Massive Manipulation beim Radiotest

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Oe3 STUDIO =FOLTIN Jindrich/WirtschaftsBlatt/picturedesk.com
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Ö3 und die ORF-Regionalsender waren Nutznießer der jahrelangen Datenfälschungen durch die GfK. Der Schaden für Privatsender und Werbekunden wird auf 20 Mio. Euro geschätzt.

Wien. Österreichs Radiobranche ist alarmiert. Seit der Vorwoche ist bekannt, dass der jährliche Radiotest, bei dem das Marktforschungsinstitut GfK die Marktanteile der einzelnen Radiosender ermittelt, seit Jahren manipuliert wurde. Am Freitag wurden die ersten korrigierten Zahlen für das Jahr 2015 veröffentlicht (die Jahre 2011 bis 2014 sollen folgen) – und sie zeigen beträchtliche Abweichungen von den bisher veröffentlichten Daten.

De facto wurden die Zahlen von Ö3 und den ORF-Regionalradios massiv hinaufgeschraubt, jene der Privatsender hinunter. Abweichungen gibt es interessanterweise nur bei den werbefinanzierten ORF-Sendern, nicht bei Ö1 oder FM4. Massiv sind die Verzerrungen in Vorarlberg und der Steiermark. So betrug der Marktanteil (in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen, von Mo bis So) im ersten Halbjahr 2015 für Ö3 in Vorarlberg nicht 35, sondern 30 Prozent. Dafür erreicht die dem Verleger Eugen Russ gehörende Antenne Vorarlberg nicht 21, sondern 33 Prozent Marktanteil. Das meistgehörte Radio im Westen des Landes ist also kein ORF-, sondern ein Privatsender. Auch in der Steiermark kommt Ö3 nicht auf 37, sondern auf 32 Prozent Marktanteil – und die zur Styria Media Group gehörende Antenne Steiermark lag nicht bei 24, sondern 31 Prozent Marktanteil. Für den ORF insgesamt wurden im selben Zeitraum 64 statt der tatsächlichen 60 Prozent ausgewiesen. Der private Vermarktungsring RMS Top wurde im Gegenzug mit 33 statt 36 Prozent Marktanteil ausgewiesen.

„Es ist gespenstisch, was da passiert ist“, sagt ein Branchenkenner, der anonym bleiben will. Wer hat hier manipuliert? Ernst Swoboda, der Geschäftsführer von Kronehit und seit Kurzem Vorsitzender des Privatsenderverbandes VÖP sagt zur APA: „Bei dieser Dimension fehlt mir momentan jede Erklärung. Klar ist, das ist bis in die Führungsspitze der GfK Österreich bekannt gewesen. Das ging über viele Jahre, ganz systematisch. Es gibt bis dato keinen objektivierbaren Anhaltspunkt, dass der ORF etwas davon gewusst hätte.“ Swoboda vermutet, GfK habe dem ORF als größtem Auftraggeber „einfach Gutes tun wollen“. Die GfK weist die „Spekulationen“ und „Anschuldigungen“ als unzutreffend zurück und betont, dass man mit der Arbeitsgemeinschaft Radiotest ein Revisionskomitee eingerichtet habe, das nun seine Arbeit aufnimmt.

Natürlich steht GfK nun massiv unter Druck. In der Vorwoche räumte Alexander Zeh, einer der beiden Geschäftsführer, seinen Posten mit sofortiger Wirkung. Ein Zusammenhang mit der Datenmanipulation wurde offiziell verneint.

Durch die geschönten Zahlen entsteht nicht nur ein enormer Schaden für die Privatsender, sondern auch für die Werbekunden, weil sie ihre Werbespots über dem Marktpreis bezahlt haben. Das Radio-Werbevolumen beträgt pro Jahr ca. 160 Mio. Euro brutto, allein Ö3 macht jährlich einen Umsatz von rund 100 Mio. Euro pro Jahr. Ernst Swoboda schätzt, dass durch die Manipulationen über Jahre ein Schaden von 15 bis 20 Mio. Euro verursacht wurde. Branchenkenner schätzen den Schaden sogar höher. Swoboda jedenfalls kündigt Schadenersatzklagen gegenüber dem Marktforschungsinstitut an. Beobachter sehen die Marke GfK massiv beschädigt. Auch im ORF sieht man einen großen Vertrauensverlust in die GfK, ein vorzeitiger Ausstieg aus dem laufenden Vertrag werde bereits geprüft.

ORF gibt sich trotzig-beleidigt

Denn für den ORF sind die Neuigkeiten kurz vor den Generaldirektoren-Wahlen im August alles andere als angenehm. Dennoch, die Führungsspitze gab sich am Freitag beinah trotzig-beleidigt. Man sieht sich nicht verantwortlich für das, was da passiert ist, trete zwar „für eine volle Aufklärung der Sachlage“ ein, doch die nun vorliegenden Daten ließen „erhebliche Zweifel offen, ob die nun korrigierten Werte die Marktverhältnisse korrekt abbilden“. Dass Swoboda von einem Millionenschaden spreche, nannte der ORF „völlig unverständlich“ und „eine Entgleisung“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2016)

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