Österreichs erstes Privat-TV steht zum Verkauf

ATV
ATV(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Christian Ort)
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ATV war der erste Privat-TV-Sender, der österreichweit on air ging. Doch Gewinne hat ATV nicht gemacht – sondern Verluste in Millionenhöhe. Jetzt will Eigentümer Herbert Kloiber ATV verkaufen.

Es ist eine Entscheidung mit Symbolkraft: Herbert Kloiber, der einst mit Visionen in den österreichischen Privat-TV-Markt gestartet war, will nicht mehr. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ erklärte Kloiber: „ATV war mein größter Fehler.“ Nachdem der Sender Verluste in zweistelliger Millionenhöhe angehäuft hat, will Kloiber ihn nun verkaufen, bevor er die Geschäfte zu seinem 70. Geburtstag in gut einem Jahr seinem Nachfolger übergibt. „Ich will meinem Sohn mit ATV kein Danaergeschenk machen.“

Warum ist ATV für Kloiber heute ein Trojanisches Pferd, das er vor der Übergabe noch schnell aus der Firma führen will? Als er 1999 beim lokalen Kabelsender Wien1 einstieg, träumte Kloiber von einem Marktanteil von 15 Prozent. Und: Der Kultur- und Opernfreund wollte das mit qualitätsvollem Programm schaffen. Die nächtlichen Sexfilme verschwanden aus Wien1, ein Jahr nach der Übernahme trug der Sender den Namen ATV (bzw. ATV plus) und war (ab 2003) das erste bundesweit terrestrisch ausgestrahlte Privat-TV-Programm in Österreich.

Doch kein österreichisches RTL

Kloibers Optimismus fußte auf seinen unternehmerischen Erfahrungen, die er unter anderem im Imperium von Leo Kirch gesammelt hatte. Mittlerweile selbst Inhaber einer gut sortierten Filmfirma, hoffte Kloiber darauf, im österreichischen Free-TV, das zuvor allein vom Monopolisten ORF bespielt wurde, ein gutes Geschäft machen zu können. Bei ATV sah man sich gern als eine Art RTL, als dieses noch in den Kinderschuhen steckte – mit viel Wachstumspotenzial. Doch während RTL mittlerweile als größte Umsatzmaschine im Bertelsmann-Konzern gilt, konnte ATV trotz einzelner Erfolgsformate wie „Bauer sucht Frau“ nie abheben. Der österreichische Markt ist nicht nur viel kleiner als der deutsche, er ist auch zäher – und hat (von der Politik durchaus gewollt) noch immer vor allem einen Big Player: den ORF. Auf den kleinen privaten Konkurrenten angesprochen, demonstrierte ORF-General Alexander Wrabetz einmal im Scherz gegenüber der „Presse“ Desinteresse: „ATV? Was ist denn das?“ Doch ganz so uninteressiert war Wrabetz dann auch wieder nicht: Immerhin bekundete der ORF-General z. B. sein Interesse an einer Kooperation oder Beteiligung mit ATV, als die Bawag ihren 43-Prozent-Anteil an ATV verkaufen wollte. Im Jänner 2007 rechnete Kloiber auch noch damit, dass der Sender in eineinhalb Jahren seinen Break-even erreicht haben würde – und kaufte die frei werdenden Anteile schließlich selbst.

Doch die Quoten von ATV blieben dauerhaft im kleinen einstelligen Bereich stecken. Im Juli erzielte der Sender heuer 2,4 Prozent Marktanteil (in der Zielgruppe 12+). Neben ATV mischen mittlerweile noch zwei heimische Privat-TV-Sender mit: Puls 4 (die Österreich-Tochter von ProSiebenSat1) gibt es in seinen Ursprüngen seit Juni 2004 – es erzielte im Juli einen Marktanteil von drei Prozent; Servus-TV ist seit Oktober 2009 on air – mit zuletzt 1,8 Prozent Marktanteil. Der ORF erzielte 31,1 Prozent. Wie schwierig die Lage ist, zeigte sich zuletzt im Mai: Da kündigte das Red Bull Media House an, den Sendebetrieb von Servus-TV aus wirtschaftlichen Gründen einzustellen – Eigentümer Dietrich Mateschitz zog diese Ankündigung zwar am nächsten Tag zurück (nachdem die Mitarbeiter in einer Abstimmung die Gründung eines Betriebsrats abgelehnt hatten) –, stellt aber den Sendebetrieb in Deutschland und der Schweiz ein.

Schieflage auf dem Fernsehmarkt

Die Privatsender in Österreich beklagen seit jeher die Schieflage auf dem TV-Markt. Je länger Kloiber mit ATV (und dem 2011 gestarteten Ableger ATVII) auf dem Markt war, desto mehr schwand seine Hoffnung, dass sich daran etwas ändern könnte. Im September 2009 sagte er in einem „Presse“-Interview auf die Frage, ob er zur ORF-Enquete im Parlament eingeladen sei: „Nein. Ich habe nach 20 Jahren dualer Rundfunkdiskussion meine geschätzten Wortbeiträge schon geleistet.“ Kloiber betonte in den vergangenen Jahren stets, er sei mit ATV „durchaus zufrieden“. Verkaufsgerüchte um den Sender kursieren jedoch schon länger. Bisherige Verhandlungen sind dem Vernehmen nach an zu hohen Preisforderungen Kloibers gescheitert. Hinweise, dass der zur ProSiebenSat1-Gruppe gehörende Sender Puls4 Interesse an ATV haben könnte, wurden dort am Mittwoch nicht bestätigt – aber auch nicht dezidiert dementiert.

ZUR PERSON

Herbert Kloiber, geboren 1947 in Wien, ist promovierter Jurist. Er lernte das Geschäft des Filmhandels bei Medienmogul Leo Kirch. 1977 kaufte er sich bei Tele München ein und entwickelte die Produktionsfirma zu einem integrierten Medienkonzern weiter: Die Tele München Gruppe handelt mit Filmlizenzen, ist an ATV, Tele5 und RTLII beteiligt, betreibt Produktionsfirmen und die Kinokette Cinemaxx. Nächstes Jahr will Kloiber die Geschäfte an seinen Sohn, Herbert L. Kloiber, übergeben – und vorher das verlustbringende ATV verkaufen. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2016)

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