„The People v. O. J. Simpson“: Über Moral sprach niemand

Nach einer wahren Geschichte. Der Mordprozess gegen O. J. Simpson wird in „American Crime Story“ mit vielen Stars nacherzählt. Cuba Gooding Jr. (3. v. r.) spielt den Angeklagten, John Travolta (r.) dessen Anwalt, David Schwimmer (2. v. l.) dessen engen Freund.
Nach einer wahren Geschichte. Der Mordprozess gegen O. J. Simpson wird in „American Crime Story“ mit vielen Stars nacherzählt. Cuba Gooding Jr. (3. v. r.) spielt den Angeklagten, John Travolta (r.) dessen Anwalt, David Schwimmer (2. v. l.) dessen engen Freund. (c) FX Networks
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„The People v. O. J. Simpson“ erzählt nicht bloß den spektakulären Mordprozess rund um den Footballstar nach. Sondern setzt Kriminalfall und Prozess in die richtige Perspektive.

Kaum zu glauben, aber es gab eine Zeit, in der Menschen auf den Namen O. J. Simpson mit der Frage „Wer?“ reagierten. Dass Staatsanwältin Marcia Clark bis zum 13. Juni 1994 noch nie etwas von dem damals schon sehr bekannten Footballspieler und Gelegenheitsschauspieler gehört hatte, verriet nur ihr Desinteresse an Sport. Kurz darauf wäre ihre Reaktion anders ausgefallen. Jeder Amerikaner kannte plötzlich diesen Namen. Warum, das muss man auch zwanzig Jahre später niemandem mehr erzählen. Scott Alexander and Larry Karaszewski, das Schreibduo der Serie „American Crime Story“, wollten ihre True-Crime-Anthologie trotzdem mit dem „Prozess des Jahrhunderts“ beginnen.

Immerhin haben sie sich nicht darauf beschränkt, den Prozess nachzuerzählen. Im Groben geht das ja schnell, kompliziert wird es erst im Detail: Am 13. Juni 1994 wurden Simpsons Exfrau Nicole Brown und ihr Bekannter Ronald Goldman durch Messerstiche ermordet aufgefunden. Simpson galt u. a. wegen Blutspuren in seinem weißen Jeep schnell als Tatverdächtiger und wurde wegen zweifachen Mordes angeklagt, nach einem aufsehenerregenden Prozess aber strafrechtlich freigesprochen und zivilrechtlich zu einem Schadenersatz in Höhe von 33,5 Millionen Euro verurteilt.

Anders als in der Doku-Serie „How to Make a Murderer“ wird hier nicht am Prozessausgang gezweifelt und werden keine realen Personen gezeigt. Im Gegenteil, die erste Staffel von „American Crime Story“ (eine zweite ist bereits in Planung und soll kurz nach dem Hurrikan Katrina 2005 spielen) wartet mit einem beeindruckenden Cast auf. Cuba Gooding Jr. spielt O. J. Simpson aufbrausend, selbstgefällig und nervös. John Travolta ist als Simpsons Verteidiger Robert Shapiro in seiner ersten größeren Serienrolle zu sehen. „Friends“-Darsteller David Schwimmer gibt Simpsons engen Berater Robert Kardashian.

Zurück in das Amerika der 1990er

Das Ensemble spielt hier nicht bloß einen echten Kriminalfall nach, sondern führt uns zurück in das Amerika der Mittneunziger. Als das Livefernsehen geboren wurde (und etwa die Verfolgungsjagd von O. J. Simpson aus dem Hubschrauber zeigte), Boulevardblätter Zeugen bestachen und Möchtegernstars wie die Familie Kardashian geboren wurden. Was nur wenigen bekannt gewesen sein dürfte: Simpsons enger Freund und Anwalt Kardashian ist der mittlerweile verstorbene Vater der heute in den USA durch Reality-Soaps berühmt gewordenen Skandalfamilie Kardashian. Seine Tochter Kim ist mit dem Rapper Kayne West verheiratet.

Die Macher der Serie erheben sich nicht zu Richtern über Simpson, die Staatsanwälte oder die Geschworenen. Sie setzen den Mordprozess bloß in Perspektive. Dass hier ein Schwarzer des Mordes an zwei Weißen verdächtigt und von Weißen verhaftet, angeklagt und verteidigt wurde, spielte rückwirkend durchaus eine Rolle für den Ausgang des Prozesses. Die aufgeheizte Stimmung, in der sowohl Rassismus blühte als auch umgekehrt bloße Kritik schnell als Rassismus ausgelegt wurde, schildert die Serie treffend. Und sie lässt uns nicht vergessen, dass es in diesem Prozess nicht um Gerechtigkeit oder Wahrheit gegangen ist, sondern darum, wie man einen Prozess führt. Anwalt Shapiro sagte erst im Sommer 2016 zu Megyn Kelly auf Fox, in jedem Fall gäbe es eine moralische und eine prozessuale Gerechtigkeit. Die prozessuale sei eingetreten, über die moralische habe er nie geredet. Außer mit seiner Frau.

O. J. Simpson wird in diesem Jahr 70. Er sitzt seit 2008 seine Haftstrafe wegen eines bewaffneten Raubüberfalls ab. Es könnte sein, dass er 2017 vorzeitig entlassen wird.

„The People v. O. J. Simpson“: ab 6. 1. jeden Freitag um 21 h, Sky Atlantic und abrufbar auf Sky Ticket.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2017)

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