Rechts an Fox News vorbei

Der Flammenwerfer: Steve Bannon, der bisherige Chef von Breitbart News, ist nun Donald Trumps Kampagnenleiter.
Der Flammenwerfer: Steve Bannon, der bisherige Chef von Breitbart News, ist nun Donald Trumps Kampagnenleiter. (c) Reuters/Carlo Allegri
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Links ankern, nach rechts schwenken: Breitbart News nutzt die Schwächen etablierter Medien und wurde so die führende Plattform der zornigen Rechten.

Am 22. April 2011 machte Andrew Breitbart, der Gründer der gleichnamigen rechtspopulistischen Medienwebsite, während einer Sendung von Fox News eine Prophezeiung, die sich fünf Jahre später bewahrheiten sollte. „Berühmtheit ist alles in diesem Land“, erklärte er während einer Diskussion der schon damals aufkeimenden präsidentiellen Ambitionen des Immobilienspekulanten und Selbstvermarkters Donald Trump. Trump sei zwar „kein Konservativer“, gab Breitbart zu bedenken. Doch die Republikaner würden den amerikanischen Zeitgeist auf für sie fatale Weise verkennen. „Wenn diese Leute nicht lernen, wie man so mit den Medien spielt, wie es Barack Obama im vorigen Wahlzyklus getan hat und Donald Trump es nun tut, werden wir möglicherweise einen Celebrity-Kandidaten bekommen.“

Nicht einmal ein Jahr später raffte ein Herzinfarkt Breitbart dahin. Könnte er sehen, was aus seiner im Jahr 2005 als bloße Onlinesammlung von Nachrichten gegründeten Firma geworden ist, wäre er ebenso beglückt wie bestürzt. Denn Breitbart News hat konservative Onlinemedien wie das „Independent Journal“, „Blaze“, den „Washington Free Beacon“, „Red State“ und den „Daily Caller“ überholt. 18,3 Millionen Besucher verzeichnete breitbart.com im Juli: um 40 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, berichtete die „New York Times“. Breitbart News ist heute die führende Stimme des zornigen rechten Rands der Konservativen und insofern der größte Herausforderer von Fox News. „Paul Ryan wurde in einer Petrischale in der Heritage Foundation gezüchtet“, ätzt man in der Redaktion beispielsweise über den republikanischen Sprecher des US-Abgeordnetenhauses und den marktliberalen Thinktank.

Doch dieser Erfolg ist um den Preis erkauft, sich Trumps Wahlkampagne komplett gefügig gemacht zu haben. Die Bestellung von Steve Bannon, der nach Breitbarts Tod die Unternehmensführung übernommen hatte, zu Trumps Wahlkampfchef setzte am vergangenen Mittwoch den Schlussstein auf eine erstaunliche publizistische Unterwerfung. „Donald Trump beschämt seine Zweifler: In meinem Leben ging es immer nur ums Gewinnen“, lautet beispielsweise die Überschrift eines ausgesucht huldigungsvoll geführten Interviews mit dem Kandidaten. Als die Breitbart-Journalistin Michelle Fields im März bei einer Kundgebung von Trumps damaligem Kampagnenleiter Corey Lewandowski niedergerissen wurde und ihn wegen Tätlichkeit anzeigte, veröffentlichte Breitbart News mehrere Artikel, welche die Aussagen der eigenen Mitarbeiterin in Zweifel zogen. Fields kündigte, ein Dutzend weiterer Journalisten folgte im Protest gegen die Anbiederung an Trump.


Weiner-Würstel, Clinton-Cash.
Bisweilen liest sich die Kolportage der Redaktion, wie ein Trump diktiert: verbrecherische Einwanderer, Rassenunruhen, der allgegenwärtige Islamische Staat, unfähige und korrupte Bürokraten, der allgemeine Sittenverfall.

Doch Breitbart News hat auch eine Gruppe hartnäckiger Reporter, die, fast durchwegs jünger als 30, dorthin gehen, wohin sich viele etablierte Medien nicht hintrauen. Im Jahr 2011 zum Beispiel observierte die Redaktion rund um die Uhr den Twitter-Account des mit Hillary Clintons Assistentin Huma Abedin verheirateten Kongressabgeordneten Anthony Weiner, der gern schlüpfrige Botschaften mit jungen Frauen austauscht. Rasch fanden sie den ominösen Tweet, mit dem der damalige Kandidat für das Bürgermeisteramt von New York ein Foto seines Glieds in der Unterhose an eine Studentin schickte. Weiners politische Karriere war damit auf Dauer beendet, und selbst die „Daily Show“ von Jon Stewart, dem linksliberalen Säulenheiligen, ergötzte sich an dieser Episode.

Die Breitbart-Mannschaft muss sich vorwerfen lassen, dass sie ideologisch getriebenen Kampagnenjournalismus betreibt. Aber sie ist auch sehr fleißig. Flankiert wird sie von der diskreten Aufdeckerarbeit des 2012 gegründeten Government Accountability Institute (GAI), das fernab der politischen und medialen Aufmerksamkeit in Tallahassee, der Hauptstadt von Florida, ansässig ist. Verdeckt finanziert vom konservativen Hedgefonds-Milliardär Robert Mercer und unter der Führung von Peter Schweizer, der während des Kalten Kriegs für konservative Thinktanks die Sowjetunion erforschte, werden hier akribische Dossiers über Amtsmissbräuche angelegt. Diese Materialien werden dann gezielt renommierten Medien zur Veröffentlichung übergeben. „Newsweek“, ABC News, und das investigative Programm „60 Minutes“ von CBS News haben bereits Enthüllungen des GAI publiziert. Der bisher größte Coup war jene Story im Frühjahr 2015 auf dem Titelblatt der „New York Times“, die darlegte, wie der kanadische Minenmagnat Frank Giustra der Familienstiftung der Clintons zweistellige Millionenbeträge spendete, dann den Altpräsidenten Bill Clinton mit seinem Privatjet nach Kasachstan zu einem Dinner mit dessen Herrscher, Nursultan Nasarbajew, flog– und schließlich kasachische Uranschürfrechte zugesprochen bekam. Schweizers Buch „Clinton Cash“, aus dem diese Anekdote stammt, ist ein Jahr später auf Amazon noch immer eines der zehn meistverkauften politischen Bücher.

Die Strategie, Enthüllungsgeschichten linksliberalen Blättern wie der „Times“ zuzustecken, ist Steve Bannons klarem Blick auf die Nöte der Presse geschuldet. „Die moderne Redaktionswirtschaft hat keine Mittel für große investigative Reportermannschaften“, sagte Bannon zu Bloomberg News. Wenn man ihnen eine sauber recherchierte Story zuträgt, greifen sie begierig zu. Wenn ein demokratischer Politiker in einem etablierten Medium angegriffen wird, erreicht man viel mehr Publikum als in der Nische rechter Internetplattformen.

Das kommt letztlich Breitbart News zugute. „Wir waren rund um ,Clinton-Cash‘ nie wirklich die ersten mit einer Story“, sagte Bannon. „Aber wir verlinken zu den Sachen von allen anderen, wir aggregieren, wir ziehen Zeug von den Linken zu uns.“ Bannons Motto lautet „Anchor left, pivot right“, also links ankern, dann nach rechts schwenken. An seinem publizistischen Ziel lässt er keinen Zweifel: „Unsere Vision ist es, eine globale, populistische Nachrichtenseite Mitte rechts gegen das Establishment aufzubauen.“

Breitbart News

Das Breitbart News Network wurde 2007 von Andrew Breitbart gegründet, einst liberaler Publizist aus Los Angeles, der sich mit der Zeit zu einer konservativen Stimme wandelte. Breitbart erlag 2012 einem Herzinfarkt. Seine Seite blieb bestehen und gilt heute als erfolgreichstes rechtspopulistisches Onlinemedium der USA.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2016)

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