussionssendungen und Politiker-Interviews im ORF. Für Oberhauser hängt der Auftritt des Kanzlers vor allem auch mit der Wahl der neuen ORF-Geschäftsführung zusammen: „Das ganze hat natürlich einen Beigeschmack, den man vor der im August geplanten Wahl des neuen ORF-Generaldirektors sehen muss.“

Dass sich in der Causa nun eben jene Stiftungsräte kritisch zu Wort melden, um deren Stimmen Wrabetz buhlt, scheint dieser Theorie zu widersprechen.

(Red./APA)

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Kommentare

Faymann hat eine Schlacht gewonnen, nicht den ORF-Krieg

Der Bundeskanzler also allein in einer Diskussionssendung.

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