Hörfunk: Digitaler Lauschangriff

(c) Reuters (Cathal McNaughton)
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Die digitale Ausstrahlung von Hörfunk in Österreich ist zwar weitgehend erwünscht – lässt aber noch auf sich warten.

In Deutschland sei digitales Radio tot, meinten manche Marktteilnehmer bei den Medientagen in München. Alfred Grinschgl, Chef der österreichischen Regulierungsbehörde RTR, sieht die Aussichten für den Einzug der neuen Technologie auch im Hörfunk nicht so düster. Immerhin hätten die deutschen Ministerpräsidenten beschlossen, öffentlich-rechtliche Programm für digitalen Rundfunk auszuschreiben. „Die Sache ist in Deutschland aber noch nicht klar entschieden“, sagt Grinschgl im Gespräch mit der „Presse“. Und solange das nicht der Fall ist, wird Digital Audio Broadcasting (DAB) auch in Österreich auf sich warten lassen. Ein Alleingang sei weder sinnvoll noch erwünscht – das hat sich bei einem Workshop von RTR, Komm-Austria mit Marktteilnehmern und Experten gezeigt.

Die Einführung des digitalen Hörfunks sei aber „auf lange Sicht unausweichlich“ und notwendig, „um die Wettbewerbsfähigkeit des Radios in Österreich nachhaltig zu sichern“, so Grinschgl. Es müsse jedoch eine gemeinsame europäische Vorgangsweise geben. Vorerst müssen Konsumenten nicht die Elektronikhändler stürmen, um neue Geräte anzuschaffen. Eine Abschaltung von UKW ist derzeit nicht geplant – könnte aber eines Tages (wie bei Analog-TV) vorgeschrieben werden.

Der ORF lehnt eine UKW-Abschaltung ab. Michael Wagenhofer, Geschäftsführer der ORF-Sendetechniktochter ORS, gab zu bedenken, dass bei der Einführung eines digitalen Übertragungsstandards ein Simulcastbetrieb über ungefähr 15 Jahre nötig sein werde. Wie das zu finanzieren sei, gelte es zu bedenken.

800.000 Euro Sendekosten

Die Digitalisierung des Radios wird vom ORF, wie auch vom Verband Österreichischer Privatsender, grundsätzlich begrüßt. Der Verband Freier Radios ist skeptisch. Der Grund: Die Sender müssen mit hohen Kosten rechnen: Laut Grinschgl müssten kleinere Stationen mit „plus/minus“ 100.000 Euro im Jahr rechnen, die österreichweite digitale Ausstrahlung würde 800.000 Euro im Jahr kosten. Bleibt der UKW-Empfang parallel zu DAB aufrecht, müssten die Radios die Kosten für beide Übertragungswege tragen, gibt Grinschgl zu bedenken – und DAB würde sich dann nur „sehr langsam“ durchsetzen: Immerhin gibt es in jedem Haushalt meist mehrere analoge Radiogeräte, die es zu ersetzen gilt. Von den Frequenzen her wäre eine Parallelausstrahlung kein Problem, weil DAB und DAB+ einen separaten Frequenzbereich haben.

Was die freien Radios ebenfalls besorgt: Das bevorzugte System DAB/DAB+ eignet sich zwar für die großflächige Ausstrahlung größerer Programm- und Senderpakete, für lokale Hörfunkveranstalter bräuchte es aber alternative Technologien wie DRM+. Diese müssten eingeplant werden, fordert Helmut Peissl, Chef des Verbands Freier Radios Österreich: „DAB darf die Lokalradios nicht an den Rand drängen, man darf hier nicht nur Autobahnen, sondern muss auch Landstraßen bauen.“ Und es müsse gesetzlich sichergestellt werden, dass die Empfängerindustrie diese Technologien auch bedient. Die Privatsender fordern außerdem Förderungen aus dem Digitalisierungsfonds zur Abdeckung der Investitionskosten.

Im Workshop sei auch die Medienabteilung des Bundeskanzleramts vertreten gewesen, berichtet Grinschl: „Wir haben einen gemeinsamen Vorschlag gemacht, wie digitales Radio sehr bald im ORF- und Privatradio-Gesetz verankert werden soll.“ Laut Komm-Austria-Leiter Michael Ogris gibt es derzeit keine ausreichenden gesetzlichen Grundlagen für einen Regelbetrieb im digitalen Hörfunk. Auch seien noch viele Fragen offen – es müssten etwa Must-carry-Verpflichtungen und Meinungsvielfalt-Aspekte bedacht werden. „Der Gesetzgeber wird auch über Ausmaß, Inhalt und Finanzierung zusätzlicher digitaler Hörfunkprogramme des ORF nachdenken müssen“, so Ogris.

NEUES RADIO

Digital Audio Broadcasting – (DAB) ist ein digitaler Übertragungsstandard für Radioprogramme. Die Ausstrahlung ist teuer: 800.000 Euro jährlich für einen bundesweiten Sender.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2009)

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