"Er will die meiste Macht, die je ein ORF-General hatte"

Austrian State broadcaster head Wrabetz gestures next to Zechner and Grasl after a board meeting in Vienna
Austrian State broadcaster head Wrabetz gestures next to Zechner and Grasl after a board meeting in Vienna(c) REUTERS (Leonhard Foeger / Reuters)
  • Drucken

ORF-Chef Alexander Wrabetz kritisiert vor der Wahl des Generaldirektors seinen Herausforderer Richard Grasl. Beide müssen die Oppositionsvertreter im Stiftungsrat von sich überzeugen. Der Ausgang der Wahl kann Auswirkungen auf die Regierung haben.

Der amtierende ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz übt vor der Wahl des ORF-Generaldirektors am Dienstag Kritik am Geschäftsführungskonzept seines Herausforderers Richard Grasl. "Er will die meiste Macht, die je ein ORF-General hatte. Er will viele Kompetenzen in die Chefetage eingliedern, alles im Team absprechen, alleine entscheiden und letztlich bei Misserfolgen nicht schuld sein", sagte Wrabetz der Gratiszeitung "Heute".

ORF-Chef Wrabetz und Finanzdirektor Grasl sind die beiden aussichtsreichsten Bewerber für den Posten des neuen ORF-Generaldirektors, der vom ORF-Stiftungsrat bestellt wird. Wrabetz wird von der SPÖ unterstützt, Grasl von der ÖVP.

Opposition entscheidet

Die 35 Stiftungsräte wählen den neuen ORF-Chef in offener, nicht geheimer Abstimmung. 18 Stimmen sind für eine Mehrheit notwendig. SPÖ und ÖVP können derzeit auf je 13 Vertreter zählen. FPÖ, Grüne, Neos und Team Stronach haben je einen Stiftungsrat. Die Opposition sowie der Unabhängigen sind damit die Zünglein an der Waage.

Wen die Oppositionsvertreter wählen werden, verrieten sie bis dato nicht. Am Dienstag fand ein inoffizielles "Hearing" mit den Oppositionsvertretern des Stiftungsrates statt.

Grasl will auch die Technik und die Finanzen

Für die ORF-Mitarbeiter geht es vor allem darum, welcher Kandidat mehr Einfluss auf Entscheidungen nehmen kann. Grasl will die Technik- und die Finanzdirektion auflösen und der Generaldirektion unterstellen. Wichtige Entscheidungen will er in der Geschäftsführung nach dem Vieraugenprinzip treffen. Damit läge bei ihm besonders viel Macht, weil er sowohl über Technik, Geld und - im Vieraugenprinzip - auch über Personal entscheiden würde. Den Programmdirektoren selbst bliebe nicht mehr viel Spielraum für eigenmächtige Entscheidungen, so die Befürchtung.

Wrabetz wiederum will die Letztverantwortung über die Information haben, was viele nicht optimal finden. Im Mittelpunkt seiner Strategie steht nämlich eine sogenannte Channel-Struktur: es soll eigene Channel-Manager und Chefredakteure für ORFeins, ORF 2, ORF III, Ö1, Ö3, FM4 und ORF Online geben. Diese berichten an den Generaldirektor und sind organisatorisch dort angesiedelt.  Auch bei Grasl sollen die einzelnen Kanäle eigene Chefredakteure bekommen. Sie unterstehen allerdings den einzelnen Fachbereichsdirektoren.

"Brutalster Zugriff auf ORF-Information"

"Wrabetz' Konzept bedeutet den brutalsten Zugriff auf die Information und die Redaktionen, den es jemals in der Geschichte des ORF gegeben hat", sagte Grasl am Donnerstag zur APA, wie bereits zuvor im "Presse"-Interview. "Ich warne eindrücklich davor, das Konzept, dass alle Chefredakteure einem Generaldirektor als Super-Informationsdirektor unterstellt sind, umzusetzen. Wer diese Struktur einmal in die Hände bekommt, kann unendlichen Druck auf die Redaktionen ausüben."

Allerdings herrscht unter den Mitarbeitern die Ansicht, dass Wrabetz sich in den vergangenen zehn Jahren nie in den journalistischen Alltag eingemischt habe. Die großen Wünsche der Parteien hat er immer nur in seinen Bereichen, bei Personalbesetzungen erfüllt.

"Das artet in Wahlkampf aus"

Grasl sparte in seinem Konzept nicht an Kritik am derzeitigen ORF - was wiederum Wrabetz, der den Öffentlich-Rechtlichen immerhin seit zehn Jahren leitet, sauer aufstößt. "Das artet ein bisserl in Wahlkampf aus. Plötzlich sind wir in 'finanziellen Turbulenzen','ORF eins ist eine Baustelle' und 'Ö3 kein Radio für Junge' mehr. Wenn jemand sagt, Ö3 ist nicht jung, ist das falsch", sagt der amtierende Generaldirektor. "Der Sender ist absolute Nummer eins - auch bei den Jungen. Und wenn Kronehit mit viel Musik hier ebenfalls Erfolg hat, können wir ihnen deshalb ja nicht die Luft zum Atmen abschneiden."

Beide planen im Falle ihrer Bestellung zum Generaldirektor Änderungen in der Strategie der ORF-Radioflotte. Wrabetz legt den Schwerpunkt der Nachjustierungen bei Ö1 an, Grasl bei Ö3 und FM4. Das Hitradio Ö3 sehen beide Bewerber zunehmend unter Druck.

"Falsch, aus FM4 ein zweites Kronehit zu machen"

Grasl will vor allem FM4 nach dem Vorbild von BBC Radio 1 zu einem in der Hörerakzeptanz jungen Radio umbauen. Das hält Wrabetz für falsch. "Den bekommen wir erstens nie genehmigt. Und es wäre auch falsch, aus FM4 ein zweites Kronehit zu machen", sagte der ORF-General.

Für die "Süddeutsche Zeitung" hat die ORF-Wahl auch das Potenzial, einen "politischen Erdrutsch auszulösen". Zumindest wenn ÖVP-Mann Grasl gewinnen sollte, wie Cathrin Kahlweit in der Donnerstag-Ausgabe der Zeitung schreibt. Sollte der ORF-Chef mit schwarz-blauer Kooperation an die ÖVP gehen, könnten die Zeichen auf Neuwahlen stehen. Und aus dieser könnte eine möglichen ÖVP-FPÖ-Koalition hervorgehen.

(APA/Red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

ORF-STIFTUNGSRAT MIT WAHL DES ORF-GENERALDIREKTORS: GRASL
Medien

Politischer Tauschhandel im ORF

Gibt es kein Fairnessabkommen zum ORF, dürften ÖVP und ORF-Chef einander das Leben schwer machen.
Medien

ORF-Wahl: Grasl will Gebührenerhöhung noch durchbringen

Obwohl er Alexander Wrabetz in der Wahl des ORF-Generaldirektors unterlag, will Richard Grasl "seine" Stiftungsräte von der Notwendigkeit einer Gebührenerhöhung überzeugen.
´WIR STAATSK�NSTLER´: SCHEUBA / MAURER / PALFRADER
Medien

„Staatskünstler“ fechten ORF-Wahl an

„Wir wollen uns an bisher erfolgreichen Wahlanfechtungen orientieren“, sagt „Staatskünstler“ Florian Scheuba. Er will die Wahl vor die Medienbehörde Komm­Austria bringen.
Medien

ORF-Wahl, Teil zwei: Direktoren gesucht

Am 15. September werden neun Landes- und vier Bereichsdirektoren bestellt. Veränderungen gibt es kaum.
ORF-STIFTUNGSRAT MIT WAHL DES ORF-GENERALDIREKTORS: WRABETZ
Medien

ORF-Direktoren: Zwei Fixstarter und zwei Neue?

Nach der Wahl des Generaldirektors wurden die Direktorenposten ausgeschrieben: Wrabetz sucht vier Direktoren für das ORF-Zentrum und neun Landesdirektoren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.