Haselsteiner: "Freundeskreise sind eine Grässlichkeit"

Der Industrielle Hans Peter Haselsteiner sitzt seit Mai 2014 für die Neos im ORF-Stiftungsrat.
Der Industrielle Hans Peter Haselsteiner sitzt seit Mai 2014 für die Neos im ORF-Stiftungsrat.Die Presse/Clemens Fabry
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Neos-Stiftungsrat Hans Peter Haselsteiner will die Vollmacht des ORF-Generals einschränken und den ORF "unabhängiger von Parteieneinfluss" machen.

Sonnengebräunt und siegessicher ist ORF-General Alexander Wrabetz derzeit zu erleben. Er rechnet offenbar fix damit, am 9. August als ORF-General bestätigt zu werden. Und: Er hat die Unterstützung des neuen Bundeskanzlers. Christian Kern (SPÖ) sprach sich am Samstag im Ö1-„Mittagsjournal“ „ganz klar“ dafür aus, dass Wrabetz ORF-Chef bleibt, und erklärte, auch die SPÖ-nahen Stiftungsräte hätten sich für Wrabetz ausgesprochen. Der ORF-Posten werde aber „mit Sicherheit nicht woanders gedealt werden“ – und es gebe auch keine ÖVP-Unterstützung für Wrabetz als Gegenleistung zur Unterstützung der SPÖ für die schwarze Rechnungshof-Kandidatin.


Vollmacht beschränken. Das klingt fast so, als hätte die Politik kein Interesse daran, auf der mächtigsten Medienorgel des Landes zu spielen. Die Erfahrung lehrt das Gegenteil. Einer, der davon zu berichten weiß, ist der Industrielle Hans Peter Haselsteiner, der seit zwei Jahren für die Neos im Aufsichtsorgan des ORF – dem Stiftungsrat – sitzt. Er wünscht sich im Interview mit der „Presse am Sonntag“, dass die Vollmacht des ORF-Generaldirektors beschränkt wird. „Jetzt sind im ORF alle weisungsgebunden – einschließlich der Direktoren. Das würde in einem anderen Haus niemals gehen“, sagt er. Es sei Zeit, darüber zu diskutieren, statt eines Alleingeschäftsführers ein Kollektivorgan einzusetzen – „wie es in einer AG der Vorstand ist“. Da es das Gesetz aber – derzeit – anders vorsieht, könne man das über eine Selbstbeschränkung in der Geschäftsordnung regeln. Und: Die Stiftungsräte sollten die Verträge der neuen Geschäftsführung mit einem Inkrafttreten eines neuen ORF-Gesetzes befristen. Dann müssten sich die Direktoren neu bewerben.

Ein neues ORF-Gesetz? Das fände er „wünschenswert“, sagt Haselsteiner. „Dass wir zu einem Vorstand kommen, der per Gesetz ein Kollektivorgan ist. Dass wir einen Aufsichtsrat haben, der den Namen verdient. Und dass wir eine Stifterversammlung haben, die die Hauptversammlung ersetzt, und es endlich eine normale Willensbildung gibt, damit der ORF deutlicher unabhängiger wird, als er es heute ist.“ Ihn gänzlich zu entpolitisieren geht seiner Ansicht nach nicht. „Das ist vielleicht auch nicht wünschenswert, aber ein Durchregieren der Regierungsparteien oder auch die Drohungen der Oppositionsparteien sind absolut abzulehnen.“ Es scheint aber nicht so, als würde die Politik ihren Einflussbereich im ORF gern selbst beschneiden – Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) lehnte das jüngst im „Presse“-Interview ab. Darüber, gibt Haselsteiner zu bedenken, sollten SPÖ und ÖVP jedoch nachdenken. „Es ist ja immer die Spielwiese der Regierenden – und wenn sich die Parteien überlegen, wie lange sie noch mitregieren werden, kommen sie vielleicht zu einem anderen Schluss.“ Und: „Wenn sie nicht mehr gewählt sind, ist es zu spät.“ Was ihm besonders missfällt? „Eine der Grässlichkeiten in dieser Politik sind ja die Freundeskreise im ORF-Stiftungsrat – da steigen einem ja die Grausbirnen auf.“

Und was sind die Herausforderungen an das Unternehmen? Haselsteiner nennt die „Auseinandersetzung mit den großen Medienanbietern, die über den Atlantik kommen“ und die Führungsstruktur des ORF, die „nicht auf dem aktuellen Stand“ ist. Der ORF müsse „unabhängiger vom Parteieneinfluss“, auch „leistungsfähiger und strukturierter“ werden. Wem er im August seine Stimme gibt, kann er nicht sagen – noch ist nicht klar, wer zur Wahl stehen wird. Aber ein Vorschlag von Wrabetz gefällt ihm: die Idee mit den acht Senderverantwortlichen. „Wenn die nicht von den Parteizentralen vorgegeben, sondern mit einem Hearing bestellt werden, und wenn jeder einen eigenen Chefredakteur hat, dann haben wir mehr Vielfalt.“ Und mehr Unabhängigkeit: „Weil es schwieriger ist, acht Chefredakteure über einen Leisten zu schlagen als einen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2016)

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