Der Herr Generalintendant: Kleiner Mann, ganz groß

Gerd Bacher
Gerd BacherAPA/BARBARA GINDL
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Vor 50 Jahren begann der sensationelle Aufstieg des Österreichischen Rundfunks zu einer europäischen Sendeanstalt von Format. Der erklärte Favorit der parteiunabhängigen Zeitungen, Molden-Geschäftsführer Gerd Bacher, schaffte die Wahl durch das neue ORF-Gesetz.

Wien. Drei Aufzüge hat das Pressehaus in Wien-Heiligenstadt. Zwei befördern in rasender Geschwindigkeit Redakteure, Hilfspersonal, Besucher in eines der fünfzehn Stockwerke des Hochhauses. Daneben gibt es einen kleinen Lift, der mit einem eigenen Schlüssel zu bedienen ist. Der fährt direkt in den 16. Stock, ins Dachgeschoß.

Es war im Sommer 1966, als der journalistische Eleve hws ganz dringend in den 14. Stock hinaufmusste, in die Lokalredaktion mit dem Chef Thomas Chorherr. Und gottlob huschte im Foyer gerade ein kleiner Herr in diesen Privatlift. „Darf ich bitte mitfahren, es ist dringend.“ „Wissen S' überhaupt, wer ich bin?“ Nein, man erfuhr es erst während dieser noblen Himmelfahrt: Herr Gerd Bacher, Geschäftsführer des Molden-Verlags. So begann unsere Bekanntschaft. Befreundet wurden wir erst viel später.

Genau dieser quirlige kleine Gerd Bacher war vor fünfzig Jahren bei Journalisten und Politikern Gesprächsthema. Die ÖVP-Regierung unter Josef Klaus hatte soeben das Rundfunkgesetz beschlossen, gesucht wurde nun ein Generalintendant. Der erste für den neu geschaffenen ORF.

Wie kam man ausgerechnet auf Bacher? Der ORF-Insider Helmut Zilk hat stets behauptet, der Journalist Kurt Tozzer und er hätten ihren Freund und Kollegen zur Kandidatur überredet. In typischer Manier im Kaffeehaus. Oder war's das Dubrovnik am Heumarkt? Zilk zur „Presse“: „Da hat es Namen sonder Zahl gegeben, in der Argentinierstraße schwirrte es nur so vor Gerüchten.“ Auch Wolf In der Maur war im Gespräch. Edi Finger senior sah sich schon auf dem Chimborasso seiner Wünsche, denn er war bekannt, er war populär. Bruno Flajnik, Chef der „Wochenpresse“, hatte sich den Spaß gemacht, ihn zu nennen. Doch der Edi nahm das sehr ernst. Auch die ÖVP. Edi Finger wurde ins Büro des mächtigen Generalsekretärs, Hermann Withalm, gebeten, um seine Vorstellungen vorzutragen. „Nix mit moderrner Littteratur“, rief der Sportkommentator in seiner gewohnten Lautstärke: „Göttte, Schiller – dös is Kultur!“

Die Kür Bachers glich einer Zangengeburt. Es gab heftige Vorbehalte, nicht nur bei den Sozialisten (die aber keinen Kandidaten besaßen). Ernst Wolfram Marboe hatte wohl selbst Ambitionen und meinte zu Bundeskanzler Klaus: „Seids ihr wahnsinnig, dieser Grinzinger Heurigenclique wollts ihr den Rundfunk übergeben?“ Klaus ließ sich davon nicht beeindrucken, denn Bacher war der erklärte Liebling der parteiunabhängigen Zeitungen.

Und so wählte am 9. März 1967 der neue ORF-Aufsichtsrat den 41-jährigen Salzburger Journalisten, früheren „Express“-Chefredakteur und nunmehrigen Geschäftsführer des Wiener Molden-Verlags, Gerd Bacher, zum ersten GI. Bacher hatte im Sommer 1945 nach der Matura seine journalistische Laufbahn bei der deutschnationalen „Salzburger Volkszeitung“ gestartet. Er hätte lieber bei den etwas auflagestärkeren „Salzburger Nachrichten“ gearbeitet, wurde aber bei einer Vorsprache vom Redakteur Viktor Reimann hinausgeworfen: „Wir brauchen niemanden, um die Nervosität in dieser Redaktion zu erhöhen!“

Die Nervosität kehrte nun andernorts ein. Nämlich in der Argentinierstraße. Bachers Freund Gustav Peichl („Ironimus“) hatte ihm den Spitznamen „Der Tiger“ verpasst. Und zwar mit einer legendären Karikatur in der „Presse“, die er in aller Eile auf Otto Schulmeisters Bitte anfertigte: „Tu den Tiger in den Kasten.“

Der „heimatlose Rechte“, wie sich Bacher stets kokett bezeichnete, holte sich die Crème heimischer Journalisten: Alfons Dalma (ganz rechts), Franz Kreuzer (Sozialist). Helmut Zilk (schillernder Sozialist) war schon da. Teddy Podgorski sowieso. Und da der neue Chef keinen akademischen Titel hatte („Herr Bacher genügt!“), erfolgte der Ukas, sämtliches Führungspersonal sei ohne schmückende Titel anzusprechen. Diese Weisung teilte Fernsehchef Professor Doktor Helmut Zilk seinem Fahrer mit. Worauf dieser antwortete. „Alles klar, Herr Direktor!“

Literaturtipp: Hans Werner Scheidl, „Ente zum Frühstück“, Amalthea.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2017)

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