ORF: Reformfrust auf allen Kanälen

ORF-Chef Alexander Wrabetz will in den Fernsehabteilungen kräftig umrühren.
ORF-Chef Alexander Wrabetz will in den Fernsehabteilungen kräftig umrühren.(c) Clemens Fabry
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Die Stimmung im ORF ist so schlecht wie lange nicht. Das liegt an den unfertigen Reformplänen von Generaldirektor Wrabetz – und zu vielen Köpfen, die mitreden wollen.

Alle fünf Jahre fällt der ORF in eine Starre. Es ist die Zeit vor und nach der Bestellung des ORF-Generaldirektors, in der kaum Entscheidungen fallen, dafür umso mehr Versprechen gemacht werden. Im August 2016 war es wieder so weit, der bisherige Chef, Alexander Wrabetz, wurde zum dritten Mal mit knapper Mehrheit der Stiftungsräte (18 von 35) bestellt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk könnte seither längst aus der Starre erwacht sein, doch das Gegenteil ist der Fall.

Schuld daran ist die von Wrabetz in seiner Bewerbung angekündigte Neuaufstellung der Fernsehredaktionen. Schon mit dem Start seiner dritten Amtszeit Anfang Jänner wollte er die umgesetzt haben, davon ist er aber weit entfernt. Er versucht nämlich das Unmögliche: es allen recht zu machen. Und er steht dabei unter besonderem Termindruck. Denn schon Anfang April (Termin ist noch nicht fixiert) lädt Medienminister Thomas Drozda zu einer Enquete, bei der über den öffentlich-rechtlichen Kernauftrag, die Finanzierung des ORF und eine Reform seiner Gremien diskutiert werden soll. Die Ergebnisse sollen Basis für die nächste Novelle des ORF-Gesetzes sein. Genau die fürchtet Wrabetz aber. Immerhin kann die Politik da an den Rahmenbedingungen für den ORF schrauben und etwa den Alleingeschäftsführer an der Spitze des ORF entmachten oder gar austauschen.

Wrabetz möchte bis zu dieser Enquete eine Entscheidung treffen, wer künftig wem was anschaffen kann – und dann die neuen Positionen formal ausschreiben. Doch zu viele Menschen erinnern sich daran, was er ihnen im letzten Sommer versprochen hat. Den politischen Parteien soll er zugesagt haben, TV-Direktorin Kathrin Zechner die Kontrolle über die Informationssendungen zu entziehen und das einigen zu mächtige „ZiB“-Trio Fritz Dittlbacher (Chefredakteur), Dieter Bornemann (Redakteursratsvorsitzender) und Moderator Armin Wolf zu schwächen. „Mit der ,ZiB‘ sind alle Parteien unzufrieden“, sagt ein ORF-Redakteur dazu, „das wäre ja ein gutes Zeichen.“ Umso mehr ärgert es viele, dass Wrabetz sich jetzt ausgerechnet in diesen Bereich hineinreden lassen will. Doch er schwankt. Er will Zechner nicht völlig vor den Kopf stoßen, schließlich muss und möchte er mit ihr die kommenden fünf Jahre zusammenarbeiten. Andererseits will er es sich mit Dittlbacher, Bornemann und Wolf genauso wenig verscherzen wie mit dem Rest der Redaktion. Wobei das schon passiert ist, nachdem er Anfang März zuerst die Stiftungsräte und nicht die Redakteure über seine Pläne informiert hat.

Neue Senderchefs für ORF eins und zwei

Die sehen, sehr kurz gefasst, so aus: Er möchte neue Senderchefs für ORF eins und ORF2 einführen, die sich um das Programm (also Information und Unterhaltung) kümmern, aber noch ist unklar, an wen sie künftig berichten sollen: An Zechner als Programmdirektorin (ihr Wunsch) oder an Wrabetz als Generaldirektor (sein ursprünglicher Plan). Jeder Senderchef – oder „Channel Manager“, wie sie ORF-intern genannt werden, weshalb man sie schon spitz „Kanalreinigertruppe“ nennt – soll einen Chefredakteur unter sich haben. Wrabetz hat auch schon konkrete Namen für die neuen Posten genannt: Lisa Totzauer, bisher ORF-eins-Info-Chefin, soll den Einser leiten und Roland Brunhofer, bis zum Vorjahr Salzburger Landesdirektor, den Zweier. Ein Vorschlag, der angeblich eng mit den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP abgestimmt worden sein soll. Was der Redaktion gar nicht gefällt. Während an der Besetzung von Lisa Totzauer kaum jemand etwas auszusetzen hat, stoßen sich viele an Roland Brunhofer. Der ist zwar nicht SPÖ-Mitglied, nennt sich aber „einen überzeugten Sozialdemokraten“. Dem gebürtigen Oberösterreicher werden durchaus Qualitäten im Lokaljournalismus und als harter Manager zugesprochen, als geeigneten Mann für die Leitung des Vorzeigesenders ORF2 sehen ihn zumindest die Redakteure nicht. Seit seiner Rückkehr aus Salzburg leitet er die sogenannte Transformer-Gruppe, die untersucht, wo und wie im ORF gespart werden kann.

Kommt Roland Brunhofer – oder nicht?

In den vergangenen Wochen soll Brunhofer, auch gegenüber Politikern, betont haben, er werde die Information „in den Griff“ bekommen und ordentlich sparen. Zudem soll er kein Hehl daraus machen, dass er wenig von der Arbeit des besagten „ZiB“-Trios und vor allem von Armin Wolf hält. Kürzlich aber hieß es, Brunhofer wolle den ORF2-Senderchef nur machen, wenn er voll auf die Redaktionen zugreifen dürfe. Ein weiterer Name, der immer wieder für den Posten fällt: Stefan Ströbitzer, ehemals Info-Chef von ORF2 und derzeit Programminnovator.

Alarmiert durch die Erzählungen aus der nicht öffentlichen Stiftungsratssitzung laden die ORF-Redakteure Alexander Wrabetz nun zu einer Redakteursversammlung. Am 23. März soll er den gut 500 Mitarbeitern der betroffenen Redaktionen sein Konzept erläutern. Eine Veränderung der Strukturen lehnen nicht alle Redakteure ab. Viele sind der Meinung, dass das Programm und vor allem die Information reformiert, Sendungen moderner gestaltet, neue Formate eingeführt gehören. Für breites Unverständnis sorgt aber, wenn neue Strukturen die Arbeit erschweren statt erleichtern oder nur auf Wunsch der Politik eingeführt werden. Es ist keine leichte Entscheidung, die Wrabetz in den kommenden Tagen fällen muss. Und es ist ein Balanceakt, die unterschiedlichen Wünsche von Parteien, Geschäftsführungskollegen und Redaktion zu befriedigen. Irgendwen wird er enttäuschen müssen.

Anmerkung: In einer früheren Version des Textes hieß es im ersten Absatz, Wrabetz sei im vergangenen August "mit großer Mehrheit" wieder bestellt worden. Das Gegenteil war der Fall. 18 von 35 Stiftungsräten stimmten am 9. Augsut 2016 für ihn, das ist das schwächste seiner drei Ergebnisse gewesen. Bei der ersten Bestellung im Jahr 2005 stimmten 20 von 35, bei der zweiten im Jahr 2011 29 von 35 Stiftungsräten für ihn. Wir bedauern den Verschreiber.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2017)

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