Wie "House of Cards" im Vatikan

The Young Pope
The Young Pope(c) Wildside/Haut et Court TV/Mediapro/Sky
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Jude Law verkörpert in der neuen Serie „The Young Pope“ den fiktiven, kettenrauchenden und unberechenbaren Papst Pius XIII. Das Gedankenexperiment des italienischen Regisseurs Paolo Sorrentino ist vorrangig etwas für Bildästheten.

Es ist eine schrecklich-schaurige Innensicht des Lebens im Vatikan, die uns der italienische Regisseur Paolo Sorrentino liefert. Sein Papst Pius XIII., der erste Amerikaner im höchsten Amt der katholischen Kirche, angelt sich kurz nach Amtsantritt jenen Priester, der allen Kardinälen die Beichte abnimmt. Dieser freundliche ältere Herr soll ihm ab sofort genau rapportieren, was sich die Kirchenmänner im roten Gewand im Beichtstuhl von der Seele reden. Mit der so erlangten Information erpresst der Papst sein Gefolge fortan.

Dieser fiktive Papst Pius XIII., gespielt von Jude Law, ist nicht nur verboten jung und schön (gleich zu Beginn bekommt der Zuseher dessen nackten Popo zu Gesicht), sondern auch verdammt unberechenbar. Dass er in Kette raucht, obwohl sein Vorvorvorgänger, Johannes Paul II. das Rauchen im Vatikan einst untersagt hat, sagt allerdings weniger über ihn als über den Wandel der Gesellschaft aus. Ein rauchender Papst wäre vor 30 Jahren vermutlich kein Skandal gewesen. Doch bei Sorrentino ist die Nikotinsucht bloß ein Vehikel, um die Unberechenbarkeit der Hauptfigur sichtbar zu machen.


Nicht im Vatikan gedreht. Die zehnteilige Miniserie „The Young Pope“ ist eine Gemeinschaftsproduktion der Bezahlsender HBO, Canal+ und Sky. Sorrentino verriet bei der Deutschland-Präsentation in der Zwinglikirche in Berlin-Friedrichshain, dass ihm der Vatikan vor den Dreharbeiten jegliche Zusammenarbeit zugesichert hatte. Er habe aber gewusst, wie er dieses Angebot zu interpretieren habe: „Dass es keinerlei Hilfe geben wird.“ Und genau so war es.

Gedreht wurde schließlich in italienischen Palästen und Kirchen, nur eine Szene entstand in der Sixtinischen Kapelle. Doch der Bildstärke tut das keinen Abbruch. Wer Sorrentino von Filmen wie dem Oscar-gekrönten „La Grande Belezza“ kennt, weiß, was er erwarten kann: Pompöse Bilder, glatte Schnitte, dramatisch-schöne Musik. Manchmal grenzt das schon an Kitsch. Erträglichen Kitsch. Die Schwächen dieser Serie zeigen sich eher bei Drehbuch und Darstellern. Jude Law gibt einen unnahbaren Papst, so unnahbar, dass man ihn kaum zu fassen bekommt. Einer, der zum Frühstück nur Cherry Coke Zero trinkt und die entzückende Nonne, die für ihn kocht, so hart schimpft, dass sie weinen muss.

„The Young Pope“ ist keine klassische Serie, dafür gibt es zu wenige Erzählstränge, sondern ein zehnteiliger Film. Der am stärksten ist, wenn wortlos der vatikanische Alltag geschildert wird. Kardinäle gierig frühstücken, Nonnen Fußball spielen, ein Arzt einem Mönch eine Spritze setzt.

Reizvoll ist das Gedankenexperiment, das Sorrentino hier ausführt: Wie wäre es, wenn der Papst völlig anders agieren würde als von ihm erwartet? In der Eröffnungssequenz hält er eine skandalöse erste Rede auf dem Balkon des Petersdoms. Dabei fragt er die anwesenden Gläubigen, die den Hübschen Popstar-gleich verehren: „Worauf haben wir vergessen?“ Um gleich darauf eine verstörende Antwort zu geben: „Wir haben vergessen zu masturbieren, gleichgeschlechtliche Ehen zu feiern, uns scheiden zu lassen.“ Doch diese Rede war nur geträumt. Erst am Ende der zweiten Staffel steht er wirklich auf dem Balkon, im Dunklen, weil er sein Antlitz nicht zeigen will, und ruft: „Ihr habt Gott vergessen. Und Gott ist nicht an uns interessiert, solange wir nicht an ihm interessiert sind.“ Erst wenn sie Gott wieder gefunden haben, werden sie vielleicht auch ihn sehen können.

Nicht nur diese Worte sorgen im Vatikan für Aufregung, auch, dass er seine Ziehmutter, Schwester Maria (ebenfalls unnahbar gespielt von Diane Keaton, die zum Schlafen ein T-Shirt mit der Aufschrift trägt: „I'm a virgin, but this is an old shirt“), als erste Frau zu seiner Sekretärin macht. Die Kardinäle erkennen rasch, dass sich der neue Papst nicht so leicht manipulieren lässt wie angenommen. Intrigante Kardinäle, ein enttäuschter Mentor, eine aalglatte PR-Beraterin – Papst Pius XIII. bläst ihnen allen unbeeindruckt Zigarettenrauch ins Gesicht. Das ist wie „House of Cards“ im Vatikan. Und Gott spielt dabei nicht einmal eine Nebenrolle.
Ein Interview mit Hauptdarsteller Jude Law lesen Sie auf Seite 40.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2016)

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