Monika Lindner: „Der ORF ist kein Erbhof“

Clemens Fabry
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2006 wurde Monika Lindner von ihrem damaligen Finanzdirektor Alexander Wrabetz aus dem Amt gedrängt. Sie hält Richard Grasl für einen geeigneten Kandidaten und wünscht sich neue Impulse für den ORF.

Hat Sie die Kandidatur von Richard Grasl überrascht?

Monika Lindner: Wirklich überrascht hat's mich nicht.

Sie gelten als eine seiner frühen Förderinnen. Hat er Sie jetzt um Rat gefragt?

Er hat mich nicht gefragt, ob er sich bewerben soll. Ich hätte ihm aber auch ungefragt meine Meinung gesagt.

Und wie lautet die?

Wenn du eine Chance siehst, dann nix wie bewerben. Ich halte es für richtig, dass er es tut, aus verschiedenen Gründen. Wobei ich schon Respekt vor seinem Mut habe, das kann ja auch schiefgehen. Wenn ich bei meiner Wahl 2001 gewusst hätte, dass in der Nacht davor noch nicht alles klar war, wäre ich auch unruhig gewesen. Deshalb hätte ich ihm keinen Rat geben können, weil man muss selber wissen, ob man dieses Risiko eingeht oder nicht. Das ist eine politische Frage, bei der man selbst wenig dazu beitragen kann. Außer dass man mit Konzepten und mit Überlegungen die Stiftungsräte überzeugt. Also die, die noch zu haben sind.

Sie wurden 2006 von Ihrem kaufmännischen Direktor Wrabetz abgelöst. Nun tritt mit Grasl wieder ein ORF-Finanzchef gegen den aktuellen ORF-General Wrabetz an. Spüren Sie eine späte Genugtuung?

Überhaupt nicht. Wrabetz hat mir damals Ende Juli mitgeteilt, dass er gegen mich antritt. Er hat gesagt, es fällt ihm sehr schwer, aber die SPÖ drängt ihn, und man hat ihm bedeutet, wenn er es nicht tut, dann tut es ein anderer. Auch wenn es mich nicht gefreut hat, habe ich seine Entscheidung nachvollziehen können.

War Ihnen sofort klar, dass das für Sie gelaufen ist, oder haben Sie geglaubt, dass es sich noch ein zweites Mal ausgeht?

Natürlich hätte es die Möglichkeit noch gegeben. Angeblich ist das Gremium (der Stiftungsrat, Anm.) ja unabhängig. Es ging damals vor allem um das BZÖ, wie es sich verhält. Der damalige Vorsitzende des BZÖ . . .

. . . Peter Westenthaler . . .

. . . von ihm ist es abhängig gewesen. Und ich habe schon versucht, ihn noch auf meine Seite zu ziehen. Das war nicht möglich, weil ich war nicht bereit, Versprechungen zu machen. Es ging zum Beispiel darum, dass sein Sommergespräch gegen ein Fußballspiel programmiert war, und er wollte unbedingt, das man seinen Sendetermin verlegt. Ich habe vor und nach der Wahl gesagt, das mache ich nicht.

Sie haben verschiedene Gründe genannt, warum Sie Grasls Kandidatur gut finden. Welche sind das?

Ich halte ihn für äußerst geeignet, weil er vieles mitbringt, was wichtig ist. Ich habe ihn als freien Mitarbeiter kennengelernt, als ich ins Landesstudio Niederösterreich gekommen bin. Er hat viele Seiten des Unternehmens kennengelernt, war im Fernsehen und Radio. Er war sogar einmal Betriebsrat. Ich habe ihn angestellt, dann ist er kurz nach Wien zur „Zeit im Bild“. Da habe ich für ihn herausverhandelt, dass er eine höhere Gruppe kriegt, weil ich gesagt habe, warum soll er jetzt nach Wien gehen, nur weil ihr dort einen Schwarzen braucht's?

Er galt also damals schon als Schwarzer?

Als bürgerlich. Na gut, er kam aus Niederösterreich. Aber er ist kein verbissener Bürgerlicher. Er ist bei mir in Niederösterreich nie durch eine Partei etwas geworden. Später war etwa Elmar Oberhauser (damals Informationsdirektor, Anm.) sehr hinter ihm her, wobei Oberhauser nicht dafür bekannt war, sich ausgewiesene Parteileute zu holen. Aber ein wesentlicher Grund, warum ich seine Kandidatur begrüße, ist auch: Es gab zwei Perioden mit Wrabetz als Chef, eine dritte wäre zu viel. Der ORF ist kein Erbhof.

Hat Wrabetz keinen guten Job gemacht?

Das will ich so gar nicht beurteilen. Er hat sich mit seinem Team sicher sehr bemüht. Trotzdem wäre es More of the Same. Und jetzt gibt es die Möglichkeit, dass jemand einen neuen Impuls setzt.

Wäre es gut, wenn sich noch weitere Kandidaten aufstellen?

Natürlich, ein Zweikampf ist nicht erhellend.

Sie haben spitz bemerkt, der Stiftungsrat ist ja angeblich „ein unabhängiges“ Gremium. Sie wissen, dass das nicht stimmt. Die Vertreter werden u.a. von Parteien, der Bundesregierung und Ländern beschickt. Vor der Generalswahl werden gerne Deals gemacht. Verstehen Sie den Vorwurf der Bürger, dass im ORF gepackelt wird?

Es kommt immer darauf an, was man unter Packeln versteht. Ich habe immer gesagt, Interventionen sind grundsätzlich nichts Verbotenes, man muss sie ja nicht erfüllen. Man kann darüber nachdenken, denn eine Intervention kann auch berechtigt sein. Dann ist die Frage, was man für richtig hält.

Was haben Sie damals Stiftungsräten versprochen vor Ihren Wahlen? 

Bei der ersten Wahl hat es ganz wenige Gespräche mit Stiftungsräten gegeben. Ich habe mit einigen gesprochen, mich vorgestellt und habe gesagt, warum ich glaube, dass ich das kann. Und ich habe mit allen „Farben“ gesprochen. Es gab da ganz unterschiedliche Reaktionen. Ein schwarzer Stiftungsrat zum Beispiel, hat mich nicht gewählt, obwohl er sogar aus meiner Heimat Tirol war. Und umgekehrt war die SPÖ-Stiftungsrätin Brigitte Kulovits-Rupp nicht automatisch gegen mich. Natürlich am Schluss zählt die Frage, wer bestimmt.

Grasl will die Information stärken und wieder einen Informationsdirektor für das Fernsehen einführen. Eine gute Idee?

Ich halte das für eine sehr gute Idee.

Das wäre eine Rückkehr zum System Lindner/Mück. (Mück war unter Lindner umstrittener TV-Chefredakteur, Anm.)

Das war nicht das System Lindner oder Mück. Es hat früher immer einen Informationschef gegeben. Das war schon unter Gerd Bacher so. Das gibt es meiner Erinnerung nach erst seit der Ära Wrabetz, dass es einen Fernsehdirektor für alle Bereiche gibt. Kathrin Zechner (aktuell ORF-Fernsehdirektorin, Anm.) ist sicherlich eine hervorragende Programmmacherin, aber in der Information ist es schwierig, wenn man nie als Journalist gearbeitet hat.

Wrabetz betont, er wolle verhindern, dass es zu einer Rückkehr der Ära Mück kommt. Hätten Sie Mück stärker in die Schranken weisen sollen? Es gab immer wieder die Vorwürfe, er würde auf Zurufe der Parteien und besonders der damaligen Kanzlerpartei ÖVP reagieren.

Aber kein Mensch kann das beweisen. Man kann Hundert Mal sagen, er habe ein Moltofon in seinem Büro gehabt. (Ausdruck für direkten Draht zu Wilhelm Molterer, damals ÖVP-Klubchef) Aber wer war dabei? Ich nicht.

Die ORF-Redakteure sagen aber, Sie können sich heute freier in der Information bewegen als damals.

Dass das eine Frage der Führung ist, ist unbestritten. Dass Werner Mück einen sehr harten Kurs verfolgt hat, der da und dort nicht geschätzt wurde, auch von mir nicht, mag sein. Mück hatte immer eine ausgewogene politische Meinung, er war zwar ein ausgewiesener Bürgerlicher, aber fachlich konnte man ihm nie etwas vorwerfen. . Daraufhin hat man sich auf die menschliche Kritik verlegt. Es wünscht sich jeder einen freundschaftlich-vertrauensvollen Umgang. Aber ich glaube, dass damals ein Graben durch die Redaktion gegangen ist.

"Bunte Vögel wird es immer geben"

Es gab zuletzt gehäuft Kritik an ORF-Redaktionen, etwa rund um die Recherche der Israel-Reise von Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer und den Solo-Auftritt von Werner Faymann in „Im Zentrum“ und immer wieder an einzelnen ORF-Redakteuren, die auf Twitter zu stark ihre Meinung äußern. Manche Stiftungsräte wünschen sich da eine stärkere Hand. Ist das berechtigt?

Bunte Vögel wird es immer geben, die soll es auch geben. Persönlichkeiten, die Ausreißer sind, hält ein Unternehmen schon aus. Die Frage ist nur, wie hoch ist die Toleranzschwelle, die jeder sich selber setzen muss. Im Falle des von Ihnen erwähnten Moderators muss sie verdammt hoch sein. Es ist so verführerisch, man sitzt dort und ist der Chef im Ring und der Interviewpartner sitzt dort und ist letztlich ein armes Würschtel. Die Interviewpartner kommen freiwillig, haben nicht immer eigene Interessen und haben das Recht fair behandelt zu werden. Ich weiß ja, wie das war, als ich mein unnötiges politisches Abenteuer gestartet habe. Ich wurde von der Reaktion sehr gedrängt in die "ZIB2" zu kommen und ich dachte, eigentlich bin ich das irgendwie schuldig, dass ich mich da einmal hinein setze. Und da sitzt dann vor dir ein Moderator und spielt letztlich seine Position geradezu missbräuchlich aus.

Sie meinen Armin Wolf. Haben Sie sich so schlecht behandelt gefühlt von ihm bei diesem „ZiB2“-Interview?

Das war ein Skandal. Es ist vor allem dieses Nichtrespektieren des Interviewpartners. Das gibt es aber häufig, dass man aus dem Gegenüber unbedingt eine Antwort herauspressen will, die dem Moderator passt.

Gut, das ist der Interview-Stil einzelner Moderatoren, den ein Informationsdirektor nicht automatisch verändern kann.

Doch, das ist eine Frage der Hygiene. Ein Moderator ist ja kein Staatsanwalt und das Interview ist kein Verhör. Ganz objektiv kann niemand sein, es kommt immer die persönliche Meinung durch. Das weiß auch jeder. Aber ich kann doch nicht meine vorgefertigte Meinung durchziehen um jeden Preis. Ich glaube, dass es im ORF Moderatoren gibt, die bei den Fernsehkonsumenten nicht mehr so gut ankommen. Und ein Informationschef kann das Klima sehr wohl beeinflussen.

Was raten Sie Wrabetz und Grasl, wie sie sich jetzt in dieser heiklen Wahlkampfzeit verhalten sollen?

Ich nehme an, dass beide nicht wirklich erpicht sind auf meinen Rat. Aber man hat beschlossen, sich nicht zu verloben, trotzdem kann man weiter Haltung bewahren. Ich habe mit Alexander Wrabetz immer ein ordentliches Verhältnis gehabt, auch nach der Wahl. Wir haben uns nicht die Augen ausgekratzt. Ein beleidigtes Gesicht zu machen, wäre mir damals nicht eingefallen.

Wie steht der ORF zehn Jahre nach dem Sie ihn als Chefin verlassen haben da?

Ich kann das nur von Außen beurteilen, weil mir jede Innensicht fehlt. Von Außen schlägt er sich ganz wacker.

Sie haben Ihren „unnötigen Ausflug in die Politik“ erwähnt und damit Ihr Nationalratsmandat für das Team Stronach und schließlich als Unabhängige gemeint, das sie sehr bald zurückgelegt haben.

Das hätte ich mir schenken können. Ich habe das mit vor allem humitären Vorsätzen gemacht, aber es hat mir keine Freunde eingetragen, sogar meine Familie hat streckenweise mit mir gebrochen.

Sie haben unheimlich viel Gegenwind dafür bekommen. 

Das hat mich sehr überrascht. Vor allem, weil es gezeigt hat, was so ein shitstorm anrichtet

Damals haben Menschen aus Ihrem Umfeld gesagt, der Hass Ihrer Gegner würde Sie erst richtig antreiben.

Das kann ich nicht bestätigen. Ich hatte konkrete Pläne und bin von vielen Leuten ermuntert worden, dieses Mandat zu übernehmen. Weil man gewusst hat, dass ich humanitäre Anliegen vertrete. Und dann waren eben die Voraussetzungen nicht gegeben und es hat sich herausgestellt, dass es über meine Position im Team Stronach tiefgreifende Missverständnisse gibt aufgrund derer ich das Mandat nicht antreten wollte. Ich habe dann aber geglaubt als unabhängige Mandatarin wirklich etwas bewirken zu können. Das war ein Irrtum.

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