Wie der Kreml Medien kontrolliert

Russland, Moskau, Kreml, Mariae-Verkuendigungs-Kathedrale
Russland, Moskau, Kreml, Mariae-Verkuendigungs-Kathedrale(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
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Nach dem erzwungenen Wechsel in der Chefetage der renommierten Wirtschaftszeitung „RBK“ befürchten Beobachter weitere Schritte gegen unabhängige Medien.

Die russische Tageszeitung „RBK“ wird sich in Zukunft wieder auf das beschränken, was man gemeinhin Kernkompetenz nennt: Wirtschaftsberichterstattung im engeren Sinn. „Warum es in Russland so wenige Brücken gibt“ – dieses Thema war „RBK“ (steht für: RosBusinessKonsalting) vor ein paar Tagen sogar eine Titelseite wert. Noch vor Kurzem sahen die Aufmacher anders aus. „Offshores vor aller Augen“, daneben eine Fotografie Wladimir Putins: Mit dieser Titelseite kündigte die Wirtschaftszeitung, die im Besitz des Oligarchen Michail Prochorow steht, die Panama-Papers und die Verwicklungen russischer Entscheidungsträger in Offshore-Firmen an. Es sollen Recherchen wie diese gewesen sein, die dem Kreml ein Dorn im Auge waren. Zuvor hatte RBK mit Berichten über die Geschäftsinteressen der Familie Putin aufhorchen lassen.

Mitte Mai wurde die Chefetage der RBK-Medienholding ausgewechselt. Offiziell hieß es, Chefredakteurin Jelisaweta Ossetinskaja trete ein sowieso geplantes Stipendium an der Stanford-Universität früher an. Gemeinsam mit ihr verließen der Chefredakteur der Zeitung und der Chef der RBK-Nachrichtenagentur die Medienholding. Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow nannte Verdächtigungen, wonach der Kreml etwas mit dem Umbau zu tun haben, „absurd“. Branchenkenner und kritische Journalisten wie Julia Beresowskaja vom Internetprojekt Grani.ru (mittlerweile im Netz zu finden unter graniru.org) gehen hingegen von einem Konnex aus: „Der Staat bringt weiterhin unabhängige Medien unter seine Kontrolle“, sagt Beresowskaja zur „Presse“: „Zweifellos hat dies im Fall von ,RBK‘ mit den Publikationen über Putin und seinen Kreis zu tun.“

Insider hatten die Entwicklung kommen sehen: Mitte April hatte der Geheimdienst das Geschäftsgebäude von Prochorows Konzern Onexim durchsucht, zu dem „RBK“ gehört. Prochorow, jüngerer Bruder der bekannten Verlegerin Irina Prochorowa, ist Multimillionär und trat bei den letzten Präsidentenwahlen chancenlos gegen Wladimir Putin an. Die Kandidatur galt als inszeniert.

Lenta.ru-Chefredakteurin entlassen

Die Affäre um „RBK“ ist keine singuläre Entwicklung. Grani-Herausgeberin Beresowskaja erläutert, dass es so gut wie keine unabhängigen Medien mehr gebe. Schon 2014 wurde das populäre Onlinemedium Lenta.ru auf Linie gebracht, die Chefredakteurin entlassen. Das aufsässige Nischenprodukt „Nowaja Gaseta“ wurde in der Vergangenheit immer wieder verwarnt. Und der oppositionelle TV-Kanal Doschd wurde von den Kabelanbietern gestrichen und ist nur noch im Internet abrufbar. Durch ein neues Gesetz müssen ausländische Eigner ihre Anteile auf 20 Prozent beschränken. In der Branche ist man gespannt, wie sich der Verkauf der bisher von einer westlichen Mediengruppe gehaltenen, qualitativ hochwertigen Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ an russische Eigentümer auswirken wird. Trotz Hunderter von TV-Kanälen steht das Land nur auf Rang 148 von 180 des Indexes der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen.

Das Internet und soziale Medien sind die letzten Residuen einer Gegenöffentlichkeit. Doch auch hier verschärft sich die Kontrolle. Der Extremismusvorwurf wird immer öfter herangezogen, um Inhalte zu verbieten und Verfahren gegen Blogger oder einfache User einzuleiten – sogar wenn Letztere Artikel teilen oder einen zustimmenden Kommentar verfassen. Beresowskaja spricht von Hunderten Verfahren im Land gegen Menschen, „die vorher kaum jemand kannte und die erst durch ihre Prozesse bekannt werden“.

Auch ihr Projekt Grani.ru, das als das traditionsreichste oppositionelle Internetmedium gilt, ist von der Zensur betroffen: Seit März 2014 wird die Seite in Russland blockiert. Das Medium hatte sich kritisch zur Krim-Annexion geäußert. Offiziell wurde die Blockade ermöglicht, da die Website Aufrufe zu unangemeldeten Demonstrationen veröffentlichte. Das Grani-Team stellt nun Mirror-Seiten ins Netz (eine exakte Kopie der Webseite unter einer anderen URL), um weiterhin Leser zu erreichen. „Die Verfolgung von Worten hat einen Maßstab angenommen, den es früher noch nicht gab“, urteilt Beresowskaja. Sie persönlich glaubt, dass traditionelle unabhängige Medien kaum Überlebenschancen haben, und setzt ihre Hoffnungen auf spontanen, unorganisierten und flexiblen Protest, ohne fixe Organisationsstrukturen. Gegen ihn seien die Behörden hilflos(er). Ein Beispiel dafür sind die Plakate, die unlängst in Moskau aus dem Nichts auftauchten: „Was für ein Panama?“, fragt auf ihnen ein sich ahnungslos gebender, sonnenbebrillter Putin mit Panamahut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2016)

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