ORF-Finanzchef will seinen eigenen Weg gehen

ORF-STIFTUNGSRAT: GRASL
ORF-STIFTUNGSRAT: GRASL(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Richard Grasl fordert den amtierenden ORF-General Alexander Wrabetz heraus. Er kündigt noch etwas vage „viele Neuerungen“ an, will aber ein Ende der Alleingeschäftsführung. Das rot-schwarze Koalitionsmatch ist somit eröffnet.

Im ORF gehe es ab sofort um die Frage „Wraxit oder Graxit?“, witzelten Journalisten via Twitter. Tatsächlich, das Datum der Stiftungsratssitzung lud zu Wortspielereien ein: Just am Tag der Abstimmung der Briten über Verbleib oder Ausstieg in der EU fiel im ORF der Startschuss für die Chefwahl. Mit der Kandidatur von Finanzchef Richard Grasl steht nun fest: Die Zusammenarbeit zwischen dem amtierenden ORF-Chef, Alexander Wrabetz, der ein weiteres, drittes Mal antritt, und seinem Finanzdirektor, Grasl, ist beendet. Ab jetzt sind sie Konkurrenten.

Der Sitzungstag gestaltete sich am Donnerstag wie die Chronik einer angekündigten Kandidatur. Denn dass sich ORF-Manager Grasl wie sein Chef bewerben werde, galt seit Wochen als gewiss. Die Bundesregierung hatte sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt. Beobachter sehen nun ein rot-schwarzes Koalitionsmatch auf dem Küniglberg. Wrabetz, seit 2007 im Amt, gilt als Kandidat der SPÖ; Grasl wird von der ÖVP unterstützt. Das zeigte auch die schnelle Reaktion von ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald: Grasl sei „ein rundum geeigneter Kandidat, den man sich im ORF nur wünschen kann“. ORF-Chef wird am 9. August aber nur, wer 18 der 35 Stiftungsrat-Stimmen für sich gewinnt. Derzeit sieht es nach einem Gleichstand aus, beide können sich 13 Stimmen im Gremium gewiss sein, müssen nun aber die Vertreter der Oppositionsparteien und die Unabhängigen überzeugen.

ORF-Geschichte wiederholt sich

Mit Grasls Antritt wiederholt sich die jüngere ORF-Geschichte. Auch Wrabetz hatte sich 2006 als Finanzdirektor nur eine Woche vor der Wahl gegen seine Chefin und ORF-Generaldirektorin, Monika Lindner, aufstellen lassen – und die Abstimmung gewonnen. Grasl rückt nun deutlich früher mit seiner Kandidatur heraus und hat das am Donnerstag so begründet: Er habe in den vergangenen Wochen zahlreiche Gespräche mit Wrabetz geführt, und „wir sind in einigen Punkten ganz anderer Meinung gewesen. Daher war klar, dass ich meinen eigenen Weg gehen werde“. Meinungsverschiedenheiten habe es insbesondere in der Frage der Unternehmensführung gegeben. Wrabetz beharrt auf der gesetzlich vorgeschriebenen Alleingeschäftsführung, will Entscheidungen künftig aber gemeinschaftlicher treffen. Grasl bevorzugt eine „kollektive Entscheidungsfindung“. Diese sei auch ohne eine Gesetzesänderung und nur durch eine Änderung in der Geschäftsordnung umsetzbar.

Der 43-jährige Richard Grasl begann seine ORF-Karriere im niederösterreichischen Landesstudio als Journalist, wurde dort 2002 Chefredakteur und übernahm 2009 auf Wunsch der ÖVP die Finanzdirektion. Nachdem sich die Bundesregierung auf ein neues ORF-Gesetz und die Refundierung von 160 Millionen Euro an entgangenen Gebühren geeinigt hatte. Der „Standard“ nannte den Personalwechsel damals den „teuersten ORF-Transfer aller Zeiten“. Grasl will zuerst mit allen ORF-Mitarbeitern reden und Ende Juli sein schriftliches Bewerbungskonzept „mit vielen Neuerungen“ abgeben. Wrabetz nahm Grasls Bewerbung „zur Kenntnis“, schien allerdings doch etwas verschnupft darüber, dass sein Geschäftsführungskollege seine Kandidatur nun wahr machte.

Für die meisten Stiftungsräte war Grasls Kandidatur keine Überraschung. FPÖ-Vertreter Norbert Steger sagte: „Ich möchte Konzepte hören“, und betonte, dass er sich seine Entscheidung nicht von der Partei vorgeben lasse. Es sei jedenfalls schwer, „einen amtierenden Generaldirektor abzuwählen“.

In der Sitzung wurden auch einige Entscheidungen gefällt. Der Teilverkauf des Funkhauses in der Argentinierstraße an das Vorarlberger Bauunternehmen Rhomberg wurde mit nur drei Gegenstimmen aus den Reihen der Belegschaftsvertreter abgesegnet. Ebenso der positive Jahresabschluss für 2015.

Ein öffentliches Hearing der Kandidaten nach dem Vorbild des Rechnungshof-Präsidenten wird es nicht geben. Die Räte wollen aber den Kultur- und Spartensender ORF III ersuchen, am 8. August, einen Tag vor der Bestellung des ORF-Chefs, eine Präsentation der Kandidaten live zu übertragen. Das sei ein „wesentlicher Transparenzschritt“, so Stiftungsrat-Vorsitzender Dietmar Hoscher. Die rechtlichen Bedenken hätten zu schwer gewogen, lautete die Begründung der Gremienmitglieder für diesen Kompromiss.

Festgelegt wurde auch eine Frist für die Nominierung von Kandidaten nach dem Ende der offiziellen Bewerbungsfrist am 28. Juli: Stiftungsräte können bis Montag, den 1. August, 12 Uhr einen Kandidaten vorschlagen. Neos-Stiftungsrat Hans Peter Haselsteiner würde sich weitere Kandidaten wünschen. Es sei „erfreulich“, dass Grasl sich der Wahl stellt, aber „bedauerlich“, dass es bisher nur zwei Kandidaten für den Posten gebe. Die angekündigte Kandidatur der Kabarettisten Staatskünstler hatte Haselsteiner in deren Sendung begrüßt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2016)

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