"You Are Wanted": Dreh doch endlich dein Handy ab!

Alexandra Maria Lara und Matthias Schweighöfer in "You Are Wanted".
Alexandra Maria Lara und Matthias Schweighöfer in "You Are Wanted". (c) Pantaleon Films/Warner/ Stephan Rabold
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Groß waren die Erwartungen an die erste deutschsprachige Amazon-Serie von und mit Matthias Schweighöfer. Doch „You Are Wanted“ erfüllt sie nicht. Ab Freitag.

Was passiert, wenn ein Mittdreißiger mit gut bezahltem Job, bildhübscher Ehefrau, entzückendem Sohn und schnuckeligem Häuschen am Stadtrand auf einmal ins Chaos stürzt? Wenn das Private ganz plötzlich von Außen bedroht wird? Das ist die Ausgangsfrage der neuen Serie „You Are Wanted“, die ab Freitag auf Amazon Prime abrufbar ist.

Ins Chaos stürzt Protagonist Lukas Franke, gespielt von Matthias Schweighöfer, weil er Opfer eines Hackerangriffs wird. Das Unglück wird mit einem Knall angekündigt. Ein Stromausfall verdunkelt ganz Berlin und das Hotel, das Franke managt. Danach passieren seltsame Dinge. Sein Sohn wird heimlich gefilmt, er bekommt mysteriöse Nachrichten, Nacktfotos von einer ihm nicht bekannten Frau, und Lieferungen von Geräten und Psychopharmaka, die er nicht bestellt hat. Der Hacker, der ihn und seine Familie ins Visier genommen hat, zwingt Franke, ein Paket nach München zu bringen. Gleichzeitig wird er vom Berliner Landeskriminalamt verdächtigt, einen Terrorangriff zu planen, weshalb er rund um die Uhr bewacht wird. So viel zum dramaturgischen Grundgerüst.

(c) Pantaleon Films/Warner/ Stephan Rabold

Nach Sichtung der ersten beiden (von sechs) Folgen, die Journalisten vorab sehen konnten, stellt sich Enttäuschung ein. Die Erwartungen waren schließlich ziemlich groß. Mit einem deutschen „Mr. Robot“ hatten wir gerechnet. Das Ergebnis ist dann eher wie ein aufwendiger „Tatort“. Der Plot hätte Potenzial, doch die Umsetzung schwächelt. Die Figuren bleiben schablonenhaft. Frankes Ehefrau Hanna wird von Alexandra Maria Lara als kraftlose Frau gespielt, die die falschen Fragen stellt. Wir spüren nicht, was sie sich wirklich denkt. Der Hacker Jens Kaufmann (Jörg Pintsch) bleibt so unnahbar, dass man nach dem ersten Drittel der Serie noch immer keinen Anhaltspunkt hat, wieso er ausgerechnet diesem Lukas Franke so sehr ins Leben pfuscht. Auch der Grant der kettenrauchenden Kriminalbeamtin Sandra Jansen (Catrin Striebeck) bleibt ein Rätsel.

Ärgerliche Drehbuchschwächen

Am meisten stört aber die Hauptfigur. Fahrig und kopflos reagiert Franke auf die Anweisungen des Hackers. Er will sein in Schieflage geratenes Leben so schnell reparieren wie die zerbrochene Vase am Wohnzimmertisch – und erkennt nicht, dass beides nicht geht. Und er macht viele Fehler. Ständig wird er beispielsweise von Kameras beobachtet, werden seine Gespräche per Smartphone abgehört. Da fragt man sich als Zuseher bald: Wieso trifft er sich nicht in Lokalen ohne Überwachungskamera, wieso geht er nicht einfach offline oder dreht das Handy ab? Umgekehrt stellt sich die Frage, wie ein Mann, der permanent von der Polizei überwacht wird, zeitgleich ungestört von einem Hacker bedroht werden kann. Da sitzen Kriminalbeamte und Hacker vor dem Wohnhaus der Frankes in verschiedenen Autos und kommen einander nicht in die Quere. In einem Kaufhaus wird seinem Sohn ein Paket überreicht, wieder ist der Kriminalbeamte, der die Frankes observiert, in Reichweite, greift aber nicht ein. Das sind ärgerliche Drehbuchschwächen.

Der 35-jährige Matthias Schweighöfer ist einer der wichtigsten deutschen Filmstars der Gegenwart. Bekannt für Komödien, in denen er mit Hingabe den gutaussehenden, aber dümmlichen Tollpatsch gibt. In einem starken „Spiegel“-Porträt stand unlängst über ihn: „Er ist ein guter Schauspieler, er kommt nur selten dazu.“ Er macht von allem zu viel und das gleichzeitig. Im „Spiegel“ stand auch, dass er sich vor ein paar Wochen 100 Bücher kommen ließ, die er gelesen haben wollte. Er begann mit dem „Leben der Wünsche“ von Thomas Glavinic – und schaffte nur 35 Seiten. Neuerdings singt er auch, vor kurzem hat er sein Debüt-Album „Lachen Weinen Tanzen“ präsentiert.

(c) Pantaleon Films/Warner/ Stephan Rabold

Mit „You Are Wanted“ hat er sich viel vorgenommen. Er ist nicht nur Hauptdarsteller, sondern Regisseur, Produzent – seine Firma Pantaleon kooperierte mit Warner Brothers – und mitverantwortlich für die Musik. Die erste deutsche Amazon-Serie sollte düster sein, amerikanisch aussehen und ihn international bekannt machen. Immerhin wird sie in 200 Ländern abrufbar sein. Vielleicht kriegt sie in den verbleibenden vier Folgen dramaturgisch die Kurve. Wenn nicht, wird das eher nichts mit dem Welterfolg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2017)

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