"Wirtschaftsblatt": Stolzer Abschied einer Zeitung

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Am Freitag erschien die letzte Print-Ausgabe der Wirtschaftszeitung. Für die Eigentümer war das "Wirtschaftsblatt" ein Verlustgeschäft, die Leserzahlen waren aber stabil.

Mit der Freitagsausgabe verabschiedet sich die Redaktion des "Wirtschaftsblatts" heute endgültig von seinen Lesern. Die österreichische Wirtschaftstageszeitung, die mit der "Presse" im dritten Wiener Gemeindebezirk die Redaktionsräumlichkeiten teilt, wird nach 21 Jahren des Erscheinens eingestellt.

Das Blatt wurde 1995 gegründet, um als "Anwalt der Wirtschaft" den Österreichern wirtschaftliche Themen im Allgemeinen, die Welt der Klein- und Mittelbetriebe im Besonderen auf leicht verständliche Weise näherzubringen und den sparbuchaffinen Österreichern den Erwerb von Aktien schmackhaft zu machen.

Mit dieser letzten Ausgabe zeigten die "Wirtschaftsblatt"-Redakteure noch einmal ihre geballte Wirtschaftskompetenz und vor allem viel Herzblut für ihre Zeitung. Das Portal wirtschaftsblatt.at wird vorläufig weiter betrieben, um die Möglichkeiten für die Fortführung als reines Digitalangebot auszuloten.

"Qualität kostet Geld" 

Am Titel der letzten Ausgabe läuft Götterbote Hermes, der seit Erscheinen der Zeitung als Logo in den Zeitungstitel integriert war, mit einer Zeitung unterm Arm Richtung "Exit". "Qualität kostet Geld", schreibt darunter "Wirtschaftsblatt"-Chefredakteurin Eva Komarek im letzten Leitartikel. "Die Zeitung ist der Krise der Medienbranche zum Opfer gefallen. Wir sind nicht das erste Opfer, und es ist zu befürchten, dass wir auch nicht das letzte sein werden", so Komarek. Angesichts des Medienwandels hin zur Gratiskultur sieht die Chefredakteurin auch die Konsumenten und Kunden gefordert. "Journalismus ist eine Dienstleistung und kostet Geld. Sonst droht Gleichschaltung auf allen Kanälen zum Einheitsbrei."

"Wirtschaftsblatt"-Gründer Chris Radda befürchtet nach dem Ende der Wirtschaftstageszeitung ein "Vakuum für den Medien- und Wirtschaftsstandort". Radda dementierte, dass das Blatt nie positiv bilanziert habe. "Wir haben nach etwa drei Jahren die Gewinnzone erreicht. Es waren rund sieben Millionen Schilling. Bald darauf hat das aber die Dot-com-Krise relativiert." Die Finanzkrise 2008 hätte der Zeitung weiter zugesetzt. "Weil Banken und Versicherungen seitdem ihre Marketing-Etats deutlich zurückgefahren haben."

"Auf Wiedersehen, werte Leser!"

Gründungs-Herausgeber Jens Tschebull nennt die Einstellung den "Lauf des Lebens". Die Journalisten des "Wirtschaftsblatt" seien nun "Dünger für den Markt. Wer weiß, vielleicht haben zwei von euch die Königsidee, auf die alle gewartet haben." Die letzte Seite ziert schließlich ein Foto der Redaktion. Und: "Auf Wiedersehen, werte Leser!"

Geht es nach den Mitarbeitern und dem Personenkomitee zur Rettung des "Wirtschaftsblatt" soll es zu so einem "Wiedersehen" schon bald kommen. Derzeit gibt es Überlegungen ein neues, unabhängiges "Wirtschaftsblatt" mit neuem Namen zu gründen. Die Suche nach Investoren läuft. In einer aktuellen Aussendung zeigen sich die Mitarbeiter zudem empört darüber, wie die Styria-Konzernspitze den Vorschlag eines Mitarbeiter-Buy-out einfach abgeschmettert habe. Die Styria habe das Angebot nicht ernsthaft geprüft, lautet der Vorwurf.

Jahrelanges Verlustgeschäft

Für die Eigentümer war die Zeitung ein jahrelanges Verlustgeschäft. Wie aus dem Einzelabschluss im Firmenbuch hervorgeht, hat die Wirtschaftsblatt Medien GmbH von 2003 bis 2014 Verluste (EGT) von fast 24 Millionen Euro angehäuft. In diesem Zeitraum gab kein positives Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT).

Styria war ab 2006 Alleineigentümer

Die Verluste, die schwierige Marktlage und der Umstand, dass die Kosten des Betriebs auch künftig nicht vom Markt refinanzierbar sind, waren für die Styria Media Group letztlich der Grund für die Einstellung. Der Grazer Verlagskonzern war seit 2006 Alleineigentümer des "Wirtschaftsblatts". Die Styria übernahm damals die 50 Prozent des schwedischen Medienkonzerns Bonnier. Seit der Mehrheitsübernahme hat die Styria laut Vorstandschef Markus Mair mit dem Blatt 17 Millionen Euro verloren.

Informationen zu den Ergebnissen vor 2003 sind im "FirmenCompass" nicht verfügbar, ebenso sind auch noch keine Ergebnisse aus dem Geschäftsjahr 2015 eingetragen. Die aktuellsten Zahlen stammen aus 2014. Damals wurde bei einem Umsatz von 11,3 Millionen Euro ein Verlust (EGT) von 2,3 Millionen Euro geschrieben, 2013 gab es ein EGT-Minus von 3,9 Millionen Euro, 2012 eines von 2,6 Millionen Euro.

Mit Jahresende 2014 lag das Eigenkapital bei minus 3,2 Millionen Euro. Wie aus den Erläuterungen zur Bilanz hervorgeht, musste die Styria unter anderem eine Forderung über 4,5 Millionen Euro nachrangig stellen, damit keine insolvenzrechtliche Überschuldung vorlag. Die Styria hatte für das "Wirtschaftsblatt" auch eine Verlustabdeckungszusage bis zu einem Höchstbetrag von 5,5 Millionen Euro abgegeben und 2014 rund zwei Millionen Euro zugeschossen.

Stabil am Lesermarkt

Am Lesermarkt verliefen die letzten Jahre vergleichsweise stabil. Wochentags wurde die Tageszeitung mit Schwerpunkt auf Wirtschaft und Finanzen im Vorjahr laut Zahlen der Media Analyse von insgesamt 82.000 Personen gelesen. Damit lag das "Wirtschaftsvlatt" österreichweit gesehen bei 1,1 Prozent Reichweite, die Freitagsausgabe kam auf 1,2 Prozent.

Für das zweite Halbjahr 2015 meldete die Zeitung noch einen Abo-Anstieg um 16 Prozent auf 16.060 Exemplare. Die verkaufte Auflage lag da laut ÖAK (Österreichische Auflagenkontrolle) bei 20.380 Stück. Unter den Lesern zählten 28,9 Prozent zu den Alleinentscheidern. Unter den Bestverdienern mit einem Nettoeinkommen von 4.000 Euro oder mehr schaffte das "WirtschaftsBlatt" eine nationale Reichweite von 6,3 Prozent.

Erst Dienstag bis Samstag, dann Montag bis Freitag

"Österreichs Tageszeitung für Wirtschaft und Finanzen", die zuletzt zwei Euro kostete, erschien zuletzt börsentäglich von Montag bis Freitag, in früheren Jahren erschien die Zeitung von Dienstag bis Samstag. Wichtige Ressortseiten lauteten auf "Unternehmen & Märkte" (mit Osteuropa- und International-Schwerpunkten), "Finanzen & Börse" oder "IT-Business". Auch Meinungsseiten und ein "Businesstalk" sowie ein Nachrichtenüberblick wurden gedruckt.

"Die Presse" baut Wirtschaftsteil aus

Ab 2013 begann die Styria ihre Bemühungen, "Presse" und "Wirtschaftsblatt" enger zu verzahnen, um Synergien auf der Kostenseite zu heben. In der Wirtschaftsberichterstattung setzt die Styria nun ganz auf die "Presse". Diese wird als erweitertes Angebot für alle Wirtschaftsinteressierten ab kommendem Montag ihren Wirtschaftsteil, "Economist", ausbauen und sich auch verstärkt dem Standort Österreich und dem Service für Kleinanleger widmen.

(APA/Red.)

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