Bornemann: „Der ORF-Wahlkampf war noch nie so öffentlich“

Redakteursvertreter und Vize-Chef der „ZiB“-Wirtschaft: Bornemann.
Redakteursvertreter und Vize-Chef der „ZiB“-Wirtschaft: Bornemann. (c) ORF
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Die Redakteure im ORF fordern kurz vor der Bestellung des neuen Generaldirektors eine Reform des Stiftungsrates und eine Stärkung ihrer Mitspracherechte. Künftig wollen die Informationsabteilungen offensiv mit ihren Fehlern umgehen und diese transparent machen.

Die Wahl für den ORF-Generaldirektor geht in die finale Phase. Heute, Donnerstag, endet um Mitternacht die offizielle Bewerbungsfrist. Nachnominierungen können bis Montagmittag eingebracht werden. Bisher haben nur der von der SPÖ unterstützte, aktuelle ORF-Chef Alexander Wrabetz und der von der ÖVP favorisierte Finanzdirektor Richard Grasl erklärt, sich für das Amt zu bewerben.
Die Anspannung innerhalb der Belegschaft steigt dieser Tage - vor allem je weiter man die Hierarchieleiter hinaufblickt. Dieter Bornemann, Vize-Ressortchef der Wirtschaftsredaktion der "Zeit im Bild", vertritt als Vorsitzender des Redakteursrates die Angelegenheiten der ORF-Redakteure.

Er sagt: „Der Wahlkampf hat noch nie so öffentlich stattgefunden. Das zeigen die Interviewschlachten der Kandidaten, die bis jetzt feststehen. Das ist eine unerfreuliche Situation, weil der Eindruck entsteht, es ist ein Match zwischen ÖVP und SPÖ. Viele Leute haben den Eindruck, es geht darum, welche Partei sich durchsetzt, und nicht, welches Konzept das bessere ist.“ Bornemann will zu den bisher bekannten Vorschlägen der Bewerber Wrabetz und Grasl nicht direkt Stellung nehmen. Er beobachte nur, dass ihre Vorschläge widersprüchlich sind. Man wolle zum einen eine größtmögliche UNabhängigkeit der Redaktionen garantieren - und andererseits die Wünsche der Parteien erfüllen.

Bornemann nutzt die Vorwahl-Zeit, um ein einmal mehr eine der wichtigsten Forderungen der Redakteure an den künftigen ORF-Chef zu formulieren: die Stärkung der Rechte der journalistischen Mitarbeiter. Bisher haben sie nur ein Anhörungsrecht vor der Bestellung von Führungsposten. „Das hat allerdings nur Verzögerungscharakter“, sagt Bornemann. „Wir wollen künftig ein echtes Mitbestimmungsrecht bei der Bestellung von journalistischen Führungskräften.“ Ein solches Recht gibt es auch in Printredaktionen, etwa bei „Presse“ und „Profil“. Zusätzlich soll es die Möglichkeit geben, nach sechs bis zwölf Monaten eine Führungskraft abzuwählen. Allerdings nur in Redaktionen ab einer Größe von 25 Personen und mit einer Mehrheit von 60 bis 75 Prozent. Weiters fordern die Redakteure eine Sicherstellung der Pluralität in der Information. Konkret heißt das, es soll auch in dem ab 2020 geplanten multimedialen Newsroom auf dem Küniglberg keine Einzelperson über alle wesentlichen redaktionellen Inhalte im ORF (Fernsehen, Radio und Internet) entscheiden können. Zudem bekräftigt der Redakteursrat seine Idee, den Stiftungsrat von derzeit 35 auf 15 Mitglieder zu verkleinern. Bundeskanzler Christian Kern ließ kürzlich bei einem Treffen mit dem Redakteursrat anklingen, er sei für eine solche ORF-Gremienreform offen und werde im Herbst entsprechende Schritte für eine solche Reform einleiten.

"Eine Idee wäre, jedes Bundesland darf einen Stiftungsrat entsenden, allerdings mit einer Dreiviertel Mehrheit des Landtages, so dass man ausschließt, dass immer die Landeshauptmann-Partei jemanden ins Gremium schickt. Das ergibt neun Stiftungsräte und der zehnte wird vom Hauptausschuss des Parlaments beschickt. Drei weitere vom Betriebsrat, zwei von der Redakteursvertretung." Zudem fordern die Redakteure, dass die Abstimmung im Stiftungsrat wieder geheim ablaufe und sie wünschen sich, dass die Stiftungsräte einen Nachweis ihrer Qualifikation erbringen müssen.

Dem häufigen Vorwurf von Medien und Gebührenzahlern, der ORF würde in seiner Berichterstattung von Parteien beeinflusst, kontert Bornemann: „Wir machen ordentlichen Journalismus in der ,Zeit im Bild‘. Es sind alle Parteien gleichmäßig unzufrieden mit uns. Das heißt, wir machen schon etwas richtig. Und zu glauben, es liegt am Generaldirektor, wie ein Armin Wolf, eine Susanne Schnabel, eine Lou-Lorenz Dittlbacher und viele andere Kolleginnen und Kollegen auf Sendung agieren, ist falsch.“ Dass der ORF mit der „Zeit im Bild“ um 19.30 Uhr nach wie vor einen Marktanteil von fast 50 Prozent (rund eine Million Zuseher) habe, zeige das Publikumsvertrauen. Vor zehn Jahren habe das ORF-Fernsehen täglich zehn Info-Sendungen mit einer Gesamtlänge von einer Stunde, 20 Minuten produziert – heute seien es 24 Sendungen und eine Gesamtlänge von vier Stunden, 45 Minuten. Zusätzlich habe es im ersten Halbjahr 55, im ersten Halbjahr 2016 über 100 Sondersendungen gegeben.

Redaktion will Fehlerkultur etablieren

Die Redaktion will sich künftig aber auch mehr mit den eigenen Fehlern beschäftigen. Und das habe nichts mit der jüngsten Kritik an der Tempelberg-Berichterstattung rund um Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer zu tun. „Wir überlegen, künftig offensiver mit den eigenen Fehlern umzugehen und etwa auf orf.at eine Liste zu veröffentlichen, mit Dingen, die wir falsch berichtet haben. Ja, auch wir machen Fehler, so wie jeder andere arbeitende Mensch.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2016)

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